BONJOUR Mai 96


...und so weiter. Es macht schon Spaß so ein BONJOUR! zu machen. Ehrlich. Fällt euch überhaupt auf, daß fast alle Redaktionsmitglieder auch Musiker sind? Journalistenmusiker, Musikerjournalisten, wie ihr wollt. Da wird über einen Kollegen geschrieben, der wiederum über einen selber schreibt (in welcher Zeitschrift auch immer). Das geht aber nicht nur uns so. Viele Musiker schreiben in Magazinen (schwere Kaliber auch gleich für mehrere), und ich weiß nicht mehr sicher ob das auch wirklich gut ist. Schreiben wir bald nur mehr über uns gegenseitig, und lesen was der andere über uns geschrieben hat...Ich weiß nicht, war ja auch nur so ein Gedanke. Mein Gewissen ist rein, solange ich nicht für ein dumpfes Hochglanzmagazin mit fragwürdigem Anspruch schreibe. Das sollen andere tun. Wir kümmern uns um di Nachbarn, die an uns herantreten und ihr Ding gerne in der Öffentlichkeit hätten. Die Nachbarschaft zuerst, heißt´s doch immer. Also: Tapes, Cds, Platten, Fanzines, Bücher, Videos etc. an:
"BONJOUR!", KAPU, Kapuzinerstr. 36, 4020 Linz. Huckey

PANENKA

Musikgeschichte
Cd, Brefkas Ready Rec.

Wenn man im großen Musikalmanach unter PANENKA nachschlägt, liest man von einer "losen Konstellation befreundeter Menschen fernab üblicher Bandstrukturen", welche - und das gefällt mir besonders gut - auf "einem Spielplatz der Ideen auf Low-Budget-Basis" werkt. Und genau das genießen PANENKA sehr. Experimentierfreude und geradere Songstrukturen geben sich die Hand und kommen hervorragend mit einander aus. Mit dabei sind auch die "Extended Versions" (Remix von "Le Poseur" und die Band "Monojunk". PANENKA versucht mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln bestmöglichst zu arbeiten und durch Kreativität und Spieltechnik feinste Musik zwischen amerikanischem Indie (ich glaube Pavement klingen da manchmal ein bisserl an) und POP zu machen. Daß die Musiker von PANENKA technisch äußerst versiert sind muß einfach erwähnt werden, und auch daß Thomas gesangsmäßig on top ist. "Propaganda", die erste Platte, war vielleicht politischer ausgerichtet, auf "Musikgeschichte" äußert sich der Unmut eher in der direkten Ansprache von Geschehnissen und Leuten. Wie in dem Klassesong "end of dictatorship": "...musiccritics, who needs you anymore?" So, da pack ich demnach also auch gleich ein, und ergib mich der Zustimmung. Viel mehr kann man eh nicht mehr sagen. Die sind wirklich so gut wie alle sagen. Große Band, große Platte. Huckey

STRAHLER 80

das kann jeder...
7", Sacro Egoismo

Ja, es ist richtig, daß ich die Menschen von STRAHLER gut kenne. Und ja, es ist richtig, daß man mir Freunderlwirtschaft unterstellen könnte. Aber ist es letztendlich nicht vielleicht sogar besser wenn jemand die kreative Tätigkeit von Leuten zu beurteilen versucht die er auch kennt (hinsichtlich der Subjektivität von Musikbesprechungen grundsätzlich und überhaupt)? Nochmal: es gibt keine objektive Kritik, also ist es wurscht ob man den zu reviewenden kennt oder nicht, man weiß vielleicht sogar teilweise genauer warum was wie getan wurde und passiert ist. Ein manchmal nicht zu unterschätzender Vorteil. Nach dem lässigen Gig in der Kapu bin ich auch schnell mit diesen 4 Liedern warm geworden. STRAHLER haben alles in die Waagschale geworfen, d.h.: 100 % Punk, 0% anderes. Da überschlägt sich schon mal die Stimme völlig und bricht weg, während man weiter auf´s Gaspedal steigt und Druck macht. Sieht man von einer leichten overall Dumpfheit des Sounds ab (und davon ist abzusehen denn darum geht´s ja nicht wirklich) so hat man eine kompakte Band die mit Dauer ihres Bestehens an Spielfreude und Frische gewinnt und einfach drauf los drischt/schreit/spielt. Viel "Dackelblut" haben sie in letzter Zeit gehört, wenn die wer kennt. Deren Lp - sowie diese STRAHLER-Single - sollte jeder haben, der nicht an das von MTV vergegaukelte Bild von Punk glaubt, sondern da bedient werden will, wo der Bartel den echten Most holt. "MTV-Punks fuck off!" und all das, leiwandes Cover noch dazu. Dringliche Kaufempfehlung. Huckey

