HILLINGERS EU-TAGEBUCH MÄRZ '97
4. Februar
Bereits am 12. Dezember sind Kohl und Chirac in Nürnberg
zusammengekommen und waren sich einig: Die EU soll Atommacht werden. Le
Monde hat das deutsch - französische Geheimkonzept zur militärischen
Zusammenarbeit veröffentlicht. "In Verwirklichung der verteidigungspolitischen
Perspektive des EU - Vertrages" sei "die WEU in die Europäische
Union überzuführen". Weiter: "Im Kontext dieser europäischen
Verteidigungspolitk" sind Kohl und Chirac bereit, "den Dialog
über die Rolle der nuklearen Abschreckung aufzunehmen". Die politische
Führung einer solchen EU - Armee liege beim Europäischen Rat.
Österreich wird in diesem Rat vom Außenminister vertreten. Der
heißt Schüssel.
5. Februar
Alarmierende Höchstwerte in der Arbeitslosenstatistik:
In der EU sind derzeit 20 Millionen Menschen arbeitslos, in Deutschland
4,7 Millionen, in Österreich 300.000 und in Oberösterreich 40.423.
6.Februar
Frauenministerin Prammer hat einen Importstopp für Gen-Kukurruz
verfügt. Das bedeutet folgendes: Der Importstopp gilt drei Monate,
in denen sich die EU-Kommission noch einmal mit der Zulassung dieser Pflanze
beschäftigen muß. Gelangt sie in dieser Zeit zu keinen neuen
wissenschaftlichen Erkenntnissen, behält sich die Kommission die Einleitung
eines Vertragsverletzungsverfahrens vor.
Greenpeace hat darauf hin gewiesen, daß in Österreich Öl
aus gentechnisch verändertem Soja bereits in Umlauf ist. Auch in einigen
Linzer Diskontern gibt es zur Zeit spottbilliges "Tafelöl"
in 10-Liter-Fässern. Meinl jedenfalls hat aus seinen Regalen die Fläschchen
einer steirischen Ölmühle geräumt, weil die ihr Öl
mit dem Technosojaöl versetzt hat. Unter der Telefonnummer 01/7130031-0
sagt Greenpeace, wo das Öl überall drin ist.
7. Februar.
Der neue EU-Staatsekretär Ruttensorfer will - nona - eine
Informationskampagne zur Einfrührung des Euro. Das Geld dazu will
er sich aus Brüssel holen. Ein Bier wird umgerechnet 1,93 Euro kosten.
Die Briten und die Schweden wollen den Euro nicht. Schweden wäre zwar
Maastricht -fit, aber, so Premierminister Persson, die Stimmung im Land
sei gegenüber der EU so negativ, daß im Parlament eine Mehrheit
für den Euro derzeit nicht vorstellbar ist. Premier Major wird seine
Euro-Aversion noch hinterfragen müssen. Schließlich hat Toyota-Chef
Hiroshi Okuda angedeutet, daß Toyota alle Investitionen in Großbritannien
stoppen wird, wenn das Land den Euro nicht mitträgt.
8.Februar
Ärger mit Cindy. Cindy ist ein BSE-Rind, das in Deutschland
geboren wurde. Einerseits. Anderseits ist es eine Zombie-Kuh, die sogar
einen Totenschein vorweisen kann. Damit sowas nicht noch einmal vorkommt,
will der deutsche Landwirtschaftsminister Borchert alle europäischen
Rinder per EDV erfassen lassen und mit fälschungssicheren Ohrenmarken
aus Mikrochips ausstatten. Allerdings ist der Schengener Zentralcomputer
bereits mit den Menschendaten völlig überlastet.
Und so funktioniert der Markt. Wegen dem BSE ist die Nachfrage nach Rindfleisch
in der EU gesunken. Weil aus Kälbern Rinder werden, hat die EU eine
Frühvermarktungsprämie ausgesetzt. Jetzt gibt es zuviel Kalbfleisch.
Das Kilo Lebendkalb brachte vor zwei Jahren noch 40 Schilling, heuer nur
mehr 25. 1.028 Schilling Schlachtprämie sollten diese Differenz wettmachen.
Keine Prämie erhalten übrigens die Direktvermarkter, die sich
noch nicht der an der Massentierhaltung orientierten EU-Hygieneverordnung
unterworfen haben.
10 Februar
Im BSE-Bericht des EU-Parlaments kriegt auch Fischler sein Fett
weg. Das Exportverbot von britischer Gelatine hat er trotz Abraten zahlreicher
EU-Ausschüsse aufgehoben. Auch Freund Voggi, der grüne Mann in
Strasbourg, Mitglied der Untersuchungskommission muß sich fragen:
"Ist die europäische Integration nicht längst zum Instrument
einer global organisierten Wirtschaft geworden statt zu einer demokratischen
politischen Kontrollmacht? Hat man nicht eine Tierseuche in Kauf genommen,
um die Wirtschafts- und Währungsunion nicht zu gefährden?"
Voggenhuber spricht Klartext: "So wurde zwischen Rat und Kommission
ein Netz von über 200 Ausschüssen gespannt. Sie tagen geheim.
Ihre Mitglieder sind nichtgewählt und niemandem verantwortlich. Davon
sind viele direkte Industrievertreter. In diesem gespenstischen Netz wird
die Politik der EU gebastelt, werden fernab von Öffentlichkeit und
Parlamenten Gesetze gemacht und Verwaltungsakte gesetzt."