BONJOUR OKTOBER 1996
...an diesem seltsam halbwarmen Herbsttag. Ich wollte nur noch sagen: Unsere
Reviews machen wir ja nicht nur zur Gaudi, sondern sie sollen auch "Tips"
sein. Eine Anregung, ein Reiz daß Ihr zu Kuli oder Telefonhörer
greift und das ein oder andere Werk auch direkt bestellt. Es ist, zugegeben,
nicht so einfach wie z.B. in den nächsten Makro- oder Mediamarkt zu
gehen und die gewünschte CD zu erwerben, aber genau das ist doch das
Schöne an der Sache. Werdet selber tätig und checkt Euch, was
interessant erscheint. Die Musiker/Vertriebe werden`s Euch danken, und es
macht auch Spaß, so zu den Produkten zu kommen, und vielleicht auch
die Leute kennenzulernen. Das ist halt der Unterschied zum Big Business,
denn Ware ist eben nicht gleich Ware, und einkaufen nicht gleich einkaufen.
Capito? OK, für die Anbieter:
Kennwort: "Bonjour!", KAPU, Kapuzinerstr.36, 4020 Linz.
Huckey
NORMA JEAN
Streetpoetry
Tape - D. Niederhumer, Sandg. 5, 4020 Linz
Selbst die Popper schlafen nicht, sondern bringen mit "Streetpoetry"
ein ansehnliches Demotape auf den "Markt". Vier Songs plus ein
wenig Spielerei (Respekt to the one and only Schooligan Julian!), aufgenommen
in der KAPU von Kevin Rich. Im großen und ganzen reicht Pop als Beschreibung
eigentlich völlig, auch wenn´s mich teilweise mehr an BUFFALO
TOM als an Britpopbands a la OARSCHISCH erinnert (gottseidank). Dieters
Gesang hingegen weckt in mir des öfteren Erinnerungen an DAVID BOWIE-ich
hoffe er erschlägt mich jetzt nicht... Irgendwie fehlt mir auf Streetpoetry
ein wirklicher Hit, es ist allerdings auch erst ihr erstes Tape, der Hit
wird schon noch kommen, und es ist trotzdem OK. daniel
Sam Auinger/Robert Adrian &. Rupert Huber
FLUGSTUNDEN/APPLAUS
bei: Wahn & Sinn, oder: Rainer Krispel, Herbststr.63/19, 1160 Wien
Gewisse Dinge muß man nehmen wie sie einfach sind. Es ist was es ist
was es ist. Was soll man auch viel sagen, wenn jemand beginnt, sich mit
Flugmotoren und Flugzeugen als Klangkörper zu beschäftigen und
am Schluß (durch Klangfarben, rhythmische Strukturen) sowas wie Instrumente,
sprich im Endeffekt eine Art Orchester, gestaltet.
Sam Auinger hat sich das angetan, und ich hatte meine Zweifel. Was soll
schon sein, wenn man sich das dann anhört? Komm ich mir dann vor, als
ob ich auf der Flugwiese die Augen zumachen würde und versuchen möchte,
die Geräusche der einzelnen Flugzeuge zu unterscheiden (oh, eine Chesna,
ah, eine Boing, mhh, ein Ufo...)? Lächerlich. Mindestens so lächerlich
wie das "Großraumprojekt: 3 Stufen zum Himmel", wo die STWST
sich nicht zu blöd war, zu glauben, man könnte mit Flugschauen
- weil so etwas ähnliches war das ja - provozieren oder was weiß
ich. Habe ich schon damals als daneben empfunden. Nun, Sam machte dort das
Sounddesign und begann eben die Originalaufnahmen zu bearbeiten. Wenn man
das jetzt probiert, das unter den Gesichtspunkten sieht, unter denen Sam
das gemacht hat, komme ich mehr und mehr auf Sachen drauf, die er vielleicht
gemeint haben könnte. Am besten finde ich den unter Einfluß von
Benjamin Britten und Glen Branca entstandenen ersten Teil (das ist nur der
"mächtige Teil des Motors"). Und da sind wir zu Hause: Glen
Branca, der Stücke, für weiß ich wieviel Gitarren komponiert
hat und damit einen einzigen Staubsauger schuf. In Wirklichkeit ist alles,
was man von der Musik, die wir so horchen, erwarten, auf so einem Flugplatz,
also auf dieser Aufnahme zu finden, ehrlich; und niemand braucht mehr Grunge
oder Metallbands. Wär doch super! Aber fragt mich nicht, wann man das
hören sollte (Dauer: 41 Min. 56 Sek.)
