ear witness concerts

flo bei konzert in der kapu
flo sedmak

den ersten konzerten meines lebens wohnte ich im kellergewölbe einer uralten ischler mühle bei als es gerade die ersten grünen gab die auch etwas kultur in der stadt haben wollten und den keller 'keller' nannten und peter ratzenbeck dort spielen ließen · feger und flieger aus ischl waren an die linzer feuerwehrschule im zivildienst strafversetzt worden und engagierten die dead souls und feuerlöscher und so begab es sich daß ich zur ersten punkrockshow meines lebens kam und es war beträchtlich wild weil fast alle linzer freunde mitgereist waren und ziemlich wild aussahen aber doch harmlos waren gott sei dank · bruckmayr hielt zum intro einen lo-fi-rekorder ans mikro und frieden hatte sich die einstellung seiner unglaublich vielen effektgeräte auf einem blatt papier notiert · mops sagte zu krispel ich hab das vorspiel vergessen und krispel raunte verschwörerisch dann spiel halt irgendwas und mops grinste entschuldigend was krispel aber gar nicht mehr sehen konnte weil ihm einmal mehr die bandana über die augen rutschte · huckey wurde im raum herumgeschmissen und nachher stand der keller knöcheltief unter bier und der hausbesitzer der baptist und mein biologielehrer war erzählte am montag erschüttert so viele dieser leute hätten ihm an die hausmauer getan · ein jahr später gabs das ganze noch einmal aber da hießen feuerlöscher schon tod mit punkten dazwischen und ich war wieder dort und es war wieder sehr lustig · 88 im oktober wollte ich vom unendlich öden zivildienstgrundlehrgang im unendlich öden meggenhofen in den posthof weil dort stand to fall und target of demand im vorprogramm von henry rollins spielen sollten den ich gar nicht kannte · in der warteschlange an der kassa sah ich zum ersten mal die schwarzweißen kapuplakate auf denen für so much hate und life but how to live it geworben wurde und ich dachte fein da ist wenigstens abends was los · drinnen klebte dann krispel plakate auf auf denen dem p.t. publikum die absage der linzer bands wegen notorischer posthofgeizigkeit mitgeteilt wurde und so gabs eben jingo de lunch zum kaffee · wochen später als ich schon beim samariterbund im unendlich öden leonding saß borgte ich abends halb legal einen bus aus und fuhr in die stadt pünktlich auf acht uhr denn ich wollte um keinen preis was versäumen · ich war natürlich der erste zahlende und links vom eingang hockten todmüde norweger die gerade mit dem soundcheck fertig geworden waren · zwei stunden später als das haus zum brechen voll war zählte das skelett hinterm schlagzeug den ersten song ein und obwohl es furchtbar pathetisch klingt wußte ich bei den ersten tönen daß mein leben in diesem moment ein anderes gleis genommen hatte und life but how spielten wie ein unglaublich warmer fluß der einen hineinzog und mitriß und mit ganz neuen energien auftankte · leider fiel dreimal der strom aus weil estl ich glaube zumindest daß es estl war die videokamera an der falschen steckdose hatte und das war jedesmal wenn die band abbrechen mußte wie die vertreibung aus dem paradies und nach einer halben stunde hörte sie überhaupt auf frustriert · so much hate rissen dann die letzten dämme in mir nieder und als es vorbei war fühlte ich mich wie neugeboren · das dumme war, daß ich die konzerte am freitag und samstag nie sehen konnte weil ich am freitagnachmittag die taubstummeninternatsschüler heim- und erst am sonntagnachmittag wieder zurückbringen mußte weswegen ich in dem großartigsten herbst meines lebens bisher weder snfu noch fugazi in der kapu gesehen habe · dafür aber dann das erste linzkonzert von nomeansno das unglaublich wichtig für mich war weil ich gleich davor bewahrt wurde hardcore als ein ding hinter dreadlockfassaden zu sehen · die drei kanadischen männer kamen als schon alle auf sie warteten und ich traute meinen augen zuerst nicht recht als sie hüte und mäntel ablegten bevor sie zu spielen anfingen aber dann brach die hölle los · anders kann man das gar nicht sagen · es waren diese konzerte in denen ich die absolute körperlichkeit von musik kennenlernte und diese ungeheure intensität die den adrenalinspiegel mehr in die höhe trieb als irgend etwas anderes · woche für woche wartete ich in der unendlich öden dienststelle in leonding auf das nächste kapu-konzert mit all seinem zubehör den unnahbaren stand to fall und target of demand herrenriegen und vor allem den momenten wie 'victory' oder 'real love' oder 'dark ages' die mir über tage halfen dann über wochen und monate und von denen ich manchmal heute noch zehre wenn ich die lieder zufällig oder absichtlich irgendwo höre und ich dann für ein paar augenblicke lang wieder in der kapu im herbst 88 bin · das jahr ging aus dem land und ich sah life but how to live it noch einmal und diese magie war wieder vom ersten ton an da · minuten später erlebte ich den ärgsten musikschock meines lebens als ich victim's family hörte und dachte das ist die denkbarste unmenschliche musik die es nur geben kann das sind keine menschen sondern roboter keinen einzigen fehler und keine einzige unsicherheit · ich war so weggetreten · dieser kalte sound auf die wärme von life war etwas traumatisches daß peterl den ich schon ein bißchen kannte mich tröstete und sagte mach dir nichts draus das hat nichts mit musik zu tun es ist ein film · das und jingo de lunch in der völlig vollgestopften kapu und davor das erste von vielleicht vierzig seven sioux konzerten und ein zweites mal nomeansno das sind so die konzerte an die ich mich in vierzig jahren noch erinnern können werde und die ich gegen nichts im leben eintauschen möchte · heute wenn ich summer of 69 höre was ein großartiges lied ist dann denke ich bei those were the best days of my life immer an meine ersten kapukonzerte und es hat kein bißchen mit nostalgie zu tun ·


Oktober 96


wir lesen hören schauen linz