Warum ich "Droge" mit Gänsefüßchen schreibe.

Christian Sell"out"mann


Bekenntnisse einer Jungle-Springmaus, die sich von der großen Winterdepression in die Frühjahresmüdigkeit rettete, um sich auf das Sommerloch vorzubereiten und die endlich auftretende Herbstmelancholie usw.
Ich möchte, daß dieser BASS alles sonst auf Eis gelegte in mir zum Vibrieren bringt & ein dem Hirnschlag ähnliches Zucken auslöst. Je subsonischer desto besser. Je subversiver desto schöner. BASS how looooow can U go? Dieses Surren & Kratzen ziehe ich sogar meinem sinnierenden orangen Plastikaffen aus Istanbul vor. Sollte mir je irgendwer/was die Frage stellen: Was würden Sie auf unseren Planeten mitnehmen? Ja! Ein Geräusch! Ich möchte, daß diese berstenden Höhen mein Brillenglas zum Zerspringen bringen. Der Beat soll mir ein Loch in den Magen sprengen. Selbstredend, daß "The Fall" die erste Jungle-Band waren und Mark E. Smith's Gesang wie ein Breakbeat eiert. Das nächste Level heißt: SITUATIONen, denn ohne Perspektive gibt es mehr zu erleben.
(Psycho-Aktive Erstgedanken nach dem Hören/Fühlen von TAYLA`s "Bang The Drum" 1) - klingt, wie ein Knuspermüsli aus Apfel & Zimt schmeckt.)

"Droge" ist ein häßliches Fünfbuchstabenwort. Fernsehn ist auch "Droge", wie Internet, die Tabletten, die die Oma zum Einschlafen braucht, Bungee-Jumping oder die Streßhormone von Schl8vieh. Was "Droge" ist, wird vom Staat definiert & von der Mehrheit dann als (vor)herrschende Meinung strapaziert. Die breite Definition von "Droge" wird da unter den Teppich gekehrt. Ich würde sagen, "Droge" ist Fernsehen im Hirn - egal mit was. "Drogen" sind Abenteuer - in einer Biedermeier-Gesellschaft, wie der unseren verdammt nochmal unentbehrlich, sei es legal oder per Gesetz verboten - mal Karl May-mäßig, das andere Mal Akira im Schnellvorlauf. Mal fühlt man sich wie Karl Schranz, der gerade wie ein Schneekönig grinsend den zweiten Abfahrts-WM-Titel auskostet & ein anderes Mal wie Diego Maradona (ha!) nach dem Ausscheiden Argentiniens und seiner roten Karte bei der Fußball-WM 1982 in Spanien. Was "Drogen" nicht alles sind/sein wollen. Das Warten auf Datenhelme (mit realistischer Bildauflösung) hat längst begonnen. Die Erlebnissucht steht im Vordergrund.

Was folgen soll, ist eine bollernde, Breakbeatähnliche Erruption zum leidigen Thema Rausch & zurück & vorerst eine Exkursion in die Bedeutung der Musik.
Seitdem es Musik gibt, existieren "Drogen" & umgekehrt. Beide brauchen einander irgendwie - um vorwärts zu kommen. Natürlich mit Modeerscheinungen und zeitlosem Gut. Buschtrommeln vs. Vogelbeeren, Hanf, Magic Mushrooms et al. Verstärkte Geräusche vs. Spatzen auf Acid. "Drogen"revolutionen (wo bleiben die politischen ?) sind stets mit Musik einhergegangen (Hand in Hand, Hanf in Hanf). Musik als wichtigster Ausdruck von neuen "Drogen", die auf ihre Extreme ausgelotet werden sollen respektive immer neu entdeckt werden.
Sei das nun psychedelic, alle Nick Cave's dieses Planeten, Hip Hop bis zu Rave & seinen Abspaltungen; doch um diese Phänomene wirklich mitzuLEBEN, mußte man nach Eng- oder Amiland blicken, wo seit den 60ern "Drogen"revolutionen (bzw. Kiffer im Free-Jazz usw.) als Massenphänomen sichtbar sind. Nach Österreich/Deutschland mußte da schon Techno kommen, mit seinem klaren JA! zu "Drogen". Noch nie waren hierorts so viele Leute potentielle "Drogen"konsumentInnen. Massending und kommerziell zum Speien. Here Today - Gone Tomorrow. Das Problem (ja, nichts hat ein so süßliches Aroma wie eingetrockneter Bürgerschweiß) war eigentlich dort beheimatet, wo es die Bürger sehen wollten: Im Underground, Heimat aller von der Gesellschaft Belächelten. Wenn man an einem schönen Tag in den Wiener Stadtpark geht, wird man von Dealern & Möchtegerndealern regelrecht zum Dope-Konsum überredet. Der Park quirlt über von der sogenannten anderen Wirklichkeit.

