ZACK, BUMM UND KNALL
Thomas Gunesch wurde 1947 geboren, war im Erziehungsheim, lebte lange
auf der Straße, dann war er viele Jahre bei den Schaustellern, und
schließlich landete er als Hausmeister im KV Kanal. Er hat 3 Jahrzehnte
Drogengebrauch erlebt.
Das Interview mit Thomas Gunesch alias "Marathon-Mann", "Speed
Tom", "Terminator", vom 10.5.1996 im Kanal führte Mexx
Seidl.
Mexx: Wann ist die erste Konfrontation mit Drogen passiert ?
Tom: Das erste Mal war mit 17einhalb Jahren, das war
so 1964/65, da war ich im Erziehungsheim Wegscheid, das sich nach außen
hin Jugendwohlfahrtsheim nannte, und da bin ich das erste Mal mit Haschisch
in Kontakt gekommen. Es waren deutsche Arbeiter, die auf der Eisenbahn arbeiteten,
und auch Amis hat es gegeben, und da haben wir eben mitgeraucht. Die haben
uns sozusagen zum Rauchen gebracht, denn sonst hatten wir immer Rum getrunken,
der in Plastiksäcken ins Erziehungsheim geschmuggelt wurde.
Ich war ja früher ein schwerer Schläger und Alkoholiker, es war
ja das James Dean Zeitalter, das Nachkriegszeitalter, die Gewalt hat noch
abgefärbt auf uns. Wir waren auf Gewalt drauf. Wir bemühten uns,
unheimlich böse zu sein, böse zu wirken. Es war uns wichtig, daß
sich die Leute vor uns fürchteten. Wir haben den Alkohol so enorm genossen,
daß wir immer sehr viel Scheiße gemacht haben. Wir haben ganze
Ortsteile, ja Stadtteile zertrümmert, vor lauter Aggressivität.
Wir haben Rum gesoffen, und vom Rum wird man am meisten aggressiv.
Hat es zu dieser Zeit schon eine Drogenwelle gegeben?
Ja, natürlich. Es hat die Beatles schon gegeben. Und nach einer gewissen
Zeit Beatles war die Haschischwelle nicht mehr aufzuhalten. Die Beatles
kamen ja hoch durch den Bandwettbewerb im Starclub Hamburg, und das hab
ich live gesehen. Die haben sich damals schon zum Haschisch bekannt. Und
das machte uns natürlich neugierig, wie alles was von drüben gekommen
ist. Ich wurde durch Haschisch kaltgestellt. Ich hab nicht mehr gerauft,
ich bin nicht mehr aggressiv geworden, außer wenn ich Alkohol trank.
Ich habe eigentlich mehr zu mir gefunden. Ich hab mich selbst gefunden.
Nur durchs Cannabis. Ich bin unerziehbar entlassen worden, ich hab alles
durchgemacht. Und nur Cannabis hat mich von der Gewalt geheilt.
Wo wurdest Du unerziehbar entlassen?
In Korneuburg, ich bin ja immer von einem Heim ins nächste gekommen.
Die Psychiatrin sagte zu mir, ich hätte einen notorischen Wandertrieb.
Wodurch dieser entstanden ist, fand ein Schweizer Psychiater heraus: Ich
wurde als Kind in eine Sausteign eingesperrt. Die Leute waren arbeiten oder
im Stall, und ich bin 6-7 Stunden allein und angeschissen in dieser Sausteign
gewesen. Wir sind auch laufend umgezogen, und so wurde ich auch aus den
Freundeskreisen immer herausgerissen.
Naja, wie ist es weitergegangen. Ich bin aus dem Heim herausgekommen, und
es hatte sich inzwischen eine totale Szene herausentwickelt. Und da war
in Linz eine größere Szene als in Wien, und eine größere
Szene als in München.
Da hat das Gramm Haschisch in Linz im Schillerpark 15 Schilling gekostet.
