Andreas Kump
Unten am Linzer Hafen, auf der Landzunge, die Donau und Handelsbecken voneinander trennt, steht ein letztes Haus. Dessen früherer Verwendungszweck, so er nicht in den Rechen der Flußkraftwerke hängenblieb, schwimmt mindestens schon im Schwarzen Meer. Vor knapp einem Jahr mietete sich aber das Künstlerkollektiv Time`s Up in den aufgegebenen Räumlichkeiten ein, um darin seine Labors zu errichten. Seither heißt dort die Küche Kombüse und am Kapitänstisch wird über Schiffe, Piraterie und Biomechanik nachgedacht. Offensichtlich profitiert die internationale Besatzung von der einmaligen Atmosphäre der Halbinsel.
Hinter Time`s Up stehen in erster Linie Tina Auer, Just Merrit und Dr. Tim Boykett, was für Eingeweihte sofort einen Bezug zum Schrottplatz in der VÖEST und dem Projekt Contained herstellt. Aber die fünf Jahre am Areal des Stahlwerks sind abgedient, die monumentale, industrielle Kultur überwunden, und überhaupt habe sich Merrit am Ende so gefühlt, als trete er selbst jeden Tag zur Schicht an. Ein Orts- und Themenwechsel lag also nahe, während die tonnenschwere, stählerne Vergangenheit nun am Schrottplatz langsam vor sich hin rostet.
Am Linzer Hafen hat somit das postindustrielle Zeitalter begonnen. Time`s
Up sieht sich einer Dienstleistungsgesellschaft ausgesetzt, also wird ab
sofort der „öffentliche Mensch in Alltagssituationen“ erforscht. Zu
diesem Unterfangen segelt das Künstlerkollektiv unter einer alten
Piratenflagge. In früheren Jahrhunderten symbolisierte die durch Balken
dargestellte Sanduhr nämlich die abgelaufene Zeit des Gegners. Wasser
hat zwar keine Balken, aber erlaubt Assoziationen bezüglich der eigenen
Adresse. Deshalb versteht man Time`s Up unter Hafen auch Umschlagplatz.
Hier findet sich alles wieder. Verlorengegangene Ideologien tauchen als
Flaschenpost auf, Wrackteile treiben vorbei, verfälschte Informationen
von fernen Küsten langen ein. Laufend findet der interessierte Künstler
Situationen vor, die seiner Interpretation bedürfen. Soviel zum geographischen
und historischen Rüstzeug von Time`s Up.
Von
Merrit mitgetragene Projekte zeichneten sich in der Vergangenheit stets
durch konkreten Bezug, örtlichen Zusammenhang und eine eigens dafür
adaptierte Ästhetik aus. Detailverliebtheit ergänzte sich mit
dem gewissen Pop-Know How. Dies brachte einerseits Einladungen zu internationalen
Festivals mit sich, andererseits war man auch schnell mit anderen Künstlern
vernetzt. Prominenteste Beispiele: Matt Heckert (Mechanical Sound Orchestra),
einer der diesjährigen Prix-Ars Electronica-Gewinner, mit dem Time`s
Up erst im April bei einem französischen Festival kolaborierte, oder
die Kanadierin Laura Kikauka.
Derzeit werden in den Labors von Time`s Up Sonderschichten eingelegt. Auch diesmal weist die Konstruktion der sogenannten Situations-Apparate eindeutig ins Populäre. Diese Apparaturen sollen als medienüberschreitende Installation im Rahmen der Ars Electronica der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie basieren auf der „Theory Of Hypercompetition“ von Dr. Tim Boykett. Wobei wir an dieser Stelle aber das Konzeptionelle gleich wieder verlassen, um uns den spielerischen Komponenten anzubiedern. Unter dem Titel „An Evening Spent In A Hypercompetitive State Of Mind“ können Interessierte von 9. bis 12. September ihre Körper neu wahrnehmen und dabei einen Schnellsiederkurs in Biomechanik belegen. Hilfestellung liefern die in ihrer Funktion schwer zu beschreibenden Trainingsgeräte. Die erste Lektion beginnt bereits im Eingangsbereich. Am Hinterkopf wird eine Kamera montiert, die Bilder für eine Brille liefert. Eine visuelle Wahrnehmung hat also richtungsverkehrt stattzufinden, die Rückwärts- wird zur Vorwärtsbewegung! Wer davon schon geschlaucht ist, kann sich dann auf einer Tonmassagebank von Baßfrequenzen durchkneten lassen, bevor er mit zwei Kontrahenten an der Bar um ein Dosenbier wettzuradeln hat. Bestes Entertainment verspricht auch der „Grand Stand“, eine Mischung aus Tour de France und Autorennen der ersten Computerspielgeneration. Wer sich vor dem Training intensiver mit der hier nur angedeuten Theorie der Hypercompetition auseinandersetzen will, der kann sich anhand der Homepage von Time`s Up (http://www.timesup.org) diesbezügliches Wissen aneignen oder sich telefonisch von den zuständigen Coaches individuelle Trainingspläne erstellen lassen. (Tel.: 0732/787804) In Zeiten des intensiven Wettbewerbs sollten sie jede Gelegenheit nutzen, sich ihrer Leistungsfähigkeit zu versichern.
An Evening Spent In a Hypercompetitive State Of Mind
Spielfeld: Köglstraße 10
Turnierdauer: 9.-12 September
Trainingseinheiten: tgl. 13-15 Uhr
Spielbeginn: tgl. 19 Uhr, Spielende: ca. 24 Uhr
Kontakt: Time´s Up