KURZM
Andreas Vitasek Posthof Linz, 15.3.97
Vorneweg: vor gut zwei Monaten war Andreas Vitasek mit "Kurzzugende"
in einer Rundfunkübertragung (Kabarett direkt) aus Innsbruck zu hören
und - wenn ich die lautstark dominierenden schenkelklopfenden Idioten im
dortigen Publikum außer acht lasse - war ich damals mehr beeindruckt
als heute, nach dem unmittelbaren Erleben Vitasek's im Posthof. Ich habe
einen eindrucksvoll agierenden Komödianten, Gesichtsarbeiter und vor
allem auch Selbstdarsteller gesehen, der mit seinem -gesamt gesehen- niveauvollen,
aber eben doch auch mitunter ziemlich kommerzstichigen, merklich verfaulten
Programm teils spielerisch, teils schwer arbeitend zurecht kam. Gefallen
hat mir die minutiöse Beschreibung und Darstellung eines Menschen,
der sich in einem Aufzug der Nähe eines anderen, unbekannten und als
unangenehm empfundenen Menschen ausgesetzt fühlt. Einiges hängengeblieben
ist von seinem Ausflug in die Frühzeit künstlerischer Arbeit,
seinen Betrachtungen darüber, daß "ein Künstler nichts
anderes sei, als ein Mensch, der sein Scheitern, seine Unfähigkeit,
etwas Gescheites zu arbeiten, verkauft" - einschließlich darin
aufblitzender glaubwürdiger Selbstironie. Zwischendurch Momente der
Verspieltheit und Kindlichkeit - Eigenschaften, die ich bei derartigen Auftritten
durchaus zu schätzen weiß. Als selbst auf Bühnen spielende
Person fand ich es schade, daß Vitasek nach der Pause drei ansprechende
Programmpunkte durch seine Hastigkeit entwertete - Maggie, die Frau unter
dem Fußboden; Kochen für Ingeborg und auch diesen sehr persönlichen
Text für Andrea (eine anscheinend an Aids verstorbene Freundin), einige
Freizeitdeppen haben stellenweise sehr herzlich gelacht dabei, festgefressene
Blödheit kann durch nichts ersetzt werden. Nicht so deutlich zum Vorschein
kam für mich - im Gegensatz zur Radiosendung - der Mann auf der Bühne,
der den Mut besitzt - über Verbalwixereien hinaus - Ängste, Gelüste
und vor allem auch Gehässigkeiten auszuleben und ausgesprochen offen
zu sein. Kaum Gefallen fand ich an Vitasek's Ausflug in die Stätten
seiner Kindheit, das war mir zu semmeltrenzerisch; nicht verstanden habe
ich im "Komiker-Tribunal" den Übergang von der blonden Witzfigur
zu Schwulen, Juden usw.; die Begriffskette "Bumsen mit Gummi - alkoholfreies
Bier trinken - dritte Bremsleuchte", Abgesang eines Anfangsvierzigers
auf die goldenen Jahre vor der Seuche, kann ich bei freundlicher Betrachtung
als Ausrutscher eines Mannes, dem der Schwanz kurzfristig ins Hirn gewachsen
ist, werten - es war keine Provokation zu erkennen, sondern nur ein Sudern
darüber, daß es eben nicht mehr so leicht geht wie früher.
Vitasek's direkte politische Anspitzungen wiederzugeben, ist angesichts
des hillinger-Lesepublikums unnötig: gut formulierte und auch vorgebrachte
Statements über Wittmann bis hin zu den Freiheitlichen, ernst gemeint,
doch ohne Bewegungsspielraum. "Nur Tiere und Schlampen tragen Pelze",
von Vitasek aufgegriffen, endete nach der Zwischenfrage "ob nun auch
Schlampen unter Schutz zu stellen seien" bei der lapidaren Feststellung,
daß vor kurzem "Weltschlampentag" war. Auslegung freibleibend.