Der Schillerpark war immer schon so ein Volkspark, solange ich mich als
Kind zurückerinnern kann. Bevor die Hippies waren, waren eben die Rocker
in diesem Park drinnen. Er war auch immer für die Landbevölkerung
ein zentraler Treffpunkt, da konnte man im Park warten, wenn man kein Geld
hatte, um in einem Lokal zu warten.
Und dann haben uns natürlich die ganzen unbekannten Drogen auch interessiert,
ob sie auch so gut sind wie Cannabis. Und da sind wir natürlich reingefallen.
Da haben wir alles, die ganzen Tabletten probiert, die ganzen Aufputschmittel,
und alles was dann müde macht. Da haben wir dann ausgecheckt: Aha,
die sind laff. Aha, die sind für das und das, usw. Und wir haben ja
das alles herausgefunden, wir sind oft am Boden gelegen, uns ist es oft
schlecht gegangen, wir hätten eigentlich ins Spital müssen.
Was war das schlimmste Erlebnis in dieser Zeit?
Das schlimmste Erlebnis war das Probieren von Heroin. Das war in Holland,
da waren sie damals schon weiter in der Medizin, was diese Sachen betrifft.
Eine Schwarze hat mich verschleppt und hat mir was hergerichtet für
einen Ochsen. Und dann haben sie mich mit der Rettung weggebracht. Ich hatte
zwar vorher Opium gedrückt, was mir nichts ausmachte. Das Opium hab
ich deswegen gedrückt, weil einem da unheimlich schlecht wurde, ohne
das man ein grausliches Gefühl gehabt hätte. Man konnte kotzen
und sich wohl fühlen dabei. Und so bin ich über die Landstraße
gegangen und hab den Leuten vor die Füße gekotzt. Dem Pöbel
habe ich vor die Füße gekotzt. Ich sagte: Mir graust so vor Euch.
Das habe ich aber nur am hellichten Tag gemacht, in der Nacht haben es zuwenig
Leute gesehen.
Und Du hast in Linz gewohnt zu dieser Zeit?
Was heißt gewohnt, ich war immer unsteten Aufenthalts. Die anderen,
die aus Linz waren, sind immer nach Hause gegangen. Ich war vom Land, ich
hab mir jeden Tag einen Schlafplatz suchen müssen. So ab 10 Uhr hab
ich mich immer umgeschaut. Aber den ganzen Tag machte ich mir keine Sorgen,
weil ich zur Not einen Schlafsack versteckt hatte. Unter der Brücke
zwei Bänke zusammengeschoben, und paßt scho. Einmal hab ich einen
ganzen Winter mit einer Freundin wild geschlafen. Gute Plätze waren
da Kellerstiegen von Häusern. Wenn die Tür offen war, hinunter
und ein bißchen Pappendeckel aufgelegt, den Schlafsack hatten wir
ja immer mit. Uns war nie kalt.
Wenn Du drauf bist, ist Dir eh nicht kalt.
Naja, wenn Du eingeraucht bist, dann ist Dir eher kalt..
Aber auf härteren Sachen nicht.
Ja, auf Speed und so. Dazumal hat es eben noch richtigen Speed gegeben.
Der ist ganz legal aus der Apotheke besorgt worden, vielleicht hie und da
mit falschem Rezept, aber sonst ganz legal.
Und ihr habt viel von diesem Zeug genommen.
JaJa. Aber damals, wie das alles noch so einfach zu kriegen war, da hat
es nicht so viele Junkies von dem anderen, argen Zeug gegeben. Das Zeug
war legal, man hatte keinen Schuldkomplex, etwas Verbotenes zu tun. Wenn
Du jetzt eine harte Droge nimmst, dann bist Du ja sofort in einem Kreislauf
aus Kriminalität drinnen. Und damals waren auch viele Leute dabei,
die heute Rechtsanwälte oder Ärzte sind, die sind gar nicht negativ
von dem Zeug beeinflußt worden. Der Speed war das Zeugs um die argen
60er Jahre daschnupfn zu können.
