AUFKLÄRUNG und DIALOG
Interview mit Reinhard Kannonier
für hillinger, geführt am 18.12.1996
Eugenie Kain: Die wissenschaftliche Auswertung der Erfahrungen mit der Ausstellung
über die Verbrechen der Wehrmacht wird noch dauern. 3 Tage vor Schluß
der Ausstellung dürfte es aber Anzeichen für eine positive Bilanz
geben.
Kain: Was müßte deiner Meinung nach an diese Wehrmachtsausstellung
anschließen, um die Kontinuität der Aufklärung zu bewahren?
Erich Klinger: Wer hat Interesse, den Mythos der Kriegsgeneration aufrechtzuerhalten
und daran, die Spaltung der Generationen ins Gespräch zu bringen?
Klinger: ...diese Ausstellung wird mit öffentlichen Geldern finanziert...
Kain: Ich war dreimal in der Ausstellung, da habe ich mehrmals das Argument
der Einseitigkeit gehört und zwar nicht nur von älteren Leuten:
Man erfährt nichts über die Grausamkeit der Partisanen, kein Wort
über die Bombardierung von Dresden, kein Wort über die Vertreibung
aus dem Sudentenland. Es ist müßig, zu sagen, das ist nicht Thema
dieser Ausstellung. Sie wollen das Thema nicht wahrhaben. Da denke ich mir,
dass man die sogenannte Aufbaugeneration zuerst kollektiv in psychotherapeutische
Behandlung schicken müßte, damit etwas weitergeht..
Klinger: Ich denke mir, es gab eine klare Themenvorgabe und auf ein Thema
kann ich mich nur einlassen, wenn ich nichts anderes einfließen lasse.
Es ging augenscheinlich darum, die Verbrechen der Wehrmacht am Balkan, in
Polen und der Sowjetunion zu zeigen.
Kain: Der Unwillen, sich jetzt konkret mit genau diesem Thema auseinanderzusetzen
oder dieses Thema zu sehen, hat sich bei den Zeitungskommentatoren der Chefetagen
fortgesetzt,obwohl in den einzelnen Zeitungen eine sehr differenzierte Berichterstattung
zu beobachten war, je nachdem wer geschrieben hat. Für den Chef der
OÖN war die Ausstellung zwar pädagogisch wertvoll und wichtig,
aber in Summe gesehen aufgrund der die Aussöhnung von Generationen
behindernden Einseitigkeit "Leider nur eine Provokation". Der
Kukacka nahm im Volksblatt die Ausstellung zu einer Polemik gegen "selbsternannte
linke Antifaschisten" her und haut ihnen den Renner rein. Also dieses
Kommentieren ignoriert einfach das Thema. Wie kommt man sich als Zeitgeschichtler
mit wissenschaftlichem Anspruch vor, wenn einem Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen
wird und zwar deshalb, weil man anscheinend wissenschaftlicher ist, als
es den Kommentatoren genehm ist.
Klinger: Der Professor Ardelt hat zu mir vor ein paar Wochen gesagt, am
Anfang hatte man das Gefühl, die Ausstellung soll totgeschwiegen werden.
Klinger: Vor ein paar Tagen habe ich mir den Film von der Ruth Beckermann
angeschaut. Im Zusammenhang mit der Ausstellung sind mir dabei zwei Sachen
aufgefallen: Der eine Bereich ist, daß ehemalige Wehrmachtsangehörige
oder Menschen, die den Krieg mitgemacht haben, jetzt auf einmal herauskommen
mit dem was sie erlebt haben und auch mit den Schrecken, die sie miterlebt
haben. Auf der anderen Seite ist da noch immer so eine Haltung , wir haben
das nicht gewußt. Es ist zwar vor unseren Augen passiert, aber wir
wissen es nach wie vor nicht. Momentan gibt es ja auch so Situationen, die
in unser Leben eingreifen. Es passieren Sachen, die von uns auch nicht so
bewußt wahrgenommen werden oder verdrängt werden. Ein wesentlicher
Unterschied ist natürlich, dass wir nicht in solche Handlungen verstrickt
sind, dass wir nicht an Kriegsverbrechen beteiligt sind. Gibt es für
dich Parallelen?
Klinger: Ich wollte mich nicht auf die Jugoslawien - Geschichte spezifisch
konzentrieren, ich denke in einem globalen Zusammenhang, weil die Welt ja
seit Beendigung des 2. Weltkrieges von der Information her wesentlich verknüpfter
ist. Deshalb wissen wir mehr von Dingen, die passieren, da ist es dann natürlich
schwerer festzumachen, was stimmt und was stimmt nicht. Da tu ich mir gerade
in Zusammenhang mit Jugoslawien sehr schwer.
Klinger: Ich habe mittlerweile den Eindruck gewonnen, daß Sachen,
die von offizieller Seite verbreitet wurden, einen sehr verfälschenden
Aspekt an sich haben. Die von Deutschland und Österreich betriebene
Außenpolitik hat, meiner Meinung nach, einen sehr großen Anteil
an diesem Krieg.
Klinger: Bei der von Rundschau und VHS organisierten Diskussion über
die Sinnhaftigkeit der Ausstellung hat Hannes Mitterer, Sprecher des Liberalen
Forum gesagt, seine Partei ist grundsätzlich gegen die Subventionierung
von kulturellen oder politischen Veranstaltungen, aber in diesem Falle nicht.
Für mich leitet sich daraus ab: Gibt es eine grundsätzliche Berechtigung,
daß Ausstellungen wie diese subventioniert werden?
Kain: Grundsätzlich zur Subvention in Linz. Das war ja das Einzigartige
in Linz: Wir sind in des Führers Lieblingsstadt, die Ausstellung findet
in der Kunsthochschule statt, das Gebäude ist ein typisches Beispiel
für NS-Architektur und gerade hier werden öffentliche Subventionen
verweigert. Und Ihr zeigt dann auch noch, dass man so eine Ausstellung ohne
öffentliche Gelder machen kann, wobei diese Subventionen von Stadt
und Land ohnehin nur ein Drittel der Gesamtkosten abgedeckt hätten.
Kain: Und die Böhsen Onkelz?
Klinger: Also sie wollten wirklich spenden...
Kain: Es sind verhältnismäßig viele Schulklassen da. Habt
ihr damit gerechnet?
Klinger: Die Ausstellung kommt als nächstes nach Salzburg...
Klinger: Das war ja überhaupt nicht geplant, dass diese Ausstellung
so lange gezeigt wird. Sie war ja ursprünglich nur für Deutschland
und Wien konzipiert.
Klinger: Das Begleitprogramm ist in Wien vom Bundesministerium finanziert
worden. Von der Stadt Wien hat es nichts gegeben?
Kain: Gibt es eine weitere Zusammenarbeit mit dem Hamburger Institut?
Reinhard Kannonier ist Universitäts-Dozent am Institut für Neuere
Geschichte und Zeitgeschichte der Uni Linz, und Mitorganisator der Ausstellung
in Linz.