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Die Ringstraße wälzt sich wie ein breiiger Lavastrom
unter der Last von ein paar Straßenbahnlinien und, gestützt von den
einander dauernd widersprechenden Bestrebungen und Bestemmungen von ein paar
Hunderttausenden Autos, dennoch genußvoll herum und läßt sich am 1. Mai
den Bauch kraulen, ein alter Brauch. An den Seiten kann man gehen und
ebenfalls fahren. Diese minimalen Umstände des Beschreibens und
Beschreitens mach ich mir auch nur, um Sie drauf aufmerksam zu machen, daß wir
uns einem Punkt nähern, an den wir genausogut auch hätten zu Fuß
gehen können, wenn wir nicht allzu weit weg gewohnt hätten.
Für den aufrechten Gang sind unsere Leiber ursprünglich
gezüchtet, weil man aus uns etwas Besseres als ein Tier herstellen
wollte. Die Anmut ist uns jedoch ausgetrieben worden, dafür jagen in den
Gemütern unsere Empfindungen spielend umher, zerren kopfschüttelnd
mit ihren Reißzähnen an den letzten Resten von Mitleid, die sie uns aus
dem Bauch holen, wo wir uns unsere Gedanken schneidern lassen; sie tollen
wie Jagdhunde, diese Gefühle, die uns manchmal, wenn es Nacht wird,
zerreißen, weil wir einer Göttin (Spitzname: die Wahrheit) heimlich beim
Baden zugeschaut und nichts gesehen haben, da wir an ihrer Statt unser
Kontakt-Linsengericht aufgefressen haben. Es heben die Toten unter unseren
Sohlen die müden Rücken an und straffen ein letztes Mal die
Schultern, damit wir besser auf sie draufsteigen können. Wie sollten wir
sonst all die Haken in die Wände unserer Berge schrauben, um Leute daran
aufzuhängen? Bis die Toten, endlich abgehangen, zum Verzehr geeignet sind
und wir uns ihre Eingeweide in den Mund schaufeln können.
Das Fleisch muß ordentlich unter unseren Hintern ruhen
können, sonst ist es zu zäh. Wir sind so froh, daß wir Recht haben,
es ist gar nicht auszuhalten. Warum ich das sage? Inzwischen enthüllt
sich mir ein grauer, ein grauenhafter Ort, das Kellergeschoß des sogenannten
Kunsthistorischen (drüben: eins für die gute Völkerkunde!) Museums,
kommen Sie, schauen Sie es sich an, aber nicht aus der Nähe, wir haben
wenig Zeit, wir müssen uns später noch die eingeglasten Gehirne am
Steinhof anschauen, also das Museum ist einfach super groß, allein der
Eingang! Es besitzt Säle noch und noch, in denen die
zerschlagenen Formen von Menschen gezeigt werden. Man kann sehen, wie sie
gedacht waren, bevor sie uns und unserem Insektengift entkommen konnten. Als
man sah, daß es so nicht gut war, haben wir, ihre Götter, diese
schönen Formen zerschlagen, sind aber nie mehr dazu gekommen, neue zu
machen. So konnten diese Leute auch vorher niemals dagewesen sein. Davor,
bevor sie nie dagewesen waren, haben wir sie aber noch fotografiert und
abgemessen, wie ihre Lebensfristen, damit sie vor ihrem Tod noch erfuhren, wie
sie, um uns zu gefallen, niemals hätten aussehen dürfen. Heute
würde man gar nicht mehr glauben, von welch rasendem Rausch diese Stadt
einmal erfaßt gewesen ist, und das nur wegen Menschen, die, aus heutiger
Sicht, eine ganz normale, alltägliche Außenansicht gehabt haben. Keine
Hundescheiße drauf, die Hände noch nicht von einem Zaun-Waffelrost
gegrillt, keine Peitschenmarken, mit denen sie ins Jenseits hätten
abgeschickt werden können, nichts hätte ihnen etwas
genützt.
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