Stay cool & move slow
Dieser Tage treffen wir
erneut und verstärkt auf das Massenmodell "Künstlerische
Existenz", daran ist nicht wichtig, ob es eine Produktion gibt. Die
KE ist anschlußfähig an so ziemlich jede Lebensform von der Verheiratung
bis zur Singleexistenz.
Die KE stellt eine Form der Retrovision dar, die sich im Ringen um die eigene
Existenzform ausdrückt und sich als Gestalt darstellt, die das Gefühl
sich auf selbstbestimmte Weise zu verhalten besonders hoch einschätzt.
Dieses Selbstverhältnis erfordert hohe Ästhetisierung der Existenz
in Verbindung mit Techniken der Selbststeuerung und äußert sich
beispielhaft in ihrer Spaßkultur. Dabei wird ironische Selbstüberhöhung
oftmals als Verfahren eingesetzt und stößt einen vor den Kopf,
denn viele tappen dabei in die Falle des "Spaß hat immer Recht",
wo doch Selbstironie heute niemandem mehr weh tut.
Somit wird verstärkt Unterhaltung für Kleinstadtmodels und hauptberufliche
Söhne und Töchter betrieben.
Auf die Zeichen vermeintlich Gleichgesinnter ist eben kein Verlaß
mehr und es gilt von Fall zu Fall sich die Position von "wer da spricht
und was da gesprochen wird", genau anzusehen.
Gerade einer Subkultur die sich nicht entscheiden kann, ob sie nun entdeckt
oder verborgen bleiben will, wird im Wunsch nach Unterscheidung wie Identität
der Fehler unterlaufen den Markt mit neuen Modellen zu beliefern.
Darum möchte ich wieder einmal an das Konzept der "Neuen Slowenischen
Kunst " erinnern - Ableger Laibach - die äußerst subtil
weder der automatisch, ironischen, richtigen Haltung, noch einer romantischen
Distanz aufsitzen.
Psychotischer Realitätsverlust tritt eben dann ein, wenn es "zuviel
Leben" im Leben gibt und das paßt doch automatisch ins Szenario
2000, mehr Depression, mehr Herzattacken, mehr Unfälle, in welcher
Menschenrechte und Opferrolle sich wunderbar unter Zuhilfenahme des Rechts
ergänzen:
Opfer - Justiz - Schadensansprüche - Opfer - Justiz - Schadensansprüche........................
Freiheit nur als formale Freiheit, wo es beispielsweise eine Presse über
das Volk gibt, die nur ,von diesem gekauft aber nicht produziert wird, geschweige
denn ihrer Sache verpflichtet ist.
Die Freiheit das zu konsumieren, beruht zynischerweise auf dem Fundament
einer einst plebejischen Volkskultur, die aktiv zerstört werden mußte,
bevor sie zu neuer Volksmeinung organisiert wurde. Sie dient dazu , das
Unerträgliche denkbar zu machen und führt uns vor, wie die mächtigere
Gruppe immer die Konfliktsituation definiert ,indem die Gegner dann in deren
Begriffen zu diskutieren haben.
Die Auseinandersetzung mit den herbeiführenden Umständen einer
Auseinandersetzung sind in der Regel in der Darstellung abwesend. Diese
Reduktion produziert darum zur Moralpredigten und die endlose Frage nach
der Rolle von Personen, Marken etc.
Entgegen überzogenem Markenbewußtsein ist zum Beispiel die arschrutschende
Skaterhose eine Erfindung von Gefängnisinsassen, denen man Schnürsenkel
und Gürtel abnimmt, kurzerhand wurde die Not der rutschenden Hose zum
coolen Wert umkodiert - das ist Streatwear
Ernster erscheint mir das eine Lösung des Gesellschaftsvertrags im
Gang ist, wo jeder selbständig - soll heißen flexibel - werden
darf, wo Verkehrsdelikte im Sozialbereich abgebüßt werden dürfen,
Teamarbeit nicht Solidarität bedeutet, sondern eine optimierte Form
der Selbstausbeutung wird, die bei Trendmenschen als revolutionär gilt.
Weniger Zivilgesellschaft, mehr Business-Culture und dabei wäre einmal
eine Untersuchung über die Rolle der Eso- wie Psychotechniken aufschlußreich,
ob sie nicht schon längst nur mehr zum Schmiermittel der Kapitalgesellschaft
verkommen sind, oder sich auf dem besten Weg dorthin entwickeln.
Als erklärter Anhänger einer funktionierenden Linzer Dorfgesellschaft,
ersuche ich höflich, nicht jeden alten Schaaaaas für einen neuen
Duft zu halten.
Willi Erdmann