Tegno.
Fad wird es dann, wenn die Maxime ohne "Drogen" koa Musi gilt. Hipster-mäßig natürlich vertretbar - wo ein Leben, eine Party - da Drogen. Aber wer sich egal in welchen Bereichen vereindimensionalisiert - verrät nichts als seine eigene Kleinkariertheit. Raver-Bashing! Konsum-Attacke! Einmal Geist mit Breitenwirkung, bitte! Repetiver Trance-Zustand, der der Zeit eine Magenspiegelung beschert. Zumeist wird Musik mit Drogen (einmal Verstärkung, bitte) genossen und viel intensiver wahrgenommen.
Techno brennt langsam aus, sofern dessen Protagonisten in reaktionären Gewässern herumdümpeln und keine experimentellen Tendenzen zulassen. Genauso wie die Leute, die - immer noch... - Techno als entmenschlicht bezeichnen. Eigentlich ist Gitarrenmusik viel künstlicher, da Technokraten, ausgenommen Fließband-Programmierer oder Harthouse-Spezis, sehr wohl mit dem Aufnahmegerät in der freien Natur waten oder Geräusche ihrer unmittelbaren Umgebung verarbeiten. Wie der gute Aphex Twin oder Dr. Rockit. Doch wird das alles so schön verfremdet & für die reaktionäre Fraktion dadurch nicht mehr nachvollziehbar/denkbar. Der Beat darf dann als Blaupause unserer Gesellschaft verstanden werden. Düstere Soundeskapaden treffen auf die Großstadthektik. Der Comic aus dem Mai VIZ 2) trifft mit Ravey Davey Gravey - ein Raver, der immer glaubt, auf einem Rave zu sein, wenn er Lärm aufschnappt (z.B.: Autounfall, Supermarkt-Kassa oder er verwechselt einen Preßlufthammer mit einem Hardcore-Jungle-Rave) - einen tollen Nerv. Jede/r kann überall eine Party haben! Was hat das alles mit "Drogen" zu tun? Es würden erst gar keine solchen Gedanken entstehen. Deswegen bleiben eben bestimmte Substanzen ILLEGAL.