Wenn die Leute in den 60er Jahren nicht so viele Drogen genommen hätten,
dann wären viel mehr Leute zur Terrorszene übergewechselt. Da
hätte es sich erst abgespielt! Denn zu dieser Zeit war eine Terrorszene
hier, und auch eine Politszene. Da hätte es viel funken können.
Aber durch diese allgemeine Stimmung sind viele von den wilden Hunden kaltgestellt
worden, durch die Drogen.
Ich bin dann von Linz weg und hab meinen Wandertrieb ausgelebt. Ich hab
bis 28 Jahre keinen Paß gehabt, weil ich nirgendwo lange genug war,
um mich melden zu können. Ich hab so richtig auf der Straße gelebt.
Ich war ein richtiger Hippie, so richtig auf schnorren, aber auf cool, und
das ist durchgegangen. Ich war immer so ein milchiger Bub, vielleicht habe
ich die Mütter auf der Straße an ihre eigenen Kinder erinnert.
Die haben mir immer was gegeben, die älteren Frauen. Bei denen bin
ich gut angekommen. Weil ich eine Frau wie eine Frau behandle. Ich habe
das meiste in meinem Leben von den Frauen gelernt. Also wenns die nicht
gegeben hätte, dann wär ich schon längst tot, schon längst
untergegangen. Ich bin aber auch mißbraucht worden von den Frauen.
Als 14jähriger hatte ich ein fixes Verhältnis mit einer 30jährigen.
Wenn ich von der Schule nach Hause kam, hab ich zuerst die andere Hackn
machen müssen und dann erst die Hausaufgaben.
Und irgendwann, da bin ich dann in der Leon-Roth-Kommune gelandet. In München
gibt es eine Leon Rothstraße, und da war ein besetztes Haus, die erste
große Hausbesetzung in Europa, das war 1965. Es waren ungefähr
380 Leute in dem besetzten Haus. Es war auch so, daß sich die Leute
am Abend zusammengesetzt haben, und etwas geraucht und etwas getrunken haben,
und musizierten. Die meisten sind zu dieser Zeit natürlich der indischen
Mythologie nachgelaufen, in den 60er Jahren. Das wurde total erforscht,
jeder hat in seinem Gewissen geforscht, jeder wollte sein eigenes Ich herausfinden.
Auch YinYang war damals ein großer Trend, quer durch alle Klassen.
Ich spielte so eine Rolle in diesem Haus wie hier im Kanal. Alles was kaputt
war, habe ich instand gesetzt, habe es bewohnbar gemacht. Und ich hatte
auch die Rolle als Terminator, wenn sie gestritten haben, habe ich den Streit
geschlichtet. Diese Rolle hatte ich auch bei der RAF. Ich war zum inneren
Schutz zugeteilt. Es hat immer Konflikte gegeben, wie man Gewalt einsetzt.
Ich war auf der Seite derer, die gezielt eingreifen wollten und die Fremdkörper
aus diesem dreckigen Gefüge entfernen wollten. Wegen der brutalen Räumung
des Hauses hat sich die RAF zusammengeschlossen, um zurückzuschlagen.
Diese Räumung war gegen die Menschenrechte. Die haben ein Mädchen
erschlagen. Alle sind festgenommen worden, ich bin als einziger davongekommen,
weil ich mich über die Regenrinne davongehantelt habe. Mit mir wär
da noch einer geflohen, aber neben den haben sie hingeschossen, und der
hat sich so geschreckt, daß er hinuntergepatzt ist.
Wann ist LSD bekannt geworden?
Naja, das war so 62/63, dann etwas später machte Leary die Neuentdeckung,
und der hat dann auch viel Promotion über die Medien gemacht. Deswegen
wurde er zu 20 Jahren verurteilt, denn er ist der Verbreiter des LSD. Er
wurde dann angeklagt, als schon einige Morde und Selbstmorde unter LSD-Einfluß
passiert waren. Ich sage, daß die Selbstmörder auf andere Drogen
auch heruntergesprungen wären, weil diese waren psychisch fehlgesteuert.
