SAMSTAG, MITTAGS

aus: Tanz in den Mai (Erzählung)
Rudolf Lasselsberger

Die Tür wird aufgestossen.
Wirtshaus, Durst! Deutsches Bier her!
Lachend setzen sich die drei an den Tisch unterm Fernseher, der im Eck oben hängt, gleich unterm Kruzifix.
Bedienung! befiehlt der mit dem Bundesheerkappl.
Immer mit der Ruhe, bin schon da! sagt Gerda.
Ja, nur keine jüdische Hast, Kamerad! sagt der fette
Rotgesichtige.
Franz und Ernst schauen sich an.
Drei Bier mit Korn! sagt der schmalgesichtige Bürstenhaarschnitt.
Kornblumen blau, intoniert Franz.
Jawoll! sagt der Fette.
Stillgestanden! sagt Franz.
Rührt euch! sagt Ernst.
Sie lachen laut.
Kameraden, da gibts nichts zu lachen! sagt der mit dem Bundesheerkappl.
Aber Lachen ist gesund! sagt Franz pikiert.
Gell, Schatzi? sagt er zu Ernst und schickt ihm ein Bussi über den Tisch.
Ernst läßt die Karten fallen und reibt sich das imaginäre Bussi von der Wange.
Schwule Sau! sagt das Fettgesicht.
Angenehm, Franz! sagt Franz.
Ernst lacht auf.
Gerda bringt die Getränke.
Gleich zahlen dann, schöne Maid! sagt der Bürstenhaarschnitt.
Ist auch gut so, sagt Ernst, während er die Karten mischt.
Auf eine deutsche Zukunft, Kameraden! sagt das
Fettgesicht.
Sie prosten und trinken.
Es lebe die Revolution! sagt Franz und trinkt auch.
Genau! sagt Ernst.
Gerda, bring uns noch zwei Viertel Rot! sagt er, wobei er Rot extra betont.
Kommunistenschwein! sagt das Fettgesicht.
Angenehm, Ernst! sagt Ernst.
Karin lacht laut auf.
Geh, Gerda, bring mir noch ein Bier, ein gutes
österreichisches! sagt sie.
Aufmüpfige Ostmark! sagt der Bürstenhaarschnitt.
Du nur Quark im Hirn, gö? sagt Karin.
Die deutsche Frau hat zu schweigen! sagt der Bürstenhaarschnitt.
Und zu gehorchen, ich weiß, sagt Karin, Kinderkriegen, Soldatenfutter! sagt sie.
Heil, Kameraden! sagt das Fettgesicht, dabei aufspringend und salutierend.
Wo haben sie denn diese Dillos ausgelassen? sagt
Andrea.
Franz nickt, fragen wir einmal, sagt er.
Seid ihr von Mauer? Oder vom Steinhof? Hm? sagt er.
Die drei schauen ihn wild an.
Nix verstehen? sagt Franz. Er buchstabiert: M,a,u,e,r.
Ratte! zischt der Bürstenhaarschnitt.
Ihr bissi plemplem? sagt Franz.
Das Fettgesicht springt plötzlich auf, ist mit einem Schritt bei Franz.
Schlägt ihm ins Gesicht, daß es schallt.
Blitzschnell ist Ernst aufgesprungen, reißt den zu sich herum und schlägt ihn mit einem Kinnhaken zu Boden.
Die zwei anderen springen ebenfalls auf.
Gerda stellt sich schnell dazwischen.
Seid ihr verrückt? Was soll der Blödsinn? Wenn nicht
sofort eine Ruhe ist, ruf ich die Polizei! sagt sie.
Das Fettgesicht steht auf.
Bewahrt Ruhe, Kameraden, die kommen schon noch in unsere Gasse! sagt er und setzt sich wieder.
Schert euch zum Teufel, Nazischweine! sagt Franz.
Und du gib auch eine Ruh! sagt Gerda.
Da hört sich doch der Spaß auf! sagt sie.
Richtig, sagt Franz. Ganz genau! sagt er.
Eine Ruhe ist jetzt! sagt sie.
Was willst du, der Franz hat recht! sagt Ernst.
Ich will nichts mehr hören!
Gerda zittert. Schnell geht sie in den Schankraum.
Ernst geht zu den dreien hin.
Die Herren wollen zahlen?
Zuerst trinken wir noch eine Runde! sagt das
Militärkappl.
Ernst schüttelt den Kopf.
Nein, für euch ist jetzt Sperrstund! sagt er.
Der Bürstenhaarschnitt will noch was sagen, aber Ernst schneidet ihm mit einer schnellen Handbewegung
das Wort im Mund ab.
Dort ist die Tür! sagt er ruhig.
Die drei schauen sich an, nicken sich zu, stehen auf und gehen langsam hinaus.
Das werdet ihr noch bereuen! sagt das Fettgesicht, noch einmal die Tür aufmachend.
Ernst deutet an, daß er hinspringen will.
Schnell fällt die Tür ins Schloß.
Feiger Hund! lacht Ernst.
Jetzt brauch ich aber einen Schnaps, sagt Franz.
Bringst uns eine Runde Stamperl? sagt Ernst in Richtung Schankraum. Vom Speziellen! sagt er.
Und du trinkst auch einen mit, Gerda! sagt Karin.
Und sowas läuft frei herum, sagt Franz kopfschüttelnd.
Jetzt beruhig dich wieder, sagt Karin.


Rudolf Lasselsberger

Geboren 1956 in Schlatten 8, Ruprechtshofen
Lebt in St. Leonhard am Forst und in Wien
Seit 1981 Mitglied der Grazer Autorenversammlung (GAV)
Seit 1983 freier Schriftsteller
1983 Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich,
Nachwuchsstipendium des BMfUK
1987/88 Linzer Geschichtenschreiber

Veröffentlichungen in:
"Geschichten aus der Arbeitswelt 2", Europaverlag 1984
"Heimat; Neue Erkundungen eines alten Themas",
hrsg. von Horst Bienek, C. Hanser-Verlag 1985
"Land/Frauen/Leben", Verlag Klaus Gasseleder, Bremen 1988
"Facetten `88", "Facetten `89", Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz
"Wespennest, 20 Jahre brauchbare Texte",
hrsg. von Gustav Ernst und Walter Famler, Europaverlag 1989.
"Rampe 1/91", "Rampe 2/93", Verlag Rudolf Trauner, Linz 1991 bzw. 1993
"Morgenschtean 15/93", ÖDA, Wien 1993
"Zwischenbilanz, 10 Jahre Linzer Frühling", Verlag Franz Steinmaßl 1995
sowie in anderen Zeitschriften, im ORF und im Bayerischen Rundfunk


JÄNNER 97


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