Robert Adrian &. Rupert Huber haben über ihren Track "Applaus"
nicht so viel nachgedacht, und auch nicht so viel im Studio rumbasteln müssen:
"Es gibt nichts zu sagen über das Stück. Es ist einfach nur
Applaus...ohne Ursache oder Inhalt. Applaus an sich - Applaus pur!"
Schade, hätte gerne gewußt, wie und wo das aufgenommen worden
ist. Immerhin dauert das Stück 30 Min. 30 Sek. Da hat aber wer lange
klatschen müssen. Wurde auch schon im ORF-Kunstradio gesendet. Und
wann soll ich mir DAS wieder anhorchen? Ah ja, wenn ich was Superes gemacht
habe und keiner goutiert es, natürlich... Huckey
TEXTA
Sei lieb zu mir
12" DUCK SQUAD
Im "Harold & Maude"-Shop, Altstadt 4
Der zweite TEXTA Tonträger bringt wie gewohnt eine geballte Ladung
relaxten Hip Hop`s. Insgesamt werden auf dieser Maxisingle sieben Stücke
geboten. Den Anfang macht die Titelnummer "Sei lieb zu mir", das
sich textlich von einer Liebesnummer zu einer Huldigung an "Marie-Huana"
entwickelt, gefolgt von der Instrumentalversion. Dannach der Functionist-Remix
und das Instrumental, wobei ich mich nicht entscheiden kann, welche Version
von "Sei lieb zu mir" mir besser gefällt. Auf der zweiten
Seite folgt dann mit "Da Raw Shit" eine Nummer von, Flip und Skero,
die sich um´s Nummernmachen dreht, auch hier gibts wieder die Instrumentalversion
und noch DJ Futter namens "Bobbin Ya Head". Ein bißchen
stört mich, daß die Instrumentalversionen immer gleich nach den
normalen Versionen kommen-ich hätte die auf die B-Seite gepackt, so
ist das Durchören der 12" doch ein wenig anstrengend, trotzdem
uneingeschränkte Kaufempfehlung. daniel
YIELD 7
Vapour lock
CD Vertr.: TROST/Noiselab Rec.
Und auch YIELD 7 beteiligen sich an der allgemeinen Veröffentlichungswut
und werfen dem lechzenden Volke ihre Debüt-CD vor die ungewaschenen
Füße. Um gleich zum Punkt zu kommen: dies ist wohl der dreckigste
Rock´n´Roll, der je in Linz produziert wurde. KILLDOZER oder GIRLS
AGAINST BOYS fällt mir, gerade auch wegen Tim Boyketts Stimme, spontan
ein. Einige Nummern werden bereits bekannt sein, etwa "Hunting &
Gathering" vom "Aufmachen!!"-Sampler, vier Lieder wurden
live in der Arena in Wien aufgenommen. Hier wird der rauhe Livesound der
Band gut transportiert, und das, obwohl die Aufnahme mit einem normalen
Tapedeck durchgeführt wurde! Mutig finde ich, daß YIELD 7 auf
ihrer ersten CD gleich über 67 Minuten Musik abliefern. Aber FRANKIE
GOES TO HOLLYWOOD hatten ja auch ein Doppelalbum als Debüt, und das
verkaufte sich ja bekanntlich ganz gut... daniel
SORE!
Two CD
Brefkas ready records
Auch B.R.R., als Vinyl-only Label konzipiert, muß sich ökonomisch
offensichtlich den existenzbedrohenden Marktbedingungen und dem Kaufverhalten
des "gemeinen" Indiepublikums beugen, und sich von seiner Veröffentlichungspolitik
vorerst verabschieden.
Doch wenn uns die Brefkas-Wirte weiterhin mit solch wunderbarer Kost versorgen,
kann mensch dieses Abweichen von der Linie getrost in Kauf nehmen und ausnahmslos
zugreifen.
Die Wiener Drei-Mann Combo SORE!, mit ex-STALKER Leuten und Mitgliedern
von PANENKA in ihren Reihen, haben sich auf diesem 9-Song Album von den
rauheren, wilderen Klängen ihrer hervorragenden Debüt 7"
weitgehend verabschiedet und schlagen jetzt auch mal ruhigere Töne
an. SORE! bewegen sich aber immer noch im Spannungsfeld US-amerikanischer
Postcore-Gitarrenrockmusik der späten HÜSKER DÜ-Schule, wie
etwa JONES VERY oder MOVING TARGETS und dezentem Noiserock der SONIC YOUTHschen
Prägung. Bei "Beware of me" darf auch mal CODEINEsche Schwermütigkeit
Einzug halten, doch bei allen angeführten Vergleichen sollte betont
werden, daß SORE! auf jeden Fall genug eigenes Potential besitzten,
um nicht als lahmarschiges Plagiat zu verkommen.