Und wenn einer psychisch fehlgesteuert ist, und er nimmt seinen ersten Trip,
dann macht er den Schmetterling!
Damals hat es die kalifornischen Acids gegeben. Das erste Mal LSD war ein
arges Erlebnis. Damals haben die Chemiker noch keine Ahnung gehabt, wieviel
LSD der Mensch braucht. Das waren Trips für Elefanten. Das waren die
Heidelberger, die sind aus Heidelberg gekommen, die sind dort auf der Uni
gemacht worden. Das waren WATTEBÄUSCHE. Wenn Du die gefressen hast,
dann warst Du 3einhalb Tage so drauf....Da hast Du Farbwände durchbrochen.
Wenn Du auf der Landstraße gegangen bist, ist es Tschupp gegangen,
Du hast das Reklameschild noch leuchten sehen, und schon ist es heruntergeronnen,
geschmolzen. Mich haben sie vom Neon Geissler von der Auslage, da waren
viel so Neondinger und Leuchtbuchstaben drinnen, in allen Farben, da haben
sie mich weggekletzelt. Ich war dort schon 3einhalb Stunden und bin auf
der Scheibe geklebt, in den ärgsten Körperhaltungen, weils drinnen
so abgegangen ist.
Aber ich hab nie einen Horror gekriegt, ich habe gewußt, ich hab was
genommen, und irgendwann hört es wieder auf.
Damals haben wahrscheinlich viele Leute Acids genommen.
Ja, da hat es ganze Acid-Parties gegeben. Ein ganzes Lokal auf Acid. Die
Ober haben fast geweint. Obwohl wir Freaks im Rosenstüberl drinnen
waren, die Ober haben weinrote Sakkos mit schwarzen Krägen gehabt und
waren mit den Silbertableaus unterwegs, sie haben sich würdig verhalten
müssen. Du kannst Dir vorstellen, was die Leute auf Trip mit den Obern
gemacht haben. Die haben sie um die Wette geschickt, und wenn die Ober zurückgekommen
sind, hat keiner mehr gewußt, was er bestellt hatte. Das war katastrophal.
Die haben mir oft wirklich erbarmt.
Früher ist man jedoch bei Drogen nicht so eingestiegen wie das heute
gemacht wird: Zack, Bumm und Knall, sondern man hat sich schon lange vorher
theoretisch darauf vorbereitet, man hat sich damit befaßt.
Ich hab ja dann ein eigenes System erfunden, mit den Menozil, das waren
so Aufputscher, ein Schweizer Fabrikat, das war ein Abmagerungsmittel, ja.
Das war ein Traumspeed, ein Happyspeed. Da hat man lachen können. Sonst
auf Speed kann man ja nicht lachen, es verzieht Dir zwar das Gesicht, aber
Du kannst nicht von Herzen lachen, wie wenn Du eingeraucht bist, sondern
es ist nur Mimik. Aber auf dem Zeug hast Du so richtig happy sein können.
Mir sind einmal so ein paar Tabletten hinuntergefallen, und es war so ein
weißer Quark am Boden. Und ich geb das, weil gerade ein Kaffeefilter
hier war, Frühstückstisch und so, in einen Kaffeefilter und auf
die leere Kaffeekanne. Auf einmal seh ich, wie es da glasklar durchtropft,
und der weiße Quark bleibt im Filter. Da hab ich mir gedacht, was
da durchgeronnen ist, dieses kleine Stamperl, das sauf ich jetzt, und habs
getan. Natürlich war ich drauf. Dann hab ich mir gedacht: Das ist ja
voll sauber, vielleicht kann man das junken, und so. Dann beim nächsten
Mal bin ich hergegangen, hab mir das Zeug so richtig aufgeweicht, hab mir
eine 30 Kubik-Spritze genommen, da hab ich ein Taschentuch genommen, denn
Quark drauf, vorn in die Spritze rein, und hab mit dem Kolben langsam angeschoben.