Erich Klinger
Elisabeth Ballet mit ihrer Installation "ZIP" Französische
Künstlerin im Offenen Kulturhaus
In der Serie von Einzelinstallationen im Offenen Kulturhaus, die während
der Umbauphase im großen Saal präsentiert werden, ist vom 5.
bis 30. April 1997 die Installation der französischen Künstlerin
Elisabeth Ballet (geb. 1957 in Cherbourg, lebt in Paris) zu sehen. Neben
vielbeachteten Einzelausstellungen in Frankreich, machten sie ihre Ausstellungsbeteiligungen
in Venedig (Biennale '88), Deutschland und Großbritannien bekannt.
Ihre Installation "Sugar Hiccup" 1996 in Großbritannien
wurde in der internationalen Kunstzeitschrift ARTFORUM als eine der besten
Ausstellungen 1996 in die Kritikerwertung aufgenommen. Das Offene Kulturhaus
zeigt erstmalig Elisabeth Ballets Arbeit in Österreich.
Ihre Installationen sind autonome und dennoch auf den spezifischen Raum
reagierende Skulpturen. Die Skulptur verhält sich bewußt zum
Raum, dessen Architektur sie nachspürt, ohne sie bloß nachzuzeichnen.
Elisabeth Ballet baut zwei, nach oben hin offene, Korridore im großen
Saal des Offenen Kulturhauses, die an beiden Fensterfronten entlang gehen.
Der vorgegebene Verlauf der Korridore macht den Zwischenraum und die beiden
Korridore als Skulptur erfahrbar. Die Raum-Skulptur Elisabeth Ballets löst
sich von der konkreten Architektur, folgt zwar deren Linien, doch behauptet
sie sich in Masse und Volumen durch ihr eigenes Dasein. Als solcher wird
der Raum durch die Skulptur definiert, auch als Um-Weg der Betrachtung -
als Barriere, als Versperrung.
Offenes Kulturhaus Linz Dametzstr. 30, A- 4020 Linz ACHTUNG geänderte
Öffnungszeiten: Mo geschl, Di-Fr: 16-20, Sa, So, Fei: 16-20
Sport als Labor des Heimatgefühls
Was Robert Menasse in seinem vorzüglichen Aufsatz zur Österreichischen
Identität "Das Land ohne Eigenschaften" auf politischer und
literarischer Ebene begonnen hatte, nämlich dem Wesen der österreichischen
Idenitität auf die Spur zu kommen, versuchen Johann Skocek und
Wolfgang Weisgram auf dem weiten Feld des Sports. Ein Unterfangen,
das so leicht nicht erfolgreich sein kann, denn dem Wesen eines "institutionalisierten
System(s) des Entweder-und-Oder" (Menasse) auf die Schliche zu kommen,
kann nur zum Scheitern führen. Abgesehen davon ist eine nationale Identitätssuche
ein äußerst zweifelhaftes Anliegen. Aber so umfassend und totalitär
ist der Anspruch der Autoren auch nicht. Sie entwickeln, mit stets ironischem
Unterton, anhand wichtiger sportlicher Ereignisse und bedeutsamer Sportlerbiographien
Mosaike des österreichischen Selbstbewußtseins, des Patriotismus,
der ja laut Burger der Nationalismus der ruhigeren Zeiten ist. Das Österreichische
Fußball-Wunderteam, die Dreifachsiege des Wedelkönigs Toni Sailers,
der Tod des Autorennfahrers Jochen Rindt, der Rausschmiß Karl Schranz'
von den Olympischen Spielen in Sapporo und dessen Empfang auf dem Wiener
Heldenplatz, um nur einige Beispiele zu nennen, sind die Ereignisse, die
die emotionale Grundausstattung der Österreicher zubereiten. Ein Heimatgefühl,
das vor allem den Konjunktiv als wesentliche Grundlage hat, was in der diesjährigen
Schisaison ja wieder eindringlich bewiesen wurde. Ein feines Buch, das die
ungeheuerlichen Auswirkungen des Sportfanatismus auf gesellschaftliche Zusammenhänge
bestens zeigt. "Das Labor Kitzbühel war hervorragend geeignet,
die Chemie des Heimatgefühls neu zu mischen", schreiben die Autoren,
was auch im übertragenen und verallgemeinerten Sinn seine Gültigkeit
hat. ff Johann Skocek, Wolfgang Weisgram: Wunderteam Österreich ­p;
Scheiberln, wedeln, glücklich sein; 224 S., Orac Verlag, Wien 1996