IN YOUR HEAD feat. BASK

Warp 9,975l
CD, Sdobok X-Core entertainment / Bmg Ariola

Den Vogel schießen diesmal - zielsicher - pickelgesichtige Crossover-Mutanten aus dem Osten unserer Republik, ab, die sich, anstatt brav ihre Hausaufgaben zu machen, lieber den ganzen Tag Hädbängers Ball reinziehen um neue Ideen für deren Live-Performance zu sammeln. Beim neuesten DOG EAT DOG Videoclip wird mit zittrigen Händen die Record-Taste des Aufnahmegerätes betätigt und aufgeregt zum Mithüpfen begonnen.
Mama und Papa sind trotzdem nicht böse, denn so eine CD zu veröffentlichen, das schafft ja nicht jeder heutzutage, und wenn sich dann auch noch die netten Leute von der Ariola um die Burlis kümmern, dann ist die heile Familienwelt wieder in Ordnung.
Etwas aus der Rolle fallen in diesem Zusammenhang, die von BASK produzierten Nummern auf dieser CD, die wenigstens etwas Profil zeigen. Doch das hilft Wäudl, Michi, OHM, Brezi, Peter und Herbert auch nicht mehr aus der Patsche.
Mich würde schlußendlich noch brennend interessieren wieviele Bandcontests die Kerle nun tatsächlich gewonnen haben und ob der Schlagzeuger das neueste Tame-Modell benutzt oder doch ein 25-teiliges Pearl-set sein eigen nennt?
Stay at home and read a book! pezzy

HOCHZEIT

Soundtrack
10", Trost

Bestens bedient ist der ausgehungerte Vinylfetischist auch mit dem, auf der umfangreichen Speisekarte von Trost erstmalig aufscheinendem, gustiösen Feinschmecker-Menüs in leckerem 10" Format.
Der Soundtrack zu Paul Poets low-budget Filmdebut "Hochzeit", in dem sich ein Großteil der österreichischen Underground/Hardcore-Szene, von COLD WORLD über die EXTENDED VERSIONS bis zu FETISH 69 und THOSE WHO SURVIVED THE PLAGUE, vor dem gnadenlosen Kameraobjektiv räkelt, sowie diverse internationale Untergrundgrößen (u.a. GOD BULLIES, MELVINS, PLAINFIELD) ihr Unwesen treiben, bietet mehr als einen Vorgeschmack und läßt erahnen in welche dunklen Abgründe der menschlichen Seele Paul Poets verschrobene Gedankenwelt die Zuseher entführt.
Da dürfen die "drei Biker der Apokalypse" von WIPE OUT natürlich nicht fehlen! Die legen mit einem 11 minütigen bedrohlich, wabberndem Psycho-Dub-Epos, welches tief in der Magengegend angesiedelt ist und den düsteren Ambient-Dub Visionen eines Mick Harris von SCORN gefährlich nahe kommt, die Meßlatte gewaltig hoch. Unmenschliches, manisches Gebrüll eines Mike Hard (GOD BULLIES) als gemeiner Effekt eingebaut besorgt dir den Rest.
Wer nach diesem alptraumhaften Trip immer noch nicht genug hat, kann zu den hypnotischen tribal-drumming Exzessen und psychedelischen Klanggeweben des NEUROSIS Seitenprojekts TRIBES OF NEUROT, die sich hiermit erstmals auf einer österreichischen Produktion befinden, transzendieren oder sich die Seele aus dem Leib tanzen. Wer das bombatische Kollektiv aus San Franzisko jemals live gesehen hat, weiß was zu erwarten ist.
Zeit zum Sammeln bieten NAKED LUNCH, die mit einem räudig gegrungten Rocktrack inklusive WahWah-Orgie und zuckersüßen Gesangsmelodeien - von ihrem vergriffenen Debut-Album - die 70er Jahre wieder hochleben lassen und dieses Feinschmecker-Menü in drei Gängen somit zur wärmsten Empfehlung machen.
pezzy

GUANAKO

Frustschutz
Tape, Eigenvertrieb

Demo-Tape einer jungen Band aus Ebensee, in netter Aufmachung (als Arzneimittelverpackung getarnt), welches einmal mehr beweist, daß die Tapekultur noch lange nicht ausgestorben ist.
Die Musik kann mensch ohne rot anzulaufen als, ich wills nicht mehr tippen müssen, CROOOSSSSOOOOOVEEEER!!!!!!!!!, mit, ja genau ihr habt es erraten, nicht zu überhörenden Metal-Einflüßen, bezeichnen. Der Hip Hop-lastige deutsche Sprechgesang verleit dem ganzen Reigen jedoch einen sympathischen Touch, der weitab überheblicher "wir sind soooo cool" Attitüden funktioniert und darum durchaus denkende Menschen als Urheber vermutet werden können, was die selbstkritischen, intellegenten Texte nur unterstreichen können.
Auf jeden Fall noch ausbaufähig.
pezzy

PAN AROMA

Songs for your Personal Deo
Tape, Eigenvertrieb
Chris Koubeck, Holzg. 17, 6020 Innsbruck