Sympathische Band. pezzy
DEADZIBEL
"."
LP Trost
TRÜMMER SIND STEINE DER HOFFNUNG
... Es fehlt nur noch eine Revolution
LP Broccoli Rec.
Herbst, Erntezeit auf den Tonträgerfeldern! Über zuwenig Stoff,
um die bunte Jahreszeit zu überstehen kann mensch sich heuer nicht
beklagen. Zwei der besten der erschienenen Teile fasse ich hier zusammen,
beides Vinyl, beides Punk as fuck.
DEADZIBEL liefern mit ihrer neuen Platte ihr bisher reifstes Werk ab. Die
Texte sind erstmals Englisch/Deutsch gemischt, ziemlich persönlich
und bleiben denoch abstrakt. Musikalisch stellen sie phasenweise den österreichischen
Härterekord auf, lassen aber dazwischen genug Platz für fast verträumte
Melodien. Mit "white" ist ihnen meiner Meinung nach ihr bisher
schönstes Stück gelungen. Herzerwärmed wirkt auch die gelungene
Coverversion von "Lies about the Sky" von SHUDDER TO THINK. DEADZIBEL
haben, trotz der kurzen Aufnahmezeit (2 1/2 Tage) das Studio voll ausgenutzt.
Die Palette reicht von Drumoverdubs über Samples bis hin zu einem genialen
Jungleremix von "Winston". Vom Cover der LP grinst übrigens
ein Walroß. Puh!
TRÜMMER SIND STEINE DER HOFFNUNG bieten uns ein Gürteltier auf
der Verpackung ihres Debütalbums "...es fehlt nur noch eine Revolution",
das Innencover ziert eine witzige Fotocollage von FreundInnen (hallo Pogo!)
der Band. Insgesamt ist dies ein solides Punkrockalbum, das mir jedoch phasenweise
etwas zu rockig ausgefallen ist. Es wirkt dadurch etwas weniger fetzig als
ihr Tape auf TROST, wobei die TRÜMMER aber trotzdem noch genug Feuer
unterm Arsch haben, um einen mitreißen zu können. Meine Favoriten
sind "Sterne zählen" und das wunderschöne "Alt".
Die deutschsprachigen Texte handeln von Beziehungsproblemen, dem Leben allgemein,
aber auch von konkreten politischen Themen (Haider, Krenn). Erschienen ist
diese hervorragende Platte beim deutschen Label BROCCOLI RECORDS.
Ich kann eigentlich nur mehr empfehlen, diese beiden LP´s im Doppelpack
zu kaufen.
daniel
JACK FROST
"elsewhere"
CD, CCP Records
JACK FROST waren auch nicht faul, haben den nicht vorhandenen Sommer zu
ihrem Winter gemacht und überrumpeln mich mit ihrem zweiten Werk "elsewhere".
Das Programm ist das alte geblieben: schleppender Doom mit melancholischen
Ansätzen, in absolut fiesem Brachialsoundgewand, der in "einschlägigen"
Zirkeln, die abseits von Rock Hard-Titelstorys auf eine dichte Vernetzung
von Labels, Zines und Bands zurückgreifen können, sicherlich seine
Abnehmer finden wird.
Was "elsewhere" von seinem Vorgänger unterscheidet, sind
die vehementen Gothic-Metal Einflüsse, das Liebäugeln mit traurigstem
Balladenstoff, welcher zur Zeit Metallicas bevorzugtes Terrain ist, und
die zunehmende Trägheit, die sich in die Songs eingeschlichen hat.
Mir fehlen die rauen, widerborstigen Versatzstücke, die noch das Debüt-Tape
schmückten und dem neuen Werk vielleicht den nötigen Kick verschafft
hätten.
Nichtsdestotrotz werden auch JACK FROST ihren Weg gehen und sicher noch
für die ein oder andere Überraschung gut sein.
Über den Gesang will ich mich jetzt gar nicht mehr auslassen. pezzy
KURORT
Miss Fitness USA
CD, Conspiracy rec./Sacro Egoismo/Trost
Das Imperium Schlägt zurück! KURORT schicken, rechtzeitig zur
Herbstsaison, ihre äußerst gut durchtrainierte "Miss Fitness"
ins Rennen und bringen dabei das schier Unmögliche zustande. Sie schaffen
es, das hohe Niveau des Smash-Hammer-Albums "Stachanov" mehr als
zu halten und teilweise sogar noch ein kleines Schäuferl nachzuschieben.