Vorn ist es dann glasklar wie Schnaps herausgekommen. Es hat geglitzert
in allen Regenbogenfarben. Jeder Tropfen, der da rauskam, hat wie ein Tautropfen
gespiegelt. Das hab ich dann gejunkt. Ich hab ja noch ein bißchen
ein schlechtes Gewissen, denn von Linz aus hat diese Methode dann europaweit
um sich gegriffen.
Jetzt hat aber die Polizei mit den ganzen Speed-Junkies nichts machen können,
weil die Droge legal in den Umlauf gekommen ist. Und wie man es zu sich
nimmt, kann denen wurscht sein. Da sind sie gesprungen! Sie haben uns verhaftet,
stundenlang verhört, bis ihnen der Schädel geraucht hat, und dann
sind wir wieder heimgegangen. Uns haben sie ja schon zu einer Zeit mit Rauchpieces
verhaftet, da haben sie uns das Zeug wieder zurückgegeben, und haben
gesagt: Was hast Du denn da wieder für ein Glumpert eingesteckt. Burschi
haben sie eingesperrt wegen böswilliger Sachbeschädigung. Er hat
am Schillerpark auf einem Auto mit einem Messer eine Platte Opium zerschnitten,
die haben sie ihm nicht genommen, nur das Messer haben sie ihm genommen.
Damals sind die Bullen Blindgänger gewesen, so arme Hunde!
Da ist man mit dem Orient-Express nach Istanbul gefahren, hat sich ein paar
Orangen gekauft und die Sackerl dazwischengelegt, und wenn der Zoll gekommen
ist, hat er ein bißchen geschaut, hat Dich vielleicht am Körper
wegen Waffen abgesucht, aber wegen Cannabis haben sie nicht geschaut!
Heute ist das aber wahrscheinlich ganz anders.
Damals sind auch die Preise anders gewesen. Da hat man gesagt: He, leih
mir mal geschwind 60 Gramm bis nächste Woche. Das kannst Du jetzt nicht
mehr machen.
Und ich hab seitdem immer regelmäßig geraucht. Es ist erst enger
geworden, wie die Bullen auf einmal hart zugeschlagen haben, wie alle Quellen
weg waren.
Man entwickelt durchs Rauchen seine eigene Mentalität. Man findet seinen
eigenen Weg zu leben. Weil wenn man Drogen zu sich nimmt, dann ist es natürlich
schwierig, in der Gesellschaft mit den Leuten, die nichts nehmen, warm zu
werden, weil doch immer etwas dazwischen steht. Aber, wenn ich nochmal auf
die Welt komme, dann rauche ich noch einmal, und ich werde solange rauchen,
wie meine Lunge imstande ist zu rauchen. Ich arbeite rund um die Uhr, ich
bin 49 Jahre alt, ich sehe wie sie alle Schlappschwänze sind, diese
neue Generation von Rauchern, wenn die mal in Kontakt kommen mit den Behörden,
dann lassen sie sich so ins Bockshorn jagen, daß sie, wenn sie wieder
was nehmen, gleich hart einsteigen, nämlich zufleiß: Mit einer
Trotzreaktion fordern sie die Behörde heraus, und es ist ja bekannt,
daß der Mensch bis zu einem gewissen Alter diese Trotzreaktionen in
sich hat.
Nachdem Du in München warst, bist Du wieder zurückgezogen nach
Linz?
Naja, hin und her gefahren. Von München bin ich öfter nach Dänemark
gefahren, nach Kopenhagen. Da war damals die Christiania aktiv. Das war
die erste offizielle Sache mit Drogen und so.
War das ein Stadtteil?