Aus den Überresten von KOLD-U-SHOK und NO BOUNDARIES formierte sich in der sehr produktiven Stadt Innsbruck die Band PAN AROMA. Die üblichen Rockinstrumente werden durch Keyboards und Digeridoo erweitert und in sehr komplexen Songstrukturen aufeinander losgelassen. Begleitet werden sie auf dieser musikalischen Reise, die von jazzigen über düstere bis zu mittelalterlichen Klängen reicht von teils englisch- teils deutschsprachigem, teils von gar keinem Gesang, der (wenn vorhanden) lyrischen Texten folgt. Mir persönlich ist das Ganze zwar zu hippieesk, was für euch jedoch kein Grund sein sollte, sich nicht mit PAN AROMA auseinanderzusetzten.
daniel

DON´T COUGH TWICE

Search
J. Berger, Wohlmutstr. 20/14, 1020 Wien

Die Wiener DON´T COUGH TWICE dürften sich selbst im Grunge-Kontext sehen und versuchen sich wohl an PEARL JAM-Balladen zu orientieren. Herausgekommen sind 4 Nummern die eben an jene Band, phasenweise auch an Rock-Bands wie Alarm erinnern.
Mir will von deren musikalischem Schaffen allerdings auch nach mehrmaligem anhören nichts, aber auch schon gar nichts im Ohr bleiben. Fad.
daniel

KURORT

Oslo
7", Conspiracy Rec.
Lange Leemstraat 388, 2018 B-Antwerpen

KURORT sind der beste Beweiß, daß konsequente, eigenständige Arbeit innerhalb des kulturellen Undergroundnetzwerks Früchte, zumindest in Bezug auf Auftritts- wie Veröffentlichungsmöglichkeiten, trägt und auch internationalen Respekt verschaft (während ein (un)verschämtes Schielen auf Majors und Kommerz meist mit einer Bauchlandung endet, wie etwa für die "pay-to-play" Baboons). OSLO ist die bereits 3te 7" der Bad Ischler und bietet vier großartige neue KURORT Nummern, die im Vergleich zur STACHANOV punkiger, ja leichtfüßiger klingen, wobei sich "leichtfüßiger" auf die KURORT´sche Auslegung von Hardcore bezieht, die von vorneherein eine imense, fälschlicherweise oft als Härte interpretierte Bündelung von Energie in sich birgt. Die, in regional gefärbten Deutsch (Ha, ich bin dem fast schon obligatorischem "Mundartcore" entkommen.) gesungenen Texte bestechen in ihrer beklemmenden Reduktion, doch lest selbst: HIV: "Virus. Ich oder Du. Keine Brüder, keine Schwestern mehr. Ich oder Du. Liebe ist ein Sieb mit großen Löchern. Liebe ist Katzenräude. Ins Meer. Ins Meer. Wieso? Wieso? Wieso? Wieso? Ins Meer." Hätte ich Punkte zu vergeben, gäb´s für OSLO die 3fache Höchstanzahl.
daniel

WOLFGANG NOISS + DIE AKTEURE

Heile Welt
CD, ATS-Rec.

ATS-Rec. hat im Sektor Hard/Blues-Rock offensichtlich die Führungsrolle erworben, mit Wolfgang NOISS werfen sie den Grazer SPRINGSTEEN auf den Markt. Die deutschen Texte stehen in ihrer fundamentalen Gesellschaftskritik denen von SUPERFEUCHT in nichts nach, musikalisch spielt NOISS BILGERI&JAZZ GITTI locker an die Wand, ein erdiges Riff jagt das ... und ich muß mir das anhören.
daniel

CLEAREOL

Tape, Eigenvertrieb
S. Pernegger, Gundendorf 23, 4643 Pettenbach

Den Bands vom Land hat´s scheinbar der Metal angetan, so auch CLEAREOL aus Pettenbach/OÖ, die sich dem gerade recht beliebten LIFE OF AGONY-Stil hingeben. Ihre Instrumente beherrschen die Burschen (Mädels?), die Aufnahme ist auch gelungen, vor Begeisterung vom Stuhl geworfen werde ich trotzdem nicht. Ach ja: "In unseren Texten wird das Dasein, wir Menschen, die Gesellschaft besungen. Wir möchten uns mit der daraus entstehenden Message jedoch nicht dem Hörer aufdrängen." Tun sie auch nicht, da mensch sowieso nichts versteht.
daniel

SQUEEZE MY LEMON

Excellent News
Tape,Eigenvertrieb
A. Schell, Gutenbergstr. 29, 3300 Amstetten

Die Amstettner SQUEEZE MY LEMON haben Waidhofner Werbung auf ihrem Tape, spielen eine Mischung aus Jazz/Blues/Funk und geben in ihrem Bandinfo an auch "grungigere Nummern" im Programm zu haben. Also, mir geht sowas am Arsch vorbei.
daniel


MAI 96

wir lesen hören schauen linz