Julie Burchill / Tony Parsons: The Boy who looked at Johnny. Hannibal 1982, S. 11 - 15 Bob Dylan brach sich den Hals. Zu schön um wahr zu sein. Ihre ehrliche Haut gerettet haben nur jene, die rechtzeitig die Kurve kratzten. Eine Handvoll Hohepriester der WEISSEN JUGENDKULTUR – Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison – erstickt an ihrer idolisierten Kotze, ehe sie zu blutsaugenden Götzen verkommen konnten. Damit folgten sie ihren Vorgängern aus den 50ern: Eddie Cochran (Autounfall), Gene Vincent (durch Cochrans Himmelfahrt zu Tode geschockt), Buddy Holly, Richie Valens, Big Bopper (Flugzeugabsturz), Jerry Lee Lewis, Chuck Berry (Fulltime-Päderasten), Elvis (auf halbem Weg einberufen), Little Richard (wurde – Gott vergib ihm! – religiös) – alles aparte Heiligenbilder, zu schnell gelebt, zu früh verstorben oder karstriert, noch ehe ihr Jahrzehnt um war. Die 60er waren dann die Ära der Dinosaurier mit den eisernen Lungen. Sie wuschen ihre Pranken im Blut des Teenager-Idealismus und vegetierten überheblich, überfressen und übersäuert dahin, nachdem sie sich an den Früchten ihrer Arbeit (Sex/Drogen/Heldenstatus) die Bäuche vollgeschlagen hatten. Aus Helden der Arbeiterklasse wurden Steuerflüchtlinge der Kokain-Klasse und der künstlerische Anspruch wurde zur Selbstparodie. So waren die Who im Jänner 1968 nur noch reinste Schmierenkomödianten: „Das Gitarrenzertrümmern geschah aus echter Wut, jetzt ist es dramatischer Showeffekt, nicht mehr", sprach der Mod, der Meher Baba (Pete Townsends indischer Guru) und sein Baby „Tommy" taufen ließ. Die Fab Four reichten die Scheidung ein. Eric Clapton tauschte Gitarren-Heroismus gegen Heroin. Und die Rolling Stones gaben dümmliche Lippenbekenntnisse über Satan und Soziales zum besten. Nach dem Motto: Lieber reich und jung als alt und arm. Unterdessen in den Staaten: Da ging die Garagen-Band-Seuche um als wärs Interkontinentalakne. Eine neue Bürstenhaarschnitt-Generation drängte sich mit demselben schwarzen R&B und Soul in die Pole-Position, von dem auch die Brit-Beat-Imperialisten ursprünglich ihre Riffs und Licks geklaut hatten. Nur landeten die Amerikaner – getreu ihrer Fernost- und Weltkriegsstrategie – Jahre zu spät, dafür aber mit weiterentwickelter Technologie. White Dopes On Punk erklärten den Rock zu ihrem Alleinbesitz. Bands wie ? And The Mysterions, The Electric Prunes und The Magic Mushrooms kamen aus dem Nichts, um nach einem Hit gleich wieder dorthin zurückzukehren. Die Glücklicheren unter ihnen kriegten einen Job in der Abführmittel-Werbung. Jedenfalls waren ihre Pubertätsangst-Soundtracks im Mülleimer-Look die ersten Rockwerke, die als „Punk Rock" etikettiert wurden: ein Ausbruch in den Anti-Stil, rotzfreche Angeberei mit elektrischem Spielzeug, Rachehymnen an die Immerwährende Unheilige Dreifaltigkeit Lehrer-Eltern-Freundin, in den 60ern Urheber allen Leidens eines weißen Durchschnittsteenagers in Amerika, der wie die Made im Speck lebt. Der Weg in die Vergessenheit war kurz, der Garagenband- Solipsismus bereits zu Lebzeiten unmodern, überholt und abgenutzt. Uncle Sam napalmisierte derweilen Vietnam, und seine Kinder verbrannten ihre Einberufungsbefehle. Und als sie für sich das LSD entdeckten, konnte man im ganzen Land die Haare wachsen hören. Es bedurfte eines Lenin, um die Marx´schen Lehre zu verbreiten, und es bedurfte der Byrds und Mamas And Papas, um Dylan auf die Playlist der Radiostationen zu bringen. Arthur Rimbaud und Woody Guthrie tanzen Hand in Hand den Wall-Street-Shuffle¼ Es waren Popbands, die Dylans Psalmen in die Hitparaden brachten. Die Intelligenzia befaßte sich damals fast ausschließlich mit LPs und schielte dabei mit einem Auge nach künstlerischer Anerkennung, mit dem anderen nach noch größerem Profit. Die Byrds verwässerten Dylan nicht. Sie machten ihn erträglich. It´s alright Ma, he´s only whining¼ Dylan seinerseits lernte von den Popbands, er wurde elektrisch, sang über das Standard-Thema „Boy meets Girl", und wenn er nicht drauf vergaß, streute er eine Prise Alibi-Protest ein. Sonny & Cher glaubten an ihre Songs