Wo diese saubere Gesellschaft versagt, müssen "Drogen" als Ersatzfeuerwehr herhalten. Gebrauch vs. Mißbrauch - die Trennlinie ist schmal. Mißbrauch wird eben von denjenigen betrieben, die in sich Problemberge schlummern haben - ein Alter Ego vielleicht, ein versunkenes Geheimnis (Atlantis-Ego), das bekämpft werden will. Die Geheimhaltung - von Gedanken - als Feind No. 1. Alle, die irgendwie mehr von sich wissen wollen, greifen zu psychoaktiven Substanzen (oder verfallen in Esoterikschwachsinn oder Sektenhorror). Jeder soll alles machen, doch der GROOVE darf nicht fehlen. Auf "Drogen" macht man ZUM GLÜCK verrückte Sachen, die alle okay sind. Vor allem, weil man bei den meisten (LSD, Ganja, E, ...) durch die chemischen Hirnreaktionen zum unbeschwerten, umgänglichen Kinde wird - man betrachte da nur die klassischen Raver mit Babyschnuller. Gut, auf Acid kann man auch zum Bären werden, doch irgendwie denkt man nicht so kompliziert, wie unsere Gesellschaft es vorgibt - ein Besinnen auf andere, neu entdeckte Erfahrungswelten, tritt in den Vordergrund. Aber im Endeffekt bleibt der Endeffekt, soll heißen, das WAS sich im Hirn abspielt. Laß' Dich gehen! Arbeite mit der "Droge" & lasse nicht sie mit Dir arbeiten. Die Lust, "Drogen" - also die illegalen Dinger und getrocknete Pflänzchen - zu konsumieren (sicher nicht so, wie sinistre Soziologen, die jetzt vermehrt ausschwärmen, um mit ihren Berichten unsere Herrscher zu befriedigen, behaupten, daß Kids E's mit Kaugummi vertauschen - sicher gibt es genug, die zu ihrer neuen Pash-Jean ein passendes E haben; aber: man kann über nichts berichten, das man selber nicht GELEBT hat), liegt natürlich im Reiz des ILLEGALEN, des Nein zum Staat; mit solchen Gedanken kam man in Holland darauf, es mit lockeren Gesetzen bei weichen "Drogen" zu versuchen. Auf Nazi-EU-Druck wurde die Besitzmenge für Konsumierende vor zwei Monaten auf 5g Hanf heruntergedrückt. Doch Extacy-Testgeräte vor Raves in Holland sind ein weiterer, wichtiger Schritt zur "Drogen"informationen. Wie es auch toll wäre, wenn zu jeder "Droge" ein Beipackzettel (nicht belehrend natürlich - manchmal kann der Erstkonsum ziemlich arg flashen; trotzdem gilt: Erfahrungen soll man selber & für sich machen. Hallo Erfahrungsaustausch!) hinzugepackt würde - oder eine bessere Kommunikation/Information zu Wirkungen & Nebenwirkungen. Der Supersatz : "Du kommst wieder herunter - genieße die Zeit" sollte immer im Hinterkopf spucken. Sogenannte Bad Trips (nicht nur auf Acid) oder die Mia is olles wuarscht-Flucht aus einem durchschnittlichen Leben gehören genauso dazu. Wie der Problemmensch den (natürlichen) Hang zum exzessiven "Drogen"ausleben hat. Sehr viele Beziehungsgescheiterte finden sich an der vordersten "Drogen"front. Die klassische Flucht in den Rausch, um die Realität zu übertauchen/rekonstruieren, bringt/brachte vor allem Techno-Feste als "Drogen"hochburgen ins Gerede. Interessant ist auch das Verhalten von Grüppchen, die als Familie, Bande, usw. gemeinsame Erfahrungen sammeln- so ist's cool. Oder wie schwierig es ist, vor allem für jüngere, sich der vorherrschenden "Droge" eines Festes zu entziehen. Überhaupt: Entzug. Immer nur Entzug.
Der Staat übernimmt eine kontraproduktive Rolle & treibt sein Spiel zu weit. Österreich muß z.B.: ein Millenium zu solchen Fragen nachsitzen. Ungeniertes Kommunizieren von & über Drogen ist eminent wichtig, passiert oft ganz passabel - meistens aber nicht. Vor allem weil vieles zum Vorschein tritt, das in den verborgensten Ecken dieses sogenannten Hirns schlummert. Über diesen Trash - was sonst sind verdrängte, ad acta gelegte Gedanken - bzw. die Erlebnisse, die man im Hier & Jetzt optisch, akustisch & emotional im "Drogen"rausch bewußter, da neu & intensiver, erlebt, will & soll ungeniert pallavert werden. Wie z.B.: A: Du, meine Scheiße ist grün. B: Ach nein. A: Oooo. C: Nach diesen Schwammerln war meine auch grün. A: Puuuuh. Ein rasanter Killer sind auch unbewußt erlebte Situationen, die erst nach & nach zum Vorschein kommen.

Gespräche über "Drogen" sind - noned - bei mehrmaligem Genuß bzw. Abhängigkeit Teil des Kommunikationsregisters, und man schwärmt/flucht darüber, als seien es Frauen/Männer, Musik, der Staat & andere Verbrechen. Schließlich wollen Grenzen ausgelotet werden. Zerstörerische Individuen bleiben da schon mal bei hartem Stuff hängen. Es gibt viele, die sich mit Alk hinrichten, andere ziehen gern ihr tägliches Näschen, gewollt oder ungewollt. Doch ist nicht ein Nutzen aller Resourcen interessant - sind wir nicht hier & dort, um ALLES auszuprobieren. Drogenvielfalt & mal das, mal das. RE-OPEN YOUR MIND! Mehr Toleranz, bitte! Nicht in politischen Fragen oder bei Hippies, die uns ihre Mittelmäßigkeit aufhalsen wollen - auf die nette Tour. Jeder Kultur ihre Droge ?

