Ivan Sardi

GASTARBEITER- BERATUNG

Das Sparpaket und die Folgen

Mit dem 01. 05. 1996 (dem Tag der Arbeit/erInnen!) ist das Strukturanpassungsgesetz in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz möchte die Bundesregierung das Budget für die Jahre 1996 und 1997 konsolidieren und es wurden Reformen in den Bereichen Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung vorgenommen, ebenso Änderungen bzw. Streichungen, die vor allem Familien mit Kindern betreffen, wie z. B. Karezurlaubsgeld, Sondernotstandshilfe, Karenzurlaubszuschuß, Familienbeihilfe, Entfall der Geburtenbeihilfe, Kleinkinderbeihilfe, Kinderbetreuungseinrichtungen, Fahrtenbeihilfe und Selbstbehