"Im Krieg hab` ich auch keinen
Eintritt bezahlen müssen!"

(Ausrede eines Besuchers der Wehrmachtsausstellung, um sich vorm Zahlen zu drücken)

Beginnen wir doch auch in Österreich einen qualitativen Dialog zwischen den Generationen.


Über 14.000 BesucherInnen (darunter immerhin ca. 45 % Jugendliche, die vor allem dank der Aufmerksamkeit ihrer Lehrkörper in Klassen oder losen Grüppchen sich des medial angewärmten Themas annahmen) drängelten sich durch die kargen Räumlichkeiten des Kunsthochschul-Erdgeschosses und brachten dieser einen Monat dauernden Wanderausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung den Rekordbesuch auf ihrer bisherigen Reise durch Österreich und Deutschland.
Dank eben dieser medialen Überreizung blieben eben jene (spektakel-anfälligen?) BesucherInnen nicht aus. Doch mehrheitlich bereicherten am Thema/an Auseinandersetzung Interessierte und eher einsichtige "Zeit-ZeugInnen" - sprich zur historischen Kontroverse fähige Leute und die, die sich der Vergangenheit zu stellen bereit sind - das Geschehen.
Vorneweg, zur Erläuterung: ich hab` mich für dieses Monat, arbeitsbedingt, im Brennpunkt jener Ausstellung (& der Meinungen & der sogenannten "Zeitzeugen") bewegt und beobachtet und beobachtet. Nicht, so wie sonst üblich, wie ein Rohrspatz schimpfend durch die Gegend stapfend (naja, einige Ausnahmen gabs schon). Aus diesem Anlaß und weil mich einige BesucherInnen mit ihren Ansichten/Einstellungen sehr "faszinierten", will ich Euch meine Beobachtungen näherbringen. Denken wir doch mal nach...

Das eiserne Kreuz, das die Medien mit sich schleppen:
Die öffentlichen Subventionen, die für die "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht"-Ausstellung ausblieben und unter schwammigen PolitikerInnen-Mäntelchen, als Ausreden, gepackt wurden, werden im lapidaren Kommentar des Landeshaupt-Verdrängers Pühringers auf den Punkt gebracht : "Im konkreten Fall bin ich kein Freund von Förderungen." (Der Standard, 22.10.96). Und schon waren die Ratten aufgescheucht, bzw. die Grünen (in diesem Fall dankenswerterweise) mit einer löblichen Solidaritäts-(Baustein)-unterstützung in die Presche gesprungen.
Daß die national gesinnte Pühringer-Front immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert, ist allemal klar, ebenso wie heikle (sensibilisierte) Fragen zu einer (von den meisten nicht aufgearbeiteten) Vergangenheit, die von Pflichtbewußtsein durchdrungen war. Der Pflicht-Begriff kann nicht länger als Ausrede dienen.
Was sich auch in der Dialog-Bereitschaft, also nicht dem pauschalen Verurteilen, äußert. Die Haupt-Intention dieser Wehrmachts-Ausstellung ist es, aufzuklären, das Bild der "sauberen" Wehrmacht durch historisch erwiesene Schweinereien zu ersetzen. Da fällt mir Freund Konsalik ein. Er, Steigbügelhalter von soldatischem Heldentum & Verdrängungs-Phantasien (daher ebenfalls Zieh-Vater vom Mythos des sauberen Teutschen) hat rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft einen tollen neuen Roman "Die Ecstasy-Affaire" aus sich gekotzt. Bravo.

besucherPühringer, erst kürzlich zum Ehrenmitglied des oö. Kameradschaftsbundes ernannt, unterstützt den revisionistischen Common-Sense "Generationen-Konflikt-vertiefen", und bringt sein übliches "Ja - aber ohne Inhalte" (in "Die Furche" vom 14.11.96) unters "Volk":
"Nomen est Omen: Wir sind die Ober-Österreicher. ... sie (Anm. die Ausstellung) auch anders finanzierbar sein muß. Es geht um lächerliche Beträge." Unter dem Strich: Keine Finanzierung aus Angst, daß die Freiheitlichen daraus ein Thema machen könnten. Der LH besuchte die Ausstellung im Eiltempo - 35 Minuten - (der Streß & so), um, wie mein Eindruck war, durch die Schautafeln richtiggehend durchzublicken.
Heimat- und Traditionsbewußtsein zwingen manchen Loden-Träger zum erbarmungslosen Stein-Sein. Also die Geschichte vom Menschen, der zum Kiesel-Stein mutiert.

