Theater Phönix
Date: Fri, 11 Dec 1998 12:21:15 +0100

("Das geschieht nicht aus Großmannssucht, sondern aus konkreten Überlegungen...")

THEATER PHÖNIX/FREIE SZENE - KULTURENTWICKLUNGSPLAN

Statt Großmannssucht und Protzerei, statt zum Teil gedankenlosem Einkauf, ist ein behutsamer Umgang mit aus der Stadt und der Umgebung gewachsenen Künstlern und -gruppen gefragt. Fachkompetente Betreuung und der Wille, diese kostbare Substanz wachsen zu lassen. Regionales kann sich zu Internationalem entwickeln und für eine wirklich kulturelle Weiterentwicklung einer ganzen Region sorgen. Selbstwertgefühl und Selbstbewußtsein von KünstlerInnen eingeschlossen. Kein zu Tode pflegen und säubern von Subkulturen. Nur aus Subkultur wachsen Vision und Utopie. Solche kann man nicht einfach vorsätzlich von Außen erzeugen oder unter geschäftiger Hand einkaufen. Gute Austauschprojekte, von denen alle etwas haben, vor allem der Künstler und schließlich das Publikum, sind natürlich wünschenswert und tragen zum nötigen Gleichgewicht der Künste bei.

Das Theater Phönix ist aus einer Freien Theatergruppe gewachsen und versteht sich auch heute als solche. An der Wienerstraße bespielt die Phönixcrew mit großem (auch internationalem) Erfolg ein umgebautes Kino, in dem bis zu 300 Besucher Platz finden können. Eine eigene Zeitung wird herausgegeben, viele TheaterkünstlerInnen aus der Umgebung werden in jährlich bis zu 8 Eigenproduktionen eingebunden und finden Arbeit (SchauspielerInnen, BühnenbildnerInnen, KostümbildnerInnen, MaskenbildnerInnen, Bühnentechniker, Bühnenhandwerker, etc.). An die 30 000 bis 40 000 Zuschauer gehen jährlich durchs Phönix. Das Theater Phönix arbeitet auf eigenes Risiko, also ohne künstlerisches Budget. Volles Risiko für den Künstler, der Erfolg haben muß, null Risiko für die Politik. Die Phönixcrew, und so geht es vermutlich all diesen organisch gewachsenen Künstler und -gruppen in Linz, überlebt durch gnadenlose Selbstausbeutung allen Personals (künstlerisch wie manuell). Tausende Überstunden ohne Abgeltung, grenzenloser Einsatz, sonst würde das System augenblicklich zusammenbrechen...

Es kann nicht sein, daß Milliardenprojekte in Auftrag gegeben werden, solange es in dieser Stadt (anerkannte) KünstlerInnen gibt, die weit unter dem Existenzminimum leben (müssen). Es kann nicht angehen, das ein auch überregional und international angesehenes Theater Phönix seit Jahren personell unterbesetzt ist und immer noch nach dem Selbstausbeuterprinzip arbeitet. Büro, Technik, Werkstatt sind schwerst überlastet bzw. grass unterbesetzt. 6 SchauspielerInnen spielen bis zu 300 Aufführungen in bis zu 8 Eigenproduktionen... Das künstlerische Budget muß eingespielt werden - Experimente, neue Theaterformen, Projekte mit Werkstatt- und Laborcharakter (z.B. mit jungen AutorInnen wie das Projekt Junge-Hunde) sind nur dann machbar, wenn in einem Jahresspielplan zumindest zwei Produktionen sg. blockbuster (Auslastung an die 100% bei hoher Aufführungsanzahl) werden.

