Udo Danielczyk

Lustbarkeiten ohne Ende

Heute, am 26. Juni 1997, war ich wieder im Gemeinderat. Von kurz nach 10 bis fast um 3. Als Zuschauer/Hörer, natürlich. Weil heute über die "Novellierung der Lustbarkeitsabgabeordnung der Stadt Linz" abgestimmt wurde (Punkt G 2 auf der Tagesordnung).
Eigentlich gibt es ja Spannenderes im Leben, als sich sowas 'reinzuziehen, aber nachdem ich schon die letzten paar Tage damit verbracht habe, diese Novellierung zu meinen, sprich KAPU's Gunsten zu verändern, wollte ich halt wissen, wie's ausgeht. Das wird mir noch zum unliebsamen Hobby werden, daß ich mir GR-Sitzungen anschaue, aber dauernd wollen sie über etwas abstimmen, was mich betrifft, was für mein Leben, besser für mein Kulturaktivistentum hier in der KAPU wichtig ist.

Ach ja, daß ich mich noch kurz vorstelle: Danielczyk Udo ist mein Name (oder offiziell: Rudolf), ich bin der Obmann des KV KAPU, und somit irgendwie Herausgeber des hillinger, auch Redaktionsmitglied, und auch der Wahnsinnige, der trotz allem noch immer dieses Heft jeden Monat produziert.
Nebenbei versuche ich noch, als Vorstandsmitglied der KUPF, Rahmenbedingungen für Kulturvereine, - initiativen und -aktivisten zu verbessern. Noch nebenbeier habe ich gerade eine Kulturmanagementausbildung beendet, aber noch nicht abgeschlossen; am nebenbeisten bin ich auch noch als Photograph selbständig; und das Privatleben quetsche ich rein, wo immer es Platz findet.).

Kulturaktivismus: darum geht's mir ja eigentlich, und um Kulturarbeit. Die passiert aber (leider) innerhalb von Rahmenbedingungen, die irgendwer vorgibt. (Meistens die falschen halt. So kommt's mir besonders heute wieder vor.) Aber zurück zum eigentlichen Thema: Die Lustbarkeitsabgabenverordnung der Stadt Linz.
Und gleich ein Exkurs: Lustbarkeitsabgabenverordnungen sind Kommunalverordnungen, die in innerhalb der Lustbarkeitsabgabegesetze des jeweiligen Landes von den Gemeinden gemacht und angewandt, sprich kassiert werden. Die Linzer (und die oö.) Fassung davon stammen in den Grundzügen aus den 50ern, also aus einer Zeit, die schon ziemlich anders war als die heutige, besonders was (Kultur-)Veranstaltungen, Freizeitverhalten und -angebot angeht. Eine etwas antiquierte Sache halt. Kassiert werden soll bei allem, was das gemeine Volk so belustigt: Tanzveranstaltungen, Bälle, Konzerte, Theater, Kino, Und Ausnahmen - Verzeihung: Befreiungstatbestände (sic!) - gibt's auch zuhauf: Für alles, was mit Religion und -sgemeinschaften zu tun hat, für Wissenschaft, für Jugendpflege(!), für von Gebietskörperschaften subventionierte Veranstaltungen, und natürlich auch für Kultur (siehe § 3 der Verordnung). Nur halt nicht für die Veranstaltungen der KAPU.

Wieder ein kleiner Exkurs, diesmal in die Vergangenheit: Bis ins Jahr 1993 war diese ganze dumme Sache kein Thema für die KAPU. Wir haben viele und gute und gutbesuchte Veranstaltungen gemacht, wurden von Stadt/Land/Bund subventioniert wie alle anderen auch, Dann folgte der Hausumbau (KAPU Unterwegs - you remember?), und der Wiedereinzug in unsere heißgeliebte KAPU im Herbst '93: Gute Gigs, viele Leute, viel Spaß.
Und dann auf einmal, so im Frühjahr '94, die ersten Vorschreibungen über die Lustbarkeitsabgabe, natürlich gleich rückwirkend ab dem Wiedereinzug in die KAPU.
Irgendwer muß da wohl dem Finanzrechts- und Steueramt der Stadt Linz den Auftrag erteilt haben, Geld einzutreiben, wo & wie auch immer. DC läßt grüßen? (DC ist in dem Fall nicht die legendäre Ostküstenstadt, sondern der Glasbetonhaufen am Europaplatz in Linz). Danach folgt eine lange Zeit mit vielen verschiedenen Lösungsversuchen, damit die KAPU die Abgabe nicht zu bezahlen hat, die aber alle früher oder später scheitern:

Also geht das ganze Theater wieder von vorne los, und irgendwie muß jetzt eine endgültige Lösung her, in Form einer generellen Befreiung der KAPU.
Also Gespräch mit Kulturstadtrat Dyk und dem KuAmt (Höllersberger) bei einem dieser Kulturvereinsgespräche (im AEC, April '97): Alle wären sich dieser Problematik bewußt, alle arbeiteten an einer Lösung des Problems, bis im Sommer sollte das alles vom Tisch sein. Auf meinen Vorschlag, die Verordnung zu novellieren und einen Passus reinzunehmen, der automatisch alle Kulturvereine von der Abgabe befreit, meinen Dyk und Höllersberger unisono, daß es dafür keine Mehrheit gäbe.
Also wieder einmal Berufung gegen jeden Lustbarkeitsbescheid, was aber leider keine aufschiebende Wirkung hat.
Also wieder einmal Ansuchen um generelle Befreiung. Gründe - Verzeihung: Befreiungstatbestände - gäbe es ja genug, glaubt mensch als unbedachter Kulturaktivist in Kenntnis des § 3: Jugendpflege, Kulturpflege, Und sogar das Land OÖ hat - im Jahre 1993 schon - eine offizielle Empfehlung herausgegen, vom Land subventionierte Vereine aufgrund dieses § 3 zu befreien, "da das Land ohnehin nur gemeinnützige Vereine unterstützt." Funktioniert in ganz OÖ, mit Ausnahme von Linz und St. Martin /Innkreis (glaube ich) - aber die haben einenblauen Bürgermeister ...

Und dann läßt der Dobusch Franzi, Bürgermeister und Finanzreferent hier in Linz, in einer Pressekonferenz vom 5. Juni die Katze aus dem Sack: Die Lustbarkeitsabgabenverordnung wird novelliert!!!! Um "den Anforderungen eines modernen Veranstaltungsbetriebes" zu entsprechen. So soll die Abgabe für Konzerte (und vieles andere mehr) generell fallen, dafür Peep-Shows höher/überhaupt besteuert werden. Klingt ja super, denkt mensch sich und freut sich schon, daß der ganze Wahnsinn endlich ausgestanden wäre.
Aber neugierig (und auch etwas mißtrauisch) wie ich bin, besorge ich mir eine Woche vor der Gemeinderatssitzung ein Exemplar des (magistratsinternen??) Amtsberichtes zur geplanten Novellierung und ackere das Ding durch. Entdecke aber nirgendwo (sollte eigentlich im berühmten § 3 "Abgabefreie Veranstaltungen" stehen) einen Satz, der darauf hinweist, daß Konzertveranstalter (ob jetzt kommerziell oder nicht) generell befreit werden sollen. Der erste Hinweis auf Befreiungen findet sich im § 10 "Diverse Veranstaltungen bei Kartenabgabe", Absatz 2 (Kartenabgabe bei Konzerten, Theater, Vorträgen): abgabefrei statt bisher 20 bzw. 15%.
Aber halt nur bei Kartenverkauf, der in den §§ 11-13 geregelt ist, die aber nicht novelliert werden sollen und sinngemäß besagen, daß der Veranstalter die durchnumerierten Karten vor und nach der Veranstaltung vom Magistrat kontrollieren/abzählen/abstempeln und sonst noch was muß. Was ja solange einen Sinn macht, wenn das Magistrat dann kassiert. Aber wozu jetzt noch?? Und außerdem bedeutet das (neben den Kosten für die Karten) einen Organisationsaufwand von 2 Stunden pro Veranstaltung. Das wären bei den gut 50 Veranstaltungen, die die KAPU so im Jahr macht, über 100 Arbeitsstunden oder mehr als zweieinhalb ganze Arbeitswochen.
Aber das betrifft uns ja gar nicht, wir haben ja bekanntlicherweise einen Stempel statt den Karten (siehe Verwaltungsaufwand), bei uns wurde das also nach § 15 "Genereller Pauschalabgabesatz" berechnet: früher waren das 25% der voraussichtlichen oder festgestellten Roheinnahmen. Und nach der Novellierung sind es NUR MEHR 15%. Oder eher: IMMER NOCH 15%.
Also noch einmal im Klartext: für große und natürlich auch für kommerziell orientierte Veranstalter fällt die Abgabe (nicht aber der Verwaltungsaufwand für Veranstalter und Magistrat). Die kleinen, gemeinnützigen und nicht gewinn-orientierten Veranstalter, denen einerseits kulturelle Wert- und Wichtigkeit in Form von Subventionen zuerkannt wird, scheißt's auf der anderen Seite gewaltigst 'rein, die sollen ruhig weiter blechen, die haben ja auch keine Lobby.