Die zusammengebundenen Kameraden:
Kriegsverharmlosung als Broterwerb oder der Kameradschafts-Bund. Natürlich. Sepp Kerschbaumer, Präsident des oö. K-Bundes, im Volksblatt vom 13.11.96: "Zeitgeistströmungen, die es erlauben, alle Soldaten als Mörder zu bezeichnen, sind für uns unakzeptabel."
In einem Brief des Kameradschaftsbundes zum Verhalten zur Ausstellung:
"A.5. Empfohlen wird, an Führungen durch die Ausstellung teilzunehmen & sich dabei sachlich-kritisch zu äußern (ist mit Erfolg erprobt worden), des weiteren möglichst viele sachlich-kritische Leserbriefe.
B.6. Soweit persönliche Verbindungen (...) zu örtlichen oder überörtlichen Presseorganen oder anderen Medien und auch zu Politikern bestehen, sollten diese genutzt werden, zu zusätzlichen Stellungsnahmen unter Verwendung des von uns angegebenen Infomaterial."
Hallo Freiheitliche!
Das klare Nein von ihnen manifestiert sich im Inserat (OÖN, 23.11.): "Pseudogeschichtlich - linksradikal - subventionsgierig: WerMacht Unfrieden. ... Viel Material aus Kommunisten-Schubladen ... " - wie gehabt. Ihr "klares Nein" als Ausgangs-Info für den Hobby-Historiker & Dauer-Verdränger (& bei Ihnen bestätigt). Politisches Kalkül allerorts.
Brave (Dauer)soldaten verteilen Flug-Zetteln (vor allem bei der vom selbsternannten Porno-Jäger Humer zu Beginn veranstalteten Gegen-Demo - mit rührendem Monolog über seine schwere Kindheit und ruhmreiche Zeit als Soldat "Österreichs"). "Soldaten machen und wollen keinen Krieg! (Anm. steht wirklich darauf !) Wir Soldaten verurteilen jeden Krieg. ... Ein zur Wehrmacht zugeteilter Soldat, zum angeblichen Kampf gegen die kommunistische Weltherrschaft." (Flugzettel)

Die Junge Freiheit (Rechtes Organ aus Berlin) unterstützt in gewohnter Manier den Kampf (31.10, Jürgen Hatzenbichler). Er spricht von der "Wanderausstellung, die die Generationen gegeneinander aufbringt", der "Political Corectness als mentale Grabschändung" (!!) und vom Krieg, der "an sich ein Verbrechen war, das interessiert da (Anm. während der Ausstellung) nicht mehr." 1000 Jahre Veteranenwesen.
OÖN-Chefredakteur Köppl spricht in einem Leitartikel von "Einseitigkeit" (wo er kollektive Schuldzuweisung ablehnt; vergißt aber gleichzeitig eine nicht-aufgearbeitete Gegenwart, ein nichtgefestigtes anti-faschistisches Verständnis) und gibt rechten Ansätzen böigen Wind. Ergo Uni-Professor Sandgruber, der von Fälschungsverdacht spricht und zu beschwichtigen versucht, wo es nur geht. Er begibt sich in eine Reihe mit Gerd Leitgeb (aus: Meine Meinung. Die ganze Woche. 11.12.96), der von einer unverständlichen Nazi-Hysterie in Österreich spricht.
Das Thema wird gestreckt, durchleuchtet wo es nur geht, von allen Winkeln attackiert, um Revisionisten Vorschub (in ihren Polemiken) zu gewähren. Wie der Verkehrssprecher der ÖVP, Kukacka (Volksblatt, 28.11), der von einer undifferenzierten Auseinandersetzung zu einem komplexen Thema spricht. Die Vorbereitung zum Verschleiern läuft ja wieder einmal auf Hochtouren! Diese Phalanx kann im Schleier der Mehrheit ihre Sicht der Dinge locker kompensieren.

