An den TITTEN nuckeln
Was soll man mit all den Überflüssigen, Leistungsschwachen,
Arbeitslosen, Taugenichtsen in der Welt anfangen, fragten sich einige für
die Weltenlenkung berufenen Konzernbosse und Funktionäre. Einer von
ihnen, der jahrelange Berater von Ex-US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew
Brzezinski prägte hiefür in einem bemerkenswerten Zynismus den
Begriff "Tittytainment", die er sich als eine Kombination von
<entertainment> und <tits> vorstellt. Da man die "surplus
people" nicht einfach aus der Welt schaffen, oder ohne sich zu kümmern,
ihrem Schicksal überlassen kann, soll man sie an den Titten des Kapitals
nuckeln lassen und mit betäubender Unterhaltung bei Laune halten.
Vielerorts schwellen die Gesänge von
Untergang, Endzeit, Chaos an; Globalisierungsfallen, Organisierte Kriminalität,
Finanzcrashes, Fundamentalismen, Hunger, Armut, Bevölkerungswachstum,
usw. bedrohen unsere Welt. In diesem Klima gedeihen allerlei theoretische
Vereinseitigungen mit relativem Erkenntniswert bis hin zu esoterischen,
halluzogenen Vorstellungen und Szenarien. Und viele Linke lassen sich dabei
den Kopf waschen, die Besonneren gestehen die Zweifel, Verwirrungen und
Ohnmacht ein, wieder andere erkennen auf einmal mysteriöse Kräfte,
die scheinbar aus dem Bauch der Welt ihre Wirkungen entfalten.
Es mag dem gelassenen Zynismus eines amerikanischen Weltkommentators wie
Brzezinski, den Großteil der Weltbevölkerung mit Milch und Bildern
bei Laune zu halten, entsprechen, in Wirklichkeit aber wird es aber bei
der Verwirrung der Sinne und Vernebelung des Bewußtseins nicht bleiben;
leider haben die Menschen auch noch ein körperliches Anhängsel,
dessen Ausreizung bestimmte Schmerzgrenzen kennt.
Ohne die beängstigende Entwicklung, sei es in der kapitalistischen
(Welt-)Wirtschaft, in der Gesellschaft oder in der Politik, relativieren
oder gar bagatellisieren zu wollen, muß aber auch darauf verwiesen
werden, daß historisch gesehen, sich der Kapitalismus nicht das erste
Mal anschickt, seine Verwertungsbedingungen so umzustrukturieren, daß
die Profitrate wieder durchschnittlich der normalen Gier entspricht. Die
wohlfahrts- und sozialstaatliche Ausstattung des Kapitalismus in den 60-
und 70-er Jahren in den wirtschaftlichen Zentren war einerseits dem menschheitsgeschichtlichen
Schock, den der Faschismus der Welt versetzt hat und der damit verbundenen
nachher boomenden Wirtschaft geschuldet und andererseits dem sozialistischen
Weltsystem zu zeigen, schaut her, was ihr sozial könnt, können
wir auch und ohne blöder, offensichtlicher Unterdrückung. Mit
dem Zusammenbruch des Sozialismus und den jahrzehntelangen ziemlich erfolgreichen
Bemühungen, den Faschismus vom Geruch des Kapitalismus in seiner extremsten
Form zu befreien, wurden die historisch vorübergehend aufgebauten Schamgrenzen
gegenüber unverhüllter Ausbeutung und sozialer Not wieder niedergerissen.
Viele verfielen der Illusion, der Kapitalismus wäre zu zähmen,
er wäre ein anderer geworden.
Um ja nicht auf das Kernproblem, nämlich der weltweiten Senkung der
Kosten für die Ware Arbeitskraft so ungleichzeitig, diskontinuierlich,
nationalstaatlich unterschiedlich der Verlauf auch sein mag, - was ja zur
Verwirrung nicht unwesentlich beiträgt -, zu kommen, werden alle möglichen
Erscheinungen und Wirkungen als Ursachen ausgegeben. Einmal sind es die
"Finanzmärkte", die die Weltwirtschaft kollabieren lassen
und das produktive Kapital strangulieren, ein andermal wird ein "Ende
der Arbeit" prophezeit, weil anscheinend die Maschinen/die Technik
ohnehin alles machen und nur mehr ein paar Ingenieure gebraucht werden.
Wieder ein andermal lassen manche die Nationalstaaten verschwinden, weil
sie ja dem riesigen global flottierenden Finanz- und Spekulationskapital
hilflos ausgeliefert sind und ihm gegenüber ihre Souveränität
verlieren - von den demokratieheilenden Wirkungen, die von der weltweiten
kommunikationstechnologischen Vernetzung ausgehen sollen, einmal ganz abgesehen.
Wenn man schon von Senkung der Kosten für die Ware Arbeitskraft spricht,
dann geht es natürlich zuerst einmal um die Löhne, um die "lästigen"
Lohnnebenkosten (wie Sozial-, Arbeitslosen,- und Pensionsversicherungen)
dann weiter um die Flexibilität, Mobilität, Ruf- und Parkbereitschaft
der Arbeitskraft, um die Vernebelung des Bewußtseins hin zur Produktionsfamilie
und Ausräumung des Klassenbewußtseins, um die Zerschlagung der
interessensorganisierenden Einrichtungen wie Gewerkschaften, Umfunktionierung
der Betriebsräte hin zu verständnisvollen Lohndrückern und
Streikbrechern, und bis hin zum Arbeitsdienst, Zwangsarbeit. Ein Zauberwort,
das in letzter Zeit immer häufiger kursiert, heißt Risikogemeinschaft.
"Es meint eine Marktwirtschaft, die nicht von sozialen Errungenschaften
oder präventiven Zahlungen für die Befriedigung domestiziert ist,
sondern unverfälscht wirken kann - als das in die zivile Gesellschaft
übernommene darwinistische Naturgesetz. Wer im Konkurrenzkampf brutal
und geschickt genug ist, gewinnt zu Recht. Wer auf der Strecke bleibt, darf
als Loser potentiell oder real entsorgt (ausgemerzt) werden." (Thomas
Ebermann/Rainer Trampert in konkret 3/95, S. 30)
In Österreich kann dieses Programm "Senkung der Kosten für
die Ware Arbeitskraft" von einer Haider-FPÖ am effizientesten
umgesetzt werden, weil es deren Programm ist; die SPÖ und ÖVP
haben hiefür zuviel ideologischen, organisatorischen, historischen
Ballast, usw. - die SPÖ ist zu langsam, zu zögerlich, hat zuviele
Rücksichtnahmen zu machen; die ÖVP aber schickt sich immer mehr
an, diesen über Bord zu werfen; außerdem braucht sie nur in ihrer
ständestaatlichen Rumpelkammer herumwühlen, um die Rezepte zu
finden.
Eine Gelegenheit, die Gehirnzellen der Linken wieder etwas auf Trab zu bringen,
ist die Veranstaltung mit Thomas Ebermann und Rainer Trampert, den Autoren
des Buches "Die Offenbarung der Propheten", in der Arbeiterkammer
Linz am Donnerstag, den 21. November.
Franz Primetzhofer