Das war eine Kaserne, und da ist alles drinnen, das hat alleine existieren
können, von außen brauchen sie nur die Grundmaterialien. Da ist
Landwirtschaft und alles integriert. Da hat es auch die erste Selbsthilfeaktion
mit harten Drogen gegeben. Da sind die Kinder mit der Waage auf einem Tisch
im Vorhaus gesessen und haben Cannabis verkauft, damit die Eltern den Entzug
durchstehen konnten. Das war eine Stadt in sich, und Drogen waren straffrei.
Der König oder die Königin haben gesagt: Wenn Leute so leben wollen,
dann sollen sie unter sich leben. Da drinnen hat man auch arbeiten können.
War ein gutes Projekt. Es hat auch ein Spital gegeben, auch mit psychiatrischer
Behandlung.
Die Hippiezeit war ja eine schöne Zeit, nur die ersten drei Jahre.
Denn wenn Du da vom Bahnhof nach Urfahr gegangen bist, da hast Du 600-700
Schilling gehabt, ohne zu schnorren. Die Leute sagten: Hallo junger Mann.
Die Schulmädchen haben mir ihre Jause gebracht, ihre Brote gegeben,
die alten Mütter sind stehengeblieben: Junger Mann, und schon wieder
ein Fuffzger. Die Hippies waren den Leuten lieber als die Rocker. Weil wir
sind aufgestanden, wenn alte Leute in die Straßenbahn gekommen sind,
haben ihnen über die Straße geholfen. Diese Aspekte haben wir
schon gehabt. Auf das waren wir stolz. Und da sind wir gut rausgekommen.
Als sie aber dann draufgekommen sind, warum wir immer so freundlich sind,
und so lachen, nämlich, daß wir einfach auf Cannabis sind, da
haben sie uns gejagt. Razzias hat es gegeben, im Rosenstüberl, im Kellertürl.
Wo waren diese Lokale?
Das Rosenstüberl ist jetzt das City-Pub beim Schillerpark. Das Kellertürl
war unterm MacDonalds. Und das Big Apple hat es gegeben. Das war ein Lokal
mit Lifebands: Hubert [Grillenberger] live, The Lions, The Shouts, The Blacks,
die nachher Blackpower geheißen haben, das waren überhaupt die
ärgsten Freaks. Lauter legendäre Musiker eigentlich.
Der Kohut hat sich eine Gehirnerschütterung geholt, als er im Big Apple
hinuntergefallen ist, und der Burschi hat ihn geheilt mit Speed. 150 Stück
Speed. Der kann sich keinen Text mehr merken.
Was hast Du weiter gemacht?
Irgendwann hatte ich das Speedjunken einmal satt, und hab nur mehr geraucht.
Und dann hab ich mal geheiratet, war sieben Jahre verheiratet. Dann war
ich bei den Schaustellern. Vorher beim Riesenrad, dann beim Autodrom, dann
am Round-up. Da hab ich auch moderiert.
Da war ich auch als Handelsreisender in Sachen Haselnuß unterwegs.
Das, was der Chef bezahlt hat, für das hätte er geschlagen gehört.
Und ich hab Geld verdienen müssen.
Die Arbeit bei den Schaustellern hat mir getaugt. Ab und zu mit einem jungen
Ding in den Wohnwagen... Früher, wie AIDS und Pille noch kein Thema
waren, da hatten die Leute viel mehr Sex. Heute haben die Jugendlichen keinen
Sex und brauchen alle einen Psychiater. Das ist der Scheißdreck, den
wir in unserem Zeitalter haben.
Die Leute bumsen zu wenig.
Ja. Die gehen drüber, die machen ja nicht einmal Petting! Du mußt
sie mal fragen. Die werden, ob sie wollen oder nicht, von x-tausend Stellen
aufgeklärt, und dann wollen sie selbst nichts mehr herausfinden.
Wir waren bei den 70er Jahren, Du warst bei den Schaustellern, hast wahrscheinlich
geraucht, ...
