"Dem
Dichterischen müßte sehr viel mehr
Aufmerksamkeit geschenkt werden,
aber dafür hat heutzutage niemand Zeit und Sinn"
DJUNA BARNES
Porträt einer Extravaganten
Geboren 1892 in Cornwall-on-Hudson, einem langweiligen Kaff in der Nähe
New Yorks, wächst Djuna Barnes ohne Schulbesuch in einer Familie mit
Hang zum Exzentrikertum auf. Die chaotischen Familienverhältnisse,
besonders die Beziehung zu ihrem Vater, sollte später immer wieder
in ihren Werken einfließen.
Mit 19 Jahren zieht sie in die New Yorker Bronx und beginnt sich der Malerei
zu widmen. Aber auch ihre schriftstellerische Laufbahn nimmt hier ihren
Ausgangspunkt. Regelmäßige journalistische Mitarbeit an Tageszeitungen
und Magazinen bestimmen diese Zeit. Angezogen vom Künstlerviertel Greenwich
Village, wo sie sich niederläßt, veröffentlicht sie auch
bald ihren ersten Gedichtband und versucht sich mit befreundeten Künstlern
in der Theaterszene (sie schreibt und spielt teilweise selber in den verfaßten
Stücken). Ihre Ehe mit dem Theaterkritiker Courtenay Lemon dauert nur
3 Jahre. Sie geht nach Paris und lernt Natalie Barney und ihren lesbischen
Kreis kennen. Trotz ihrer engen Freundschaft zu Natalie betont Djuna, daß
ihr Hang zu Frauen nicht im homosexuellen Bereich Bedeutung findet, vielmehr
ist sie ständig auf der Suche nach dem vollständig androgynen
Menschen. Dies betrifft auch ihre langjährige Beziehung mit Thelma
Wood.
Auch die Zahl an Liebhabern im Künstlerumfeld von Djuna spricht eher
für ein Zeitgeistgefühl der 20er/30er Jahre. Bisexualität,
Freud's Psychoanalyse, Leben und Kunst machen, Schreiben gegen die Engstirnigkeit
des Puritanismus, mit dem background "being genius together",
waren kennzeichnend für die in Paris lebenden Amerikaner.
Bereits in ihren journalistischen Beiträgen zeichnete sich ihr
ironischer, grotesker Stil ab, den sie als Gegenmittel zu ihrer melancholischen
Neigung einsetzte. Diese gipfelte in immer wiederkehrenden Alkohol- und
Drogenexzessen und endete zuletzt in Aufenthalten in psychiatrischen Sanatorien.
Durch ihre schreiberische Auseinandersetzung mit Frauenthema wurde sie gerne
ins Licht einer Feministin gerückt, jedoch sprach sie sich gegen diese
Etikettierung aus und betonte, daß es ihr ausgeprägter Individualismus
nicht erlauben würde, sich für eine bestimmte Bewegung aufzuopfern.
Vielmehr beschäftigte sie sich in ihrem Schreiben mit banalen Alltagsmenschen,
die sie literarisch und zeichnerisch porträtierte. Ihre satirischen
Romane sind umvölkert von Menschen aus unterschiedlichen historischen
Zeiten, die im Kontext zur Handlung den Leser oft zu verwirren scheinen.
Der flüchtige Leser wird nicht viel Freude an Djunas Texten finden,
und auch damals waren es "Kenner", die ihre Manuskripte verlegten.
Ohne der finanziellen Unterstützung durch Peggy Guggenheim hätte
sie ihr umfangreiches Werk wohl nicht zu Ende führen können.
Mit zunehmendem Alter zieht sie sich zurück. Gescheiterte Männer-
und Frauenbeziehungen überlassen die "berühmteste Unbekannte
ihrer Zeit", wie sie sich selbst bezeichnete, zurück in ihrer
Melancholie und der einzigen Zuflucht - dem Schreiben.
In der heutigen Literaturszene zur Kultfigur avanciert, zählt Djuna
Barnes meines Erachtens neben James Joyce nicht nur zur Mitbegründerin
der MODERNE, vielmehr war die 1982 verstorbene Künstlerin eine Frau,
die einen sehr konsequenten, wenn auch endlosen Weg ging...
...den der SUCHENDEN.
Literaturangaben:
Ladies Almanach (Wagenbach)
Nachtgewächs (Suhrkamp)
Ryder (Suhrkamp)
Solange es Frauen gibt, wie sollte da etwas vor die Hunde gehen? (Wagenbach)
Saturnalien (Fischer)
Verführer an allen Ecken und Enden (Wagenbach)
New York (Fischer)