jedenfalls unendlich mehr als Dylan das jemals tun wird. Ihre WaldundWiesen-Schlager sind unwiderruflich ehrlicher, glaubwürdiger und weniger anmaßend als Dylans Dogma. Die Rolling Stones nächtigten während ihrer ersten US-Tournee im Haus von Sonny & Cher – auf dem Fußboden. Und in Haight-Ashbury ging eine neue Seuche um: Dort war LSD-Verzehr wichtiger als Truppenbewegungen, und „Bewußtseinserweiterung" ein Luxus, dem nun die Überflu&zlig;kinder frönen konnten. Jimi Hendrix war zwar schwarz, aber die Hippies erhoben ihn zu ihrem Onkel Tom, dem einzigen schwarzen Star auf Acid. Halluzinierende Schrumpfköpfe wie Jefferson Airplain, Grateful Dead, Moby Grape, Love and Captain Beefheart konsumierten LSD mit der Inbrunst besessener Betschwestern. Und erstmals wurde die Rockmusik zum Vehikel für religiösen Heißhunger. Sogar die Beach Boys hatten ihren Maharishi („He´s my little Deuce Guru, you don´t know what I got"), und jeder von den Stones bis zu Sinatras dritter Frau pilgerte im Kashmir-Pullover nach Katmandu. Ringo beklagte sich zwar nach seiner Rückkehr, es sei „wie bei Butlin´s" (Arbeiterstrandbad in England) gewesen, aber die Rückkehr des gesunden Menschenverstandes ließ noch weiter auf sich warten. Ja, und Brian Epstein wurde zu Grabe getragen. Cannabis sativa ließ man gleich nach Kaviar als Hors d´oevre auffahren. Jimi Hendrix beschäftigte einen Dealer, der das Bouquet jedes Acid-Krümels vorzukosten hatte. Und die mit Perlen, Kordeln und Quasten behängten Alternativkonsumenten tauschten Surfbrett und Liverpool-Akzent gegen Hipperanto wie „high" und „trip". Der Rock verlor seine naive Ursprünglichkeit und schmückte sich mit Attributen wie Bewußtseinserweiterung und künstlerische Respektabilität. Aber auch beim neuen, „bewußten" Rock And Roll waren die Barrikaden bloß aus Pappe. Seien Sie die ersten in der Straße, deren Sohn in einer Head-Band spielt! Anderswo schmeckte das Blut nicht nach Ketchup: In Paris etwa lieferten sich linke Studenten und Gewerkschafter wahre Schlachten mit der Polizei. Verzweifelt go&azlig; die Regierung Tonnen Zement auf die Straßen der brennenden Hauptstadt, um der Kopfsteinpflaster-Artillerie ihre Geschoße zu nehmen. Und auch die Jugend von Japan, Mexico, Griechenland und Deutschland hätte das amerikanische Peace-Gefummel bestenfalls für einen matten Scherz gehalten. Aber wer in Amerika braucht schon gute Gewerkschaften, wo man doch die Mafia hat. Die Schwarzen steckten Watts (Schwarzenviertel in Los Angeles) an, die Weißen ihre Räucherstäbchen. All You Need Is Love, wenn dein Idol reich ist und dein Guru salbungsvolle Reden schwingt. Jede Andeutung einer Bedrohung für den großen „American Status Quo" wurde mit Plattenverträgen niedergeknebelt. Was für ein Karriere-Leben als Vinyl-Legehenne! Die ganze Energie, die eigentlich der Auflösung des Establishments dienen hätte sollen, wurde für lukrative Ausbeutung so wenig subversiver Dinge wie etwa des Generationskonflikts verschwendet. Das Paradebeispiel waren die MC5, eine Detroiter Band, 1967 von John Sinclair formiert. Nachrichtenminister der White Panther-Partei John Sinclair in eigenen Worten über die Motive der MC5-Gründung: „Die MC5 haben sich völlig der Revolution verschrieben. Mit unserer Musik und unserem genialen ökonomischen Konzept rauben wir der arglosen Gesellschaft das Geld und die Mittel zur Verbreitung unseres Programms. Zugleich revolutionieren wir ihre Kinder. Wir haben mit unserem Einstieg in die Medien gezeigt, daß jeder Mist den die Spießer bauen für ihre Kinder sofort durchschaubar wird. Man muß diese Brut nicht beseitigen, wir nehmen ihr bloß ihre Ersatzwelt und lassen sie verkümmern und aussterben. Ihre Erben werden dazu triumphierend jubeln. Wir haben keine Gewehre – zumindest nicht alle von uns – denn wir haben mächtigere Waffen: Der direkte Draht zu Millionen Jugendlichen ist unsere wirksamste, ihr Glaube an uns eine weitere. Aber wir werden zu den Waffen greifen, wenn es nötig wird. Wir werden vor nichts zurückschrecken. Wir haben keine Illusionen."
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