Andreas Kump
Natürlich: Das ist ein freies Land, demnach sei jeder der Vollidiot,
der er zu sein für nötig hält. Nach neunundzwanzig Sommer
Erdenbürgertums wundert einen da wenig. Mit etwas Großzügigkeit
läßt sich eben vieles, einiges und mehr ertragen. Zwar wird
es (Schock! Horror! Bravo TV! Zivilisationspessimismus!) einem nicht egal,
aber mit etwas Schläfenmassage schlingert der Kopf durch sämtliche
gesundheitsgefährdenden Untiefen des Alltags. Leider befällt
das oben beschworene Erdenbürgertum allerdings nur bedingt auf die
Bewohner des Schnitzelerlebnisparks zurück. Gegen (populär-)kulturelle
Vorgänge jenseits des Tellerrandes (Schnitzel again!) ist man ja bekanntlich
resistent, und darauf auch stolz. Wesshalb sich etablierte Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens gerne in den Bundesforst, der früher
noch Wald hieß, schleichen, um dort an einer groben Humorkeule zu
schnitzen. Das sollten sie nicht tun, aber es hält sie eben niemand
auf. Außer sie fahren Mountainbike. Huga.
Die
allergrößte Talenteschmiede österreichischen Humors
ist die Maturazeitung, gleichsam das der Maturazeitung vorgelagerte Gymnasium.
Gäbe es kein Gymnasium, kein Laienschauspiel an langen Schulschikursabenden,
kein nasales Tintengespritze, kein Medien-Coming out mittels Maturazeitung,
würden nicht Dutzende Untalente des komischen Fachs mit ihrem lustigen
Gwigwi den gesamten Planeten zum Klassenzimmer erheben. Davor ist offensichtlich
nicht jeder gefeit. Selbst mein Freund Jochen labte sich unlängst
an einem Sack Vignettenman-Weingummi der Firma Haribo. (Gut, uns hatte
es nach Wiener Neustadt verschlagen, aber ist das eine Entschuldigung?)
Vielleicht hätte ich erste, bedenkliche Anwandlungen in der berufsbedingt
aufgezwungenen Kollegenschaft doch ernst nehmen sollen.
Übersteuerte Ausrufe aus den Schlünden von Menschen, die gestern
noch als seriöse Zeitgenossen ihre Bildschirme in die Bürowand
starrten, erinnerten mich zwar an das Gekreische der Außerirdischen
im Film "Die Körperfresser" (mit Donald Sutherland), aber
so ein Arbeitstag produziert des öfteren seltsame Reaktionen. Leider
bewahrheitete sich meine erste Einschätzung nicht. Selbst vor dem
Kühlregal im Merkur-Supermarkt belauschte ich den Dialog eines Pärchens,
das sich selbst als Schurke und Schurkin titulierte. Dabei ging es doch
nur um die Fruchtsorte eines Joghurts. Seltsam. Mit der Zeit kam ich den
Vorgängen auf die Schliche.
Es handelte sich dabei um die neuesten Anwandlungen des eingangs beschriebenen
Mißverständnisses. Aber schlechte Witze geraten nicht besser,
wenn sie von hauptberuflichen Klassensprechern heruntergedodelt werden.
Irgendwelche Vertreter dieses bemitleidenswerten Menschenschlags (Die Hektiker,
Oliver Baier, vegetarische Fleischhauer, Bäcker, die kein Salzstangerl
formen können) implantieren jeden Morgen via Radio Gymnasialphrasen
in die reizüberfluteten Hutständer dankbarer Rhesusäffchen.
Der Himmel weinte tagelang Tränen. Ich stand in der Küche und
schnitt Zwiebeln. Während sich Graue Panther von hinten heranschlichen,
um mich einer "Schurkerei" zu überführen. (Dies sollte
demonstrieren, daß der Zug der Zeit noch nicht abgefahren sei. Naja,
wer noch unter dem Kaiser zur Welt kam )
Viel bedenklicher erlebte ich einen Stammtisch solariumbrauner Einheimischer
in Altaussee. Zuerst störten sie mir den Verzehr einer Fritattensuppe
mit Bauchwehwitzen, ehe sich die verschwitzte, bemühte, von unerklärlichen
Lachanfällen begleitete Heiterkeit in dem Kampfschrei "Ha, ha!
Schurrrke!" entlud. Ich zahlte und ging.
Beispiele dieser Art ließen sich jetzt munter fortsetzen, aber mittlerweile
stehe ich wieder über den Dingen. Der Vignettenman erfüllt mir
jetzt eine Detektorfunktion. Amüsiert sich jemand in meiner Gegenwart
über diese gestauchte Unlustigkeit, zeigt das der Detektor sofort
an, eine Falltür tut sich auf, und Krokodile treiben dem Humorbewegten
Lachen & Leben aus. Einstweilen reinige ich mich mit der Beaugapfelung
einiger Folgen von Monty
Python's Flying Circus, spiele mit freudiger Unart eine Helge Schneider-CD
ab, werfe die Reste von Jochens Weingummipackung in einen Kübel Wasser.
Letzteres sollten sie auch tun. Nach ein paar Stunden würden Ihnen
deformierte Weingummimonster klarmachen, was genau da vorgesetzt wird.