Das war am Donnerstag, dem 19. Juni. Den Freitag vormittag habe ich irgendwo zwischen Telefon und Fax verbracht, habe alle betroffenen Stellen (Dyk, KuAmt, Dobusch via Sekretär Bauernfeind) von meinen Bedenken informiert und - wieder einmal - vorgeschlagen, diesen 3er Paragraphen um eine generelle Befreiung aller subventionierten Vereine zu erweitern. Nebenbei Beginn von Lobbyingarbeit: Infos an KUPF, KuAmt und Grüne. Noch nebenbeier KUPF-Zeitung fertig layouten. Am nebenbeisten wieder mal das Privatleben.
Ab Montag/Dienstag dann halt weiter Infos schreiben/verschicken, verzweifelt alle überzeugen wollen, daß das so nicht passieren darf. Dyk ist auf meiner Seite, meint daß man merkt, daß das KuAmt nicht einmal zu dieser Novellierung befragt wurde. Die wissen auch wirklich nix, wollen mich auf eine Info-Veranstaltung am 3. Juli vertrösten.
Dobusch will alles lassen wie es ist. Laut Auskunft von Sekretär Bauernfeind, will er halt nicht SEINE Novellierung noch vor/bei der Abstimmung ändern. Sowas schaut halt nicht gut aus. Aber man könne vielleicht in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen
Diese Info wieder zurück an Dyk (schwer zu erwischen am Telefon, aber mit der nettesten, bemühtesten Sekretärin ever. An dieser Stelle: Danke für die Geduld, Frau Sonnleitner!), und auch an die Grünen. Mittwoch nachmittags noch ein letztes Notruf-Rundfax an alle Stadträte (mit Ausnahme des Blauen), die Grünen und auch an Mensch&Natur (ist auch eine Gemeinderatsfraktion). Bringe noch in Erfahrung, daß Dyk einen Änderungsantrag einbringen will.

Und dann der große Showdown, im halbfertigen "neu-revitalisierten Alten Rathaus" (wie sie's nennen). Treffe den KuAmtsdirektor Janko und erfahre, daß Jürgen Himmelbauer von den Grünen meinen Abänderungsantrag zum 3er Paragraphen einbringen wird. Dann langes Warten (Diskussionen zu Rechnungsabschlüssen und Umfahrungsstraßen dauern ziemlich lange; die Keppeleien zwischen Bürgermeister Dobusch und dem schwarzen Vize Blöchl auch, sind aber unterhaltsamer).
Um zwei Uhr dann geht's los: Dobusch berichtet von der Novellierung, erwähnt gleich eingangs, daß es Kulturvereine gibt, die Änderungen wünschen. Einige Abgeordnete haben meine Aussendung (mit dickem schwarzen KAPU- und auch KUPF-Logo) vor sich. Die F-ler schirgeln zu den Schwarzen rüber: Wos is des?? warum hob i des net??
Himmelbauer bringt wirklich "meinen" Antrag ein, Dyk schimpft Dobusch wegen Nicht-Einbindung seines Kulturressorts und unterstützt sinngemäß Himmelbauers Antrag. Sonstige schwarze Wortmeldungen folgen, gespickt mit Zusatz- und Abänderungsanträgen. Die werden in der Folge alle abgelehnt, da ansonsten die ganze Novellierung verschoben werden müsste.
Über meinen/Himmelbauers Antrag wird (mir unerklärlicherweise) nicht abgestimmt, der wird vom Dobusch an den Finanzausschuss zur Prüfung verwiesen.
Wann der allerdings wieder tagt/sitzt, weiß noch niemand. Vor den Wahlen im Herbst jedenfalls nicht

Schnell raus aus dem Saal zum Luftschnappen (drin geht wohl die Lüftung noch nicht), noch kurz mit Dyk und Himmelbauer in der Cafeteria gesmalltalkt/fachgesimpelt: Wäre ja ein gutes Resultat ... Mehr war realistischerweise nicht zu erwarten ... Immerhin Problembewußtsein im Gemeinderat geschaffen ... Wahrscheinlich werde die KAPU inzwischen ohnehin von der Abgabe befreit ... Gegenseitige Beteuerungen, in Kontakt und an der Sache zu bleiben ...

Schnell raus aus dem neuen alten Rathaus, zurück in die normale Welt, in die - wie's der Rainer Krispel sagen würde - "wirkliche Wirklichkeit".


Sommer 97

wir lesen hören schauen linz