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Marlene Streeruwitz |
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aus dem Schultor. Ich muß weiter, sagte Helene hastig. Sie umarmte
Barbara. Hielt sie an der Hand. Als hätte das Leider ihr gegolten und
sie mußte sie schützen davor. Helene ging mit den Kindern ins Restaurant
im Türkenschanzpark essen. Sie mußte gleich wieder ins Büro fahren.
Nestler wollte zu Mittag nach Wien kommen und genau informiert werden.
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Marlene Streeruwitz |
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Alex rief an. Helene sagte zu. Sie sollten einander sehen.
Sie war seit Wochen nicht aus gewesen. Alex holte sie ab. Sie gingen zum
Heurigen. Sie saßen unter der großen Linde beim Welser in der Probusgasse.
Alex war schweigsam. Helene bemühte sich, ein Gespräch zu
führen. Wie es ihm gehe. Was er tue. Wo er lebe. Alex gab kurze Antworten und trank
schon den dritten Gespritzten. Vor einem Jahr waren wir glücklicher.
Helene konnte nichts sagen. Sie sah ihn an. Ich hätte bei dir bleiben sollen,
sagte Alex. Er klang bitter. Ich kann mich ohnehin nicht verstehen, sagte
er, Warum ich damals. Ich meine. Die Gitta. Sie hat. Damals. Ist es eben nicht. Er
trank und bestellte den nächsten Gespritzten. Helene schob ihren Wein weg.
Sie konnte nicht schlucken. Plötzlich. Können wir nicht. Ich meine.
Du. Und ich. Ich kann mich nicht scheiden lassen. Das kann ich mir nicht
leisten. Aber ich werde allein leben. Ich suche mir eine Wohnung in Wien. Wir
können doch. Zusammen. Helene sah Alex beim Reden zu. Er sah auf den
Tisch und fuhr mit dem Zeigefinger die Streifen der Karos auf dem Tischtuch
entlang. Er hielt inne. Helene. Wir sind. Ich meine. Wir sind einander doch
appetitlich. Findest du nicht. Helene sah ihn an. Alex sah auf. Helene
erinnerte sich an Brixen. Einen Augenblick lang. Vor einem
Jahr. Blühende Bäume an einem steilen Hang. Der Balkon des
Hotelzimmers, auf dem sie immer gegessen. Weil Alex im Speisesaal nicht mit ihr
gesehen werden durfte. Ein Geschmack von Käse und geschmolzener
Butter von den Schluzkrapfen. Und fahren. Neben ihm. Helene stand auf. Sie
nahm ihre Handtasche. Sie küßte Alex auf die Wange und ging. Sagen konnte
sie nichts. Sie ging die Probusgasse zur Armbrustergasse zurück. Über die Hohe
Warte. Sie ging schnell und konzentriert. Helene kam zu Hause an. Sie war
verschwitzt. Sie hatte das Gefühl nach Schweiß zu riechen. Ihre
Hände und Füße waren eiskalt. Trotz des langen Gangs war ihr kalt.
Sie nahm ein Bad. Sie sperrte sich im Badezimmer ein und badete. Saß
in der Wanne und ließ heißes Wasser nachlaufen. Bis sie rot
vor Hitze geworden war. Am ganzen Körper. Im Fernsehen sah sie noch das
Ende eines Krimis. Schimansky hatte einen Mörder zur Strecke gebracht.
Aber er mußte viel trinken. Nachher.
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Henryk hatte angerufen. Das Telefon hatte geklingelt, und
er war am Apparat gewesen. Ob sie in die Stadt kommen könne. Er sei im Cafe
Korb. Es war ein regnerischer Tag. Ende Juni. Aber kalt. Stürmisch. Helene
ging ins Badezimmer und richtete sich her. Sie war langsam dabei. Und ruhig.
Den Kindern sagte sie, sie brächte etwas Süßes aus der Stadt mit.
Sie sollten fernsehen. Bei diesem Wetter wäre das ohnehin am
gemütlichsten. Ob sie nicht kommen könnten, fragten die Kinder. Nein.
Helene war müde. Das wäre nicht möglich. Helene fuhr mit dem
Auto in die Stadt.
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Marlene Streeruwitz. Verführungen. 3. Folge Frauenjahre. Frankfurt am
Main: Suhrkamp, 1996, S. 235 - 237.
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Marlene Streeruwitz
Marlene Streeruwitz wurde 1950 in Baden bei Wien geboren. Sie studierte
Slawistik und Kunstgeschichte in Wien und verfaßte Hörspiele für den SDR,
WDR, Radio Bremen und ORF. Seit 1992 werden ihre Theaterstücke an
wichtigen Bühnen gespielt, darunter Uraufführungen am Schauspiel
Köln, am Deutschen Theater Berlin, an den Münchner Kammerspielen und
bei den Wiener Festwochen. Marlene Streeruwitz lebt mit ihren beiden
Töchtern als Schriftstellerin und Regisseurin in Wien.
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