"Miss Fitness USA" stellt die Art der konsequenten Weiterentwicklung
dar, die mensch einer Band nur wünschen kann. Hier paßt einfach
alles zusammen, angefangen vom Coverkonzept der Weltkriegsphotos aus Familienarchiven,
über die wütenden, kein Blatt vor den Mund nehmenden Texte zwischen
Resignation und Hoffnung, bis zur Musik, die wie ein Brett über dir
hereinbricht und dich zu erschlagen droht.
Die Ischler Buam haben zweifelsohne ihren Sound endgültig gefunden
und erweitern diesen um einige interessante Nuancen, wie beim bluesig, psychedelischen
Hardrock-Kracher "its" und beim fast schon hymnenhaften, unbändig
groovenden "Kardinal Schlachthaus", welches einige "shout
outs" verdient hätte, unschwer zu hören ist.
Die Härtlingsfraktion wird natürlich immer noch voll bedient,
ohne dabei zu vergessen, dem Ohr nicht immer das zu bieten, mit dem es rechnen
würde.
Ich habe Miss Fitness bereits fest ins Herz geschlossen. Ein Stück
Musik, an das mensch sich klammern kann, wenn einen der tägliche Wahnsinn
zu erdrücken droht. So essentiell wie dicke, selbstgestrickte Socken
von Oma oder das Hütchen vorm Schlafengehen.
Respekt. pezzy
--- TAPE CONTROL ---
BORDERLINE SYNDROME
VIRGINIA CREEPER
VALINA
Die Tape-Kultur in unseren Landen floriert munter drauf los und fördert
so manches essentielle Kleinod zu Tage. Als eines dieser Goldstücke
erweist sich das, anläßlich des Bandmaschienbenefizes in der
KAPU aufgenommene, Quasi-Debüt der Überraschungsband dieses Sommers.
Mit einem äußerst annehmbaren Sound versehen, zeigt dieses Tape
auf höchst beeindruckende Weise, welches Potential in einer jungen
Band wie BORDERLINE SYNDROME, die gerade mal ihr 5. oder 6. Konzert hinter
sich gebracht haben, steckt. BLS haben ihre Lektion bereits gelernt und
beweisen das unverblümt. Mit 6 Eigenkompositionen, die zwar kein gänzlich
neues Terrain erschließen, aber doch erfrischend undogmatisch umgesetzt
worden sind und auch den ironischen Seitenhieb nicht vermissen lassen. Soll
aber nicht heißen BLS
wären ignorante Vergnügungssüchtige, wie das wütende,
energetische "Difference" mit Tim Yield 7 als Gastsänger
beweist.
Was kann bei einem "Misch" aus brachialem HELMET-Breakbeat Riffing,
NO MEANS NOscher Verspieltheit, Japan-Noise, einer Vorliebe fürs Epenhafte
und solidem Old School-Gebrettere Marke GORILLA BISCUITS noch schiefgehen?
Das soll als Kaufempfehlung verstanden werden!
VIRGINIA CREEPERS aus Wien hauen in eine ähnliche Kerbe, die in Ö-Land
reichlich unausgefüllt ihr Dasein fristet. Zwei Bassgitarren mit allerhand
Effektgerät-Schnick Schnack plus Drum-Box führen unweigerlich
zum Noise, der leider im Repertoire von AmpRep oder TOUCH & GO nicht
weiter auffallen würde.
So überzeugen mich die allzu kontrollierten Wutausbrüche und die
gelegentlich in Gothic-Gefilde abdriftenden Passagen nicht vollends und
hoffe auf mehr Wahnsinn für die demnächst erscheinende 7"
auf Trost.
VALINA aus Linz sind noch nicht ganz so weit wie BLS, setzten aber bereits
zum Sprung an.
VALINA bewegen sich gemeinsam mit Bands wie SONIC YOUTH, JESUS LIZARD, BIG
BLACK oder BUTTHOLE SURFERS in einem musikalischen Universum, welches begleitet
von einer sympathischen Trash-Ästhetik viel Platz für Experimente
läßt. Manchmal stellt sich zwar ein gewisser NIRVANA-Effekt ein,
doch das fällt nicht weiter unangenehm auf.
Das magische Dreiecksverhältnis AMPREP, TOUCH & GO und SONIC YOUTH
wird nur selten durchbrochen, und wenn, dann mit frühen 80er Ami-Punk
Ausbrüchen, die das Herz am richtigen Fleck haben.
Wir warten auf die Live-Erfahrung. pezzy