Alle wollen alles dazu sagen.
Eine kritische Auseinandersetzung, die zu spät kommt. "40 Jahre zu spät", wie mir ein einsichtiger, über die Gigantonomie dieses Mord-Systems bestens unterrichteter ehemaliger Stalingrad-Kämpfer mitteilte. Der Dialog zwischen den Generationen, die durch dieses Kriegs-Dauer-Trauma tatsächlich um Welten (zumeist) getrennt sind, und wo eingefrorene Lügen lagern, scheint gerade jetzt, durch das Aufbrechen von Erinnerungen, eher möglich als zuvor.
Einiges ist ins Rollen gekommen, durch den Ansporn dieses Bildmaterials mit den historischen Fakten, doch stetes Nachsetzen scheint geboten. Mir scheint das Thema "Krieg, Nationalsozialismus, Mord, Rolle im System..." als meistdiskutiertes (zumindest in OÖ.) des Dezembers. Zur Diskussion zum Gemeinsamleben, Geheimnisse abbauen, usw.
Traurige Geschichten von der verlorenen Jugend, der Generation, die nicht lachen durfte, usw. ... Diesen Leuten gegenüber wirkt es, ich will fast sagen, zu brutal, ihnen ein "warum habt Ihr Euch nicht gewehrt, warum habt Ihr keinen Widerstand betrieben", entgegenzuschleudern. Diese Leute sehen ein, von einem übermächtigen System in den (systematischen) Wahnsinn getrieben worden zu sein. Manche schon seit jeher (doch ohnmächtig), viele erst seit dieser & jener Zeit. Die Wehrmachts-Ausstellung war wiedereinmal "jene" Zeit, auch wenn die Thematik der totale Vernichtungskrieg gegen ganze Völker und alle BewohnerInnen war. Viele Besucher der Ausstellung brachten nur mehr ein "so war es. Genau so." heraus. Doch sie bleiben in der Minderheit. Viele beschwichtigen, die meisten beschwichtigen mehr.

Eine Flut an LeserInnen-Briefen erreichte die Medien, allen voran die Linzer Rundschau (löblich, wie Walter Deil eine Diskussion vorantreibt), die sich veranlaßt fühlte, eine redaktionelle Klarstellung zu "Feige Briefschreiber schwärzen andere an - Sie verstecken sich hinter falschen Namen" zu veröffentlichen.
Toleranz? Diskussion - ja bitte.
Eine Leserbrief der anderen Art erreichte am 24.10.96 die Forums-Ecke der Linzer Rundschau, von einem gewissen Klaus Wallinger, SP-Kulturbeauftragter & Obmann des Kv Kino Ebensees : "Mehr Aufklärung & Kultur; ... setzt die Spö einen klaren Kontrapunkt: Für Aufklärung, Toleranz & Kultur im Bewußtsein sozialdemokratischer Inhalte." Das Frohlocken des Kapitals mit anti-faschistischem Panzer & Inhalte die staubig sind & bei allem Bemühen, überholt sind.

Aus dem Inneren von Adolfs Lieblingsstadt
Interessant ist auch die Rolle der mittleren Generation, die von ihren Eltern "damals" nichts erzählt bekam & jetzt ebenfalls in eine Verdrängerrolle (oder übersteigerte Eltern-Respekts-Rolle) schlüpft. Keine/r will erkennen, wie wichtig es ist, Tabus zu brechen.
Wo blieb wirklich der Widerstand (gegen das System, die Macht, autoritäre Systeme) - diese Frage taucht immer wieder aus den Tiefen meines eigenen Bewußtseins auf.
Beschimpfungen wie "kleiner Saujud"; angedrohte Bücherverbrennungen; sogar als "Neonazi" bezeichnet zu werden, da man nach rechten Verschwörungstheorien eines sichtlich verwirrten alten Mannes in einer von der SS finanzierten Ausstellung arbeitet oder von der Frech- und Unverfrorenheit im angestammten Alterswohnsitz Hitlers so etwas zu machen. Die Klasse der Ewig-Gestrigen.
Die hämische Frage: Muß ich hier mit Heil Hitler grüßen, oder die Fratze eines ehemaligen Gestapo-Killers, der lächelnd vor dem Foto eines gehängten Juden steht, lassen das Blut gefrieren.
Doch es gibt/gab auch die anderen. Die Menschen. Wie z.B.: die Bürgerliste Ohlsdorf, die, so blöd das jetzt klingen mag, zu einer Busfahrt zur Ausstellung geladen hat, um dann vororts über die Vergangenheit (den Krieg) und die Umstände, die dazu führten, zu reden. Zumindest hört man sich gegenseitig zu.