Immer, sonst hätt ich da keinen Handgriff getan bei den Schaustellern.
Aber diese Schaustellerei, der Zirkus, das fängt Dich irgendwie ein,
wenn Du länger dabei bist. Das ist ein eigenes Flair, Du siehst die
Menschen aufwachsen, und Du lernst so viele Menschen kennen, Du lernst sie
einzuordnen. Verstehst Du mich? Und von Landstrich zu Landstrich sind die
Menschen charakterlich verschieden. In Bischofshofen sind die Leute ganz
anders drauf. Das sind so wilde Hunde wie die Bayern. In Zell am See sind
sie schleimig, da lecken sie, vom Fremdenverkehr lassen sie sich herpudern,
die ganzen Trotteln. Da sind schleimige Hunde dabei. Die sind mitten in
der Wirtschaftskriminalität, so schleimig. Da geht die Mutter auf den
Strich, verstehst Du mich, weils das zweite Häusl bauen, das ist allerhand,
in ihrem Alter. Damit die Kinder ein eigenes Häusl haben, und die Eltern
auch ein eigenes. Da wohn ich lieber in einem Luftschutzkeller. Und die
schönen Mädchen bei den Schaustellern, irgendeinmal hängen
sie Dir zum Hals hinaus.
Und, hat es, wie Du bei den Schaustellern warst, auch noch den Speed
in der Apotheke gegeben?
JaJa. Ich hab die Schausteller angetörnt. Die sind dann aber gleich
auf das Koks gestiegen. Die haben auf die Tabs denn Hut draufgehaut, die
haben Kohle gehabt, die Arschlöcher. Und jetzt bestimmen die internationale
Drogenroute die Schausteller.
Am besten war es, Speed zu bekommen, wie ich bei der Intercont immer ausgeholfen
habe. Wenn die Waggons aus der Schweiz gekommen sind, da waren Medikamente
dabei, und da war der gute Speed dabei. Ich hab immer diesen Waggon freiwillig
alleine ausgeräumt, da hab ich keinen Helfer gebraucht! Da hab ich
dann die Medikamentenschachteln genommen, bumm auf den Boden gehaut, draufgesprungen,
die Rodel draufgehaut. Dann hab ich den Agenten von der Eisenbahn geholt,
hab ihm gezeigt: Hier haben wir Bruch. Und dann hab ich das entsorgen müssen..
Wenn so ein Schachterl nur eingedepscht war, hat es weggehört. Da hab
ich ein Lager daheimgehabt, ein ganzes Regal mit Marmeladegläsern voll
von dem Zeug. Vier Jahre später, als es die Menozil gar nicht mehr
gab, hab ich immer noch welche gehabt.
Und das Ecstasy ist nicht der Speed, der gut ist. Ich hab schon eins hinter
mir. Fürchterliches Zeug. Die Leute, die das nehmen, tun mir sehr leid.
Und die glauben, das ist gut! Ich sag Dir, selten, daß ich so Vergiftungserscheinungen
gehabt habe. Allerhand. Das Ecstasy ist extrem schädlich!
Ich möchte noch was von den 60er, 70er Jahren wissen, was so los
war, was sich die Leute hineingehaut haben, und so weiter.
Naja, geraucht haben immer alle. In der Stadt haben immer welche geraucht.
Am Land ist das nicht so leicht aufgefallen. Aber am Land sind die stärksten
Raucher.
In der Landstrasse im ersten Stock gab es dieses Lokal, wo die High Society
Freaks waren, dort gegenüber vom Kasperkeller im ersten Stock. Da waren
die ersten Kokser drinnen.
In den 70ern hat es nicht so viele Livekonzerte gegeben, die Leute haben
Wisborn Ash gehorcht, viel Zappa gehorcht. Der Zappa ist praktisch durch
alle Schichten gegangen. Und dann ist der Disco-Sound aufgekommen, mit diesem
John Trawürstl. Den hab ich gehaßt. Und dann in den 80ern ist
diese Sampler-Geschichte aufgekommen, weil sie nicht mehr gewußt haben,
was sie spielen sollen. Es gibt viel zu viele Leute, die sich Musiker schimpfen.