Die Aufgabe, die sich das Phönix gestellt hat - und diese entspricht der Erwartungshaltung und der unbedingten Notwendigkeit in einer immer langweiliger werdenden Theaterlandschaft - ist nur eingeschränkt umzusetzen. Zahlreiche innovative, spartenübergreifende Projekte (Kooperationen), die neue Entwicklungen am Theater aufzeigen könnten, müssen hintangestellt werden, da die Existenz in keinster Weise gewährleistet ist.
Die seit 1.1.97 gültige Werkvertragsregelung hat dem Theater Phönix einen Mehraufwand von durchschnittlich ca. 1,2 Millionen Schilling pro Jahr verursacht; diese Tatsache führte zu einer nicht unwesentlichen Verschuldung, deren Tilgung in keinster Weise geklärt ist; im Gegenteil, das Ansteigen der Schulden ist von unserer Seite nicht vermeidbar und scheint - wenn nicht von seiten der Subventionsgeber eingegriffen wird - unausweichlich. Somit ist eine starke existentielle Gefährdung des Theater Phönix gegeben. Andere Gesetzesänderungen wie beispielsweise die Sozialversicherungspflicht geringfügig Beschäftigter verursachen ebenso zusätzliche Ausgaben, die im Budget nicht vorgesehen sind und auch nicht sein können.
Das Theater Phönix fordert eine adäquate Erhöhung der Jahressubvention, um vor allem im personellen und strukturellen Bereich seit Jahren dringend notwendige und immer noch ausstehende Verbesserungen vornehmen zu können und den o.e. Mehraufwand durch Werkvertragsregelung etc. ausgleichen zu können; um die Unabhängigkeit hinsichtlich der Gestaltung des Spielplans und letztendlich die Freiheit der Kunst und damit der KünstlerInnen im Theater zu schaffen, ist es dringend notwendig, daß die Stadt Linz eine Ausfallshaftung übernimmt.
Diese Forderung gilt für die gesamte Freie Szene.

Es gilt, Enklaven zu schaffen, in denen Entwicklung und Umsetzung des kreativen Potentials ohne Druck von außen möglich ist, in denen ein Diskurs um Kunst sich aus der Kunst herausentwickeln kann, ohne, daß die lähmende Wirkung des kulturpolitische Dilemmas in diesem Land, in dieser Zeit diesen nicht nur hemmt sondern von vornherein verhindert, es gilt, die oft zitierten 'Freiräume' nicht nur mit großen (politisch wirkungsvollen) Worten in den Raum zu stellen und damit deren Vorhandensein zu behaupten, sondern solche tatsächlich zu schaffen, ideell aber vor allem materiell also finanziell zu fördern.

Das Reservoir an KünstlerInnen in dieser Stadt scheint mehr als ausreichend, um Linz tatsächlich über die Kunst eine eigene, unverwechselbare Identität zu schaffen, eine national und international anerkannte Identität, fernab der Hoch- und Prestige- ist gleich Event-Kultur, welche im übrigen - da von anderen Städten nicht unterscheidbar - eine Nivellierung und damit Abwertung zum Ergebnis hätte.

Wir fordern:

1. Entsprechende Subventionserhöhungen und Subventionen für ALLE Freien Künstler- und Künstlergruppen von Linz und Umgebung, die Linz substantiell Charakter im Sinne von Kunst und Kultur verleihen bzw. verliehen haben (Theater Phönix, Stadtwerkstatt, Kapu, Kupf, Fabrikanten, Contained, etc. ...), um Linz ein wirklich entsprechendes und wahrhaftiges Kulturprofil (über eingekaufte Etikettierung hinaus) verleihen zu können.
2. Entsprechende Vermittlung einer gerecht subventionierten regionalen Kunst- und Kulturarbeit der Freien Künstler und Gruppen, um eine markante überregional anerkannte Kunst- und Kulturszene für Linz zu schaffen. Devise: Linz zeigt Profil und Charakter. Statt Hülle Fülle! Statt Beton Künstlerleben. Statt Denkmalkunst Menschenkunst.
3. Entsprechendes Austauschprogramm: Internationale Künstler- und gruppen treffen Linzer Künstler und -gruppen. Gemeinsame Projekte. Kommunikation, nicht von Politikern und Beiräten überlegt, sondern von einem Künstlerforum, das ein angemessenen innovatives Austauschprogramm vorlegt.
Weniger Mainstream, mehr Innovation und Risiko. Wiederum: Charakter zeigen, statt Allgemeinplätze...

Die (Kultur)Politik hat ganz klar und konkret Stellung gegen die Kommerzialisierung der Kunst zu beziehen, hat eine Basis zu schaffen, die die oftmals zitierte Freiheit der Kunst Realität werden läßt. Die (Kultur)Politik muß eine markante Wendung erfahren, in Denken und Handeln. Sie muß (ständig) hinterfragt werden und sich selbst (ständig) hinterfragen.

Harald Gebhartl/Alexander Kraus
Theater Phönix

PS: Wo werden (neue) Förderkriterien formuliert? Das Beirats- und Jurywesen in Frage gestellt? Alternativen gesucht und diskutiert?