Am Ende bleibt nichts anderes, als die pure RAUSCHSUCHT, doch die haben Extremsportler auch. Irgendwie kämpft jede/r mit Langeweile, die gelebt werden will. Wer wegen Ausprobierens zu Unrecht kriminalisiert wird, denkt sich natürlich seinen Teil dazu. Doch der K(r)ampf mit dem System - übrigens: Danke für die Paranoia! - bzw. der Beschaffungskampf nicht so szene-kundiger Leutchen (pc-haftes SS-Staats-Sheriff-Deutsch), läßt vielfach den geebneten Weg zum FRUSTfeuerwerk Numero Uno und zur härtesten, brutalsten Droge Alk zu. Wer kein Gras findet, weidet auch mal beim Almwirten. Danke Staat! Schau' auf die Steuern & garantier' den anderen Deppen volles Programm. Naive Sprüchlein wie: "Sport statt Drogen. Denn Alkohol & Drogen haben schon viele belogen", bringen zum Schmunzeln.
"Drogen"süchtige Künstler haben/hatten es da leichter - sie werden akzeptiert (die Drogen, der Sex und der gute alte R'n'R) oder schlimmstenfalls belächelt. Hallo Harald Juhnke - Symbol der Kampftrinker. Wir haben den Falco, der sich mit seinem letzten saudummen Song "Der Koksmann ist da" gehörig outete. O-Ton: "Drogen haben mich nur zurückgeworfen." Ohne "Drogen" wärst Du da, wo Du jetzt bist - nur ohne Kohle & Ruhm.
Der durchschnittliche Drogensüchtige wird vom verzerrten Medienbild als schwuler, aids-kranker und drogensüchtiger Neger dargestellt. Die Kronen-Zeitung fegt in letzter Zeit wieder massiv über diese grauslichen Typen. "Im Haschisch-Rausch auf der Autobahn!" war da schon eine Titelschlagzeile wert.

Manche Leute bringen sich schneller um, manche langsamer. Manche achten auf ihren Körper, manche scheißen darauf. Einer lebt unter ewigem Partydruck, der andere verzählt noch heute von seiner Maturareise. Einige Beispiele dazu: Nach dem Saufn stellt man sich nächsten Morgen meistens die Sinnfrage: War es das wert? Meistens wird das dann mit Ja! beantwortet, und schon stürzt man ins nächste Abenteuer. Gut so. Oder beim Kiffen, wo man nach unendlich wirkendem Dauerkonsum viel ZUVIEL denkt - und in einer Denkspirale gefangen zu sein scheint. Oder die Nase an einer Flasche Poppers, mit dem eingefrorenen Grinsen auf deinem Gesicht, das Du den ganzen Abend nicht mehr wegbringst. Oder die Paranoia-Spielchen mit allem möglichen weißen Pulver. Oder die Nachverarbeitungszeit eines gelungen Trips. Oder wenn Magic Mushrooms ein Blau partout nicht mehr Blau aussehen lassen. Oder den Einfluß eines Tässchens Tee (never mind den Yogi Tee...) mit Milch auf britische Wimp-Popper. Oder den, spätestens Dienstag, eintretenden Depressionen nach einem E-Konsum. Oder eine Opiumpfeife, die auf einer indischen Party nebst Bauchtänzerinnen, einem Zimmer voll leckren Spezialitäten und cooler Bangrah-Sounds, solange gereicht wurde, bis die Reizüberflutung sich in ausgiebigem Schlaf im kratzigen Plüschsessel äußerte. Ja, Babys, die gerne die Luft angehalten haben (neuer Effekt!) wollen auch als adoleszenter Jüngling & alternder Wicht ALLES ausprobieren. Sonnenbrand fährt toll! Um das geht es. Hallo, ich lebe in einer Generation ohne Gegenwart! Aber mit Zukunft!

1) auf Good Looking, GLR 2 --- back
2) engl. Satiremagazin --- back


JUNI 96

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