geführt von Eugenie Kain
EU-TAGEBUCH April '96
25. Februar
In Salzburg findet erstmals ein gesamtösterreichisches Treffen von EU - GegnerInnen statt. In erster Linie geht es dabei um die Erhaltung der Neutralität. Es wird aber auch eine Kandidatur für die Wahlen zum Europaparlament am 13. Oktober angestrebt. Die Wahlordnung steht inzwischen fest. Wer nicht im Parlament vertreten ist, braucht für die Kandidatur die Unterschrift von 5 Nationalratsabgeordneten oder 2600 Unterstützungsunterschriften.
Dem Treffen in Salzburg ging ein gesamteuropäisches Treffen von EU-KritikerInnen in Kopenhagen voran. Dort wurde festgestellt, daß die EU unreformierbar ist. In Zusammenhang mit der bevorstehenden Regierungskonferenz wurde eine Volksabstimmung über Maastricht II in allen EU - Ländern überlegt. Die SkandinavierInnen sind in ihrem Widerstand gegen das Europa der Konzerne schon einige Schritte weiter. Die rechten EU - GegnerInnen sind isoliert.
1. März.
Auch die oberösterreichische Landesregierung muß Sparpakete schnüren. Der EU - Beitritt hat Oberösterreich 2,1 Milliarden Schilling gekostet.
6. März
"Viva", das Joghurt von Danone hat ein neues Aussehen. Erst beim genauen Hinschauen fällt auf, daß jetzt nur mehr 200 Gramm drin sind, zum alten Preis versteht sich. Die Viertelliterbecher sind nicht EU - Markt - konform. Es gibt auch positive EU - Errungenschaften: Die Zentralmolkerei Linz füllt jetzt für den italienischen Milchmulti Parmalat die Milchpackerl. Und diese Milchpackerl, oh Freude, sind mit einem praktischen Drehverschluß versehen. Kein Verschütten und Anpatzen mehr! Freilich ist die Milch in den Parmalat - Packerl auch ein bißchen teurer.
11. März
Beim Zeitungsausmisten stoße ich noch auf einen interessanten Leserbrief im "Standard". Nicht nur die Neutralität, auch der Erdäpfelsalat kann uns abhanden kommen. Es ist nämlich so: Das Wort Erdapfel und seine Mehrzahl haben Mock und Ederer damals genauso wie die Marille und eine Reihe anderer österreichischer Begriffe im EU - Vertrag schützen lassen. Ausgenommen vom Schutz wurden zusammengesetzte Begriffe. So werden Erdäpfel zum Kartoffelsalat und Marillen zur Aprikosenkonfitüre und keiner kann was tun.
Mit dem anonymen Sparbuch verhält es sich ähnlich, das möge auch das Trottelvolk zur Kenntnis nehmen. Jeder, der sich dafür interessiert hat, wußte es vor der Volksabstimmung. Das anonyme Sparbuch widerspricht den EU - Bestimmungen und wird deshalb früher oder später fällig. Zuerst für den Beitritt stimmen und es dann mit der mir - san - mir - Masche probieren, ist unintelligent, auch wenn es die Politiker vormachen. Ein Trost vielleicht: Wenigstens die im Zuge des Sparpakets ersonnene Maut ist EU - konform, die werden wir zahlen und die Deutschen auch.
12. März
Jetzt stellt auch ein Linzer Meinungsforschungsinstitut den totalen EU - Frust fest. Das Gegenmittel ist auch nicht gerade neu. Informationskampagnen, Informationskampagnen. Worüber bitte soll denn noch informiert werden? Daß die Maastricht - Kriterien einen europaweiten Sozialabbau zur Folge haben werden, der den Konzernen recht kommt, weil sie noch billiger produzieren lassen wollen? Daß Leopold Maderthaner dabei mit seiner Forderung nach dem 10 - Stundentag voll im Trend liegt? Daß auch die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen vor diesem Hintergrund zu sehen ist und mit Gleichberechtigung genau so wenig zu tun hat wie künftig die Frauen im Bundesheer ?
13. März
In Strasbourg beschäftigte sich das Parlament mit der Novel - Food - Verordnung. Gentechnisch veränderte Produkte sollen nur dann gekennzeichnet werden, wenn sie sich vom Original unterscheiden. Antimatschparadeiser werden gekennzeichnet, das Ketchup daraus auch, nicht aber der Zucker aus Gen - Zuckerrüben. Österreich war für eine strengere Verordnung, die ÖVP fiel bei der Abstimmung um.
14. März
Finanzminister Klima war in Brüssel und hat sich schützend und zu allem entschlossen vor das anonyme Sparbuch gestellt - den Eurokraten habe er sogar mit dem europäischen Gerichtshof gedroht, erzählte er österreichischen Journalisten. Nur sein Gesprächspartner, EU - Kommissar Monti wußte nichts von der aggressiven Verteidigungsbereitschaft. "Unser" Finanzminister habe nur höflich versprochen, den Mahnbrief aus Brüssel demnächst zu beantworten.