Jetzt gibt es auch schon eine Technoversion von Stone Free von Jimi Hendrix.
Das geht leicht, weil er immer nur drei Wechsel hatte, und alles andere
hat er deswegen gemacht, weil er so viele Halbtöne spielen konnte auf
der Gitarre wie kein anderer. Später hat es dann Leute gegeben, die
sich die Gitarre umbauen ließen.
Was war eigentlich die größte Menge an Drogen, die Du jemals
gesehen hast?
Das waren 8 Paletten Cannabis. Mannshoch! Da hab ich mich nicht einmal atmen
getraut. Das war in Holland auf einem Schiff. Auf einem staatlichen Drogenschiff.
Was war der ärgste Flash?
Der ärgste Flash war mit dem Menozil. Die Umwandlung. Das ärgste.
Wenn Du die Nadel herausziehst, da hast Du einen Hadern drauf. Der Kreislauf.
Da hast Du in einer zehntel Sekunde ein ganz anderes Bewußtsein. Derart
schnell. Aber es ist gemütlich, Du bist nicht hektisch, oder so. Du
spürst jeden Nerv. Du hast ein ganz anderes Feingefühl in den
Händen. Jeder Nerv ist angespannt auf Speed. Du bist total bereit zu
reagieren. Normal kannst Du gar nicht so reagieren. Wir sind nächtelang
spaziert, haben geredet und philosophiert, von ganz unten bis nach ganz
oben gesprochen. Die Speedleute haben am meisten diskutiert. Aber jeder
hat nach einer gewissen Zeit einen Tick bekommen. Der eine hat den Zusammenräumtick
gehabt, ich hab den Schlagzeugspieltick gehabt, der Roman hat den Entertainertick
gekriegt, hat 2 Takte gespielt und dann wieder eine Geschichte erzählt.
Der Hubert hat 1einhalb Stunden mit der Wand geredet, mir hat schon das
Hirn wehgetan, ich hab nicht mehr hinschauen können. Er fragt mich
um eine Zigarette, dreht sich um und spricht mit der Wand weiter. Ich dachte
mir, das gibts nicht! Die zwei durchschau ich auch nicht.
Das sind auch so Zeitzeugen wie Du.
JaJa, aber die haben es viel ärger getrieben. Ich hab ja auf meinen
Körper geschaut. Wenn die was in der Hand gehabt haben, dann sind sie
sofort zum nächsten Klo und haben sich eine (Anm. der Red.: eine Speedshotgun)
gemacht. Ich hab aber gesagt: Wo ist das nächste Wirtshaus, wo ist
der nächste Sponsor für mein Essen. Dann hab ich gegessen. Weil
wenn ich denn Speed eingesteckt habe, kann ihn mir niemand mehr nehmen.
Ich hab immer vorher gegessen, bevor ich auf Speed gegangen bin. Denn da
hast Du eine andere Grundlage, da verarbeitet der Körper die Nahrung,
verstehst Du. Das ist eine kleine Stütze für den Kreislauf. Man
kann aber so auch nur einen kleinen Teil der Schädlichkeit wieder gutmachen.
Der Rest geht auf den Körper. Ich hab mit einem Arzt über meinen
Körper geredet, dem hab ich alles erzählt, und er hat gesagt,
mein Glück war, daß ich bis 14 Vegetarier war. Aus Trotz. Aus
Dickschädligkeit. Weil ich fress nicht meine eigenen Hasen, die ich
gefüttert habe, und die mir nachgelaufen sind. Wenn ich Hunger hatte,
dann hab ich Hühnereier gestohlen, mit Zucker aufgerührt und getrunken.
Denn der Kühlschrank hat ein Schloß gehabt.