Zwischen Rückschritten und Aufbrüchen
Frauenleben und Frauenforderungen in Zeiten von Postfeminismus und
Frauenvolksbegehren.
Herta Härter
705.600 der Oberösterreicher sind Oberösterreicherinnen. Damit
stellen die Frauen auch in Oberösterreich mehr als die Hälfte
der Bevölkerung, sie haben aber nicht annähernd die Hälfte
der Macht, des Einflusses und des Geldes. Auf dem Papier haben Frauen gleiche
Rechte wie Männer, gleiche Chancen haben sie damit noch lange nicht.
Unter allen Berufstätigen befinden sich 42 Prozent Frauen. Keine schlechte
"Quote", möchte man meinen. Ein genauerer Blick zeigt aber,
daß die Sonnenseite des Arbeitsmarktes zumeist den Männern vorbehalten
ist. Frauen findet man auf den unteren und untersten Stufen der Karriereleiter.
Frauen stellen den Hauptteil der Arbeitskraft in jenen Berufen, die schlecht
bezahlt und wenig angesehen sind. Wobei es nicht nur so ist, daß die
Frauen - aus welchen Gründen auch immer - selbt dumm genug sind, ausgerechnet
in diese Berufe zu drängen. Oft verlieren Berufe Ansehen und "Geldwert"
erst, nachdem sie zu Frauenberufen geworden sind. Der Sekretär und
die Sekretärin können dafür ein Beispiel sein, ebenso wie
der Lehrberuf.
In gewisser
Weise geht es den Frauen so wie den Ausländern. Männer überlassen
ihnen jene Berufe, die sie selber nicht bekleiden wollen. Werden die Zeiten
schlechter und die begehrten Arbeitsplätze weniger oder zu wenig, müssen
sich die Frauen dafür auch noch beschimpfen lassen.
1995 gab es in Oberösterreich 2068 chemische Putzer, Wäscher und
Bügler. Doch das ist nur halb richtig. Denn eigentlich waren es chemische
Putzerinnen, Wäscherinnen und Büglerinnen. Kein Mann findet sich
in dieser Berufsgruppe. Warum wohl? Auch unter denen, die man landläufig
Putzfrauen nennt, findet sich kaum mal ein Putzmann. Daß die Statistik
für die Berufsgruppe "Gebäudereiniger" dennoch "nur"
einen Frauenanteil von 95,7 Prozent ausweist, liegt schlicht daran, daß
dazu auch die Rauchfangkehrer zählen.
Immerhin: Frauen haben vielleicht wenig begehrte und schlecht bezahlte Berufe,
aber sie haben welche, könnte man sagen. Wie lange noch? In Zeiten
der Rezession treffen die Auswirkungen der wirtschaftlichen Minderleistung
die Frauen zuerst. In Massen werden sie aus dem Arbeitsmarkt oder an den
Rand des Arbeitsmarktes (die vielgerühmte Teilzeit ist so ein Bumerang)
gedrängt.
These: Den Wert der Arbeit erkennt man am Einkommen.
Antithese: Das durchschnittliche Einkommen der oberösterreichischen
Männer liegt 39 Prozent über dem der Frauen. Wobei Bildung für
Frauen mehr das ist, was für einen Hamster ein Laufrad ist, denn eine
Chance. Bildung ist für Frauen kein Ausweg aus dieser Ungleichberechtigung.
Eine Frau mit Universitätsabschluß verdient im Durchschnitt in
Oberösterreich weniger als ein Mann mit berufsbildender mittlerer Schule,
also ohne Matura. Die Statistik zeigt: Wie gut ausgebildet Frauen auch immer
sind, sie können auf der Einkommenstreppe immer nur schlechter qualifizierte
Frauen überholen, nie aber gleich oder sogar schlechter qualifizierte
Männer.
These: Was einer im Leben geleistet hat, läßt sich an der
Höhe seiner Pension ablesen.
Antithese: Die Alterspension liegt im Durchschnitt bei Männern
um 77 Prozent höher als bei Frauen. Die Armut ist weiblich. Was kann
man dagegen tun?
Die ärmliche deutsche Sprache ist vor einigen Jahren um ein Wort reicher
geworden: Postfeminismus! Männer sagen Postfeminismus und meinen: Endlich
geht diesen widerlichen Emanzen die Luft aus, endlich gibt es wieder Frauen,
die Kinder kriegen, fürsorgen, kochen wollen, für die eine starke
Schulter etwas anders ist als eine Fußangel. Was wollten die Frauen
auch noch, gleiche Rechte haben sie ja schon (siehe oben). Frauen sagen
Postfeminismus und meinen: Die Zeiten werden härter, der Wind wird
rauher. Da kommt eine Generation von jungen Frauen nach, für die wirklich
vieles, was ihre Großmütter und Mütter erkämpft haben,
selbstverständlich ist: der Zugang zu Universitäten, das Wahlrecht
und noch viele viel weniger protzige Dinge.
Wer heute von Gleichberechtigung redet, läuft schnell Gefahr zu nerven.
Es gibt scheinbar wichtigeres, das unter den männlichen Fingernägeln
der Entscheidungsträger nicht nur in diesem Land brennt. Genervt sind
aber auch die Frauen, daß sie gleiche Rechte und gleiche Chancen noch
immer einfordern müssen. Eine Studie besagt, daß es, wenn die
Emanzipation mit dem gegenwärtigen Tempo weiter voranschreitet, noch
475 Jahre dauern wird, bis Frauen tatsächlich den Männern gleich
gestellt sind.
Das ist vielleicht ein klein bißchen lange. Deshalb gibt es jetzt
in Österreich ein Frauenvolksbegehren. Jede Unterschrift, die in der
Eintragungswoche vom 7. bis 14. April geleistet wird, kann diese Zeitspanne
verkürzen. Ganz viele Unterschriften - auch von Männern - bedeuten
vielleicht, daß auch wir noch erleben werden, daß Frauen nicht
mehr das "minderbemittelte" Geschlecht sind.
(Alle Zahlen - ausgenommen die 475 Jahre - sind dem Oberösterreichischen
Frauenbericht, erstellt von der Abteilung Statistischer Dienst des Amtes
der oö. Landesregierung, entnommen.)