HILLINGERS EU-TAGEBUCH JÄNNER 1997


13. Dezember
Stellenweise Glatteis. Die Fahrt von Freistadt nach Urfahr überstanden. Die Arbeitswoche auch. In Freistadt gehts den arbeitslosen Frauen nicht besser als anderswo in Österreich. Das Arbeitsamt schickt sie in den Hindernislauf von Paragraph 10 - und NH -93 - Verordnungen. Als Alternativegibt es die Reservebank - geringfügige Beschäftigungen ohne jede soziale Absicherung oder die totale Abhängigkeit vom Mann; vorausgesetzt, es gibt einen "Meinigen" und dessen Lohn reicht aus, die ganze Familie durchzubringen. Die BetreuerInnen vom Arbeitsamt sind überfordert, die Verordnungen kommen aus dem Sozialministerium, die Controller schauen ihnen in ihre "KundInnen"-dateien, ob die eine oder der andere nicht schon zu lange im Rennen ist. Rund 40 Millionen Schilling zusätzlich kostet dem AMS das Sparpaket an zusätzlichem Verwaltungsaufwand. Soviel ist es der Regierung wert, 3000 Schilling - Bezieherinnen effizient aus den Bezügen zu drängen. Keine Betreuungsmöglichkeit für die Kinder? -Damit steht frau dem Arbeitsamt nicht zur Gänze zur Verfügung, das bedeutet so viel wie Arbeitsverweigerung. Dafür gibt es die rote Karte.
Die Arbeitswoche ist überstanden, das Hackeln für den hillinger nicht. Um halb zwei soll ich mich mit Erich Klinger in der Uni treffen, weil wir im zeitgeschichtlichen Institut einen Interviewtermin mit Reinhard Kannonier und Rudolf Ardelt haben. Ich bin zu früh dran und setze mich in die Mensa. Ob es mit der Globalisierung, mit der EU oder mit beidem zusammenhängt, daß das Christkind vom Weihnachtsmann verdrängt wird, weiß ich nicht. Jedenfalls stehen auch in der Mensa ein Weihnachtsmann, ein Reh ( oder ist es ein Ren? ) und Zwergerl. Alle wackeln mit den Köpfen und wünschen fröhliche Weihnachten. Mir fällt ein, daß ich noch immer nichts über die Euro - Bierflaschen geschrieben habe. Ich bin Weintrinkerin. Die Schlacht um die Erhaltung der Achterl und Vierterl steht noch bevor.
Erich kommt und sagt, daß der Termin verschoben werden muß. Die Organisatoren der Wehrmachtsausstellung sind wegen des großen Besucherandrangs total eingespannt. Wir bleiben noch ein bißchen sitzen und besprechen die weitere Vorgangsweise. Im Mensa - Cafe sind zwei Fernseher eingeschaltet. Es läuft der Sender Eurosport. Ein speed-skating aus Montreal soll übertragen werden, aber es gibt "a technical defect". Damit den Sportsfreunden nicht fad wird, zeigt Eurosport einen Zusammenschnitt verschiedener Sportunfälle. Schifahrer zerlegt es, Ralleyfahrer kommen funkensprühend auf dem Autodach daher, Radfahrer schrammen auf dem Asphalt dahin, ein Stürmer trifft statt dem Ball den Verteidiger am Kinn, daß es ihm den Kopf um 160 Grad nach hinten schleudert. Von links läuft ein Feldhase in ein Rennauto. Man sieht einen Blutsprühregen. Dann das ganze noch einmal in Zeitlupe. "Pfau" sagen die zusehenden Studenten am Nebentisch. Ich bin froh, daß ich weder verschüsselt noch verkabelt bin und nur zu allen heiligen Zeiten in der Mensa.
Wir fahren in die Kunsthochschule zur Ausstellung, um uns einen neuen Termin auszumachen. Im Foyer ist es gesteckt voll. Ein paar Tage vorher war ich schon einmal in der Ausstellung. Das stimmt nicht, daß die Wehrmacht an allen Verbrechen der Deutschen im Osten beteiligt war, sagte ein älterer Herr zu beim Eingang zu mir. Er war auch in der Wehrmacht und hat von allem nichts gewußt. Die Ausstellung ist einseitig, man muß auch die andere Seite kennen. Wenn er nichts gewußt hat, was will er mir dann sagen?

Am Hauptplatz ist jetzt Punschsaufen angesagt. Die meisten saufen und speiben angeblich für einen wohltätigen Zweck. In den nächsten Jahren werden sie noch um einiges mehr zu tun bekommen oder es trinken bereits andere für sie am Punschstandl. Im Passagekaufhaus sagt eine Verkäuferin zu einer Kundin:"Uns vergönnen sie keine Freizeit mehr".Ich nütze meine Freizeit, fahre heim und lese die Zeitungen der vergangen Woche. Nicht viel Neues. Im Parlament haben die Grünen eine dringliche Anfrage zum Thema Armut gemacht. Der Verteidigungsminister bekommt seine 215 Panzer. Kosten: Acht Milliarden Schilling. Kommissar Fischler sagt schon wieder, daß an der NATO kein Weg vorbeiführt.


JÄNNER 97


wir lesen hören schauen linz