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Gegen Morgen kann sie dann meistens schlafen.
Aber es ist ein leichter Schlaf, und manchmal glaubt sie am nächsten
Tag, sie hätte auch während des Schlafens gehorcht und sie
könnte sich sogar noch daran erinnern.
Am Tag ist es besser. Oder es
ist überhaupt nicht da. Da wundert sie sich dann darüber, und
manchmal lacht sie sich sogar aus und redet sich ein, sie habe keine Angst.
Aber sie weiß, daß die Nacht wiederkommen wird, und da fängt sie an,
Angst vor dem Abend und vor der Nacht zu haben.
Sie läßt einen Brief
an ihre Tochter schreiben. Diese kommt auch, sie stellt fest, daß der Mutter
von der Krankheit etwas geblieben sei, und will sie in die Stadt mitnehmen.
Dazu kann sich die alte Frau nicht entschließen. Als dann die Tochter so
nebenbei meint, eine Operation könnte ihren Augen bestimmt helfen, da weiß
sie, daß es richtig ist, hierzubleiben.
Die eine Nacht, die die Tochter
hierbleibt, ist angenehm. Sie sprechen fast bis Mitternacht miteinander, dann
legen sie sich nieder und sprechen noch im Liegen weiter. Sie schlafen in
einem Zimmer. Die Betten mit den hohen Kopfteilen, die bis unter die niedrige
Holzdecke aufragen, stehen an den Wänden und lassen in der Mitte einen
schmalen Gang frei. Dort an der Stirnseite ist das kleine Fenster hinunter in
die Kellergasse. Sie hat sich nie entschließen können, das zweite Bett
hinauszugeben. Sie hat sich daran gewöhnt, sich beim Aufstehen mit der
rechten Hand auf dem gegenüberliegenden Bett abzustützen und dann die
Beine mühsam herauszuzerren. Und jetzt ist sie froh, daß die Tochter im
anderen Bett schläft. Vielleicht kann sie öfter kommen. Die Nacht nach dem Besuch der Tochter ist dann besonders arg.
Sie wäre froh gewesen, wenn die Tochter noch eine Nacht hätte
bleiben können. Sie hat sich nie viel von ihren Kindern gewünscht
oder erwartet, aber diesmal hätte sie es gerne gehabt, wenn die Tochter
geblieben wäre. Und jetzt muß sie an Horst, an ihren Sohn, denken. Sie
will ja nicht. Aber wehren kann sie sich nicht dagegen. Früher hat e r in
dem zweiten Bett geschlafen. Ja, und sie hat ihm nicht verboten, ein Motorrad
zu kaufen. Sie hat gesagt, daß sie es für gefährlich hielt, aber der
Horst hat nur gelacht und gemeint, er würde schon aufpassen und i h m
würde bestimmt nichts passieren. Und dann blieb eines Tags ein Auto
vor dem Haus stehen, Türen wurden geöffnet und zugeschlagen, Stimmen
sprachen durcheinander, und irgendetwas kratzte und scheuerte, als ob man
irgendwo irgendwas herauszöge. Und dann Schritte um das Haus herum, sie
mühten sich die Stiegen herauf, und s i e erkannte die Schritte nicht.
Es klopfte, und eine Männerstimme fragte nach ihrem Namen, und dann
brachte man etwas zur Tür herein. Und dann erkannte sie eine Stimme, es war
Ernst, ein Freund vom Horst, und er erzählte, wie es geschehen war. Und
daß die Rettung gleich gekommen wäre, aber nichts mehr hatte tun
können. Und da beugte sie sich über Horst, ganz nah über ihn, damit sie
ihn vielleicht doch noch erkennen konnte, aber sie sah nichts, und da wollte
sie sein Gesicht in die Hände nehmen, aber da war nichts Vertrautes mehr,
alles war anders, und es war klebrig, und es roch süßlich, und sie mußte
sich fast erbrechen. Man trug ihn wieder hinaus, und sie versuchte, sich sein
Gesicht vorzustellen, aber es gelang ihr nicht mehr. Daran mußte sie jetzt
denken, und plötzlich hatte sie sein Gesicht vor sich.
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