Detail am Rande: Über eine Bomben-Drohung gegen die Ausstellung wurde die Verantwortliche erst einen Tag später, durch Presseberichte aufmerksam. Die Polizei fand es nicht der Mühe wert davon - sofort - zu informieren, da die vermeintliche Bombe am Taubenmarkt explodieren sollte.
Interessant die Besuche einer Burschenschaftler-Gruppe, einer Bundesheer-Delegation und der Polizeiwachstube Altstadt (mit anschließender desillusionierter Diskussion, wen man heutzutage "auf der Flucht" erschießen darf), also den Werkzeugen der Macht (die Burschenschaftler natürlich nur im akademischen Bereich).
Wie sie, wenn das System wieder Richtung totalitär schwankt, zu den sogenannten "Kleinen" in einem Krieg werden & das vermeintliche Vaterland verteidigen. Ändern sich wirklich Sachen ins Bessere & lernen Leute aus Fehlern? Bereichernd war allemal der Besuch (mit Schüler-Diskussionen) des bekannten deutschen (Wehrmachts)deserteurs Ludwig Baumann.

Bei vielen ist die Verbissenheit sichtbar, das (vermeintliche) Unverständnis ihnen gegenüber, warum sie denn dabei waren. Der Wunsch nach dem Zuhören. Die Tendenz des Ablenkens von eigenen traumatischen Erfahrungen zu einem: "Schaut, was die anderen (mit uns) gemacht haben." Viele klammern sich an ein Etwas, sie versuchen verzweifelt Feindbildern (und seien es "nur" Partisanen) nachzulaufen. Die Dimension dieses Vernichtungskrieges, eines unerwünschten Aggressors bleibt unbeleuchtet. Die Gegenwart hat sie längst überrollt. Schade, daß es überhaupt erst einer solchen Ausstellung (die wahrlich furchteinflössend ist) bedarf, um aufmerksam zu machen & Bewußtseinsprozesse auszulösen. Eine bedrückend/beeindruckende Notiz aus dem Gästebuch zu dieser Ausstellung:
"Mein Vater, Kriegsteilnehmer, konnte oder wollte die vielen Fragen, die ich ihm stellte, nicht beantworten. Ich wußte nicht, warum er so oft geweint hatte. Vielleicht weiß ich es jetzt."

Die Generation "Groß/Eltern":
Von alten Leuten, die sich an dich klammern, um mit triefenden Pupillen zu erzählen, daß sie dazumals nicht so waren, wie diese auf kontrollosen Bahnen getriebenen Luftballone, ohne eigenes Gewissen. Das Weitergeben an eine jüngere Generation, die endlich einsehen soll, daß die Menschheit zu unterdrücken, mit was auch immer, nur zu Sackgassen führt. Daß der, der zusieht, der Verdammnis preisgegeben ist. Dort, wo sich das System in allen Bereichen die extremsten Kontroll-Mechanismen aneignete.
Meine Lernbatterien wurden von der Direktheit der flehenden Worte neu aufgeladen. Klarheit, wenn die bloß von mehreren kommen würde.
Gegenkulturen, und eine Wut gegen das System, das mit Lebensgefühl-Negieren arbeitet, aber stets an der Verbündung gegen das Grundübel dahinschmachtet. Fast alle, die in OÖ groß geworden sind, schleppen irgendwelche Zweifel, ihre Familie betreffend, mit sich herum. Reden wir doch darüber.
Mannian Christwell


JÄNNER 97


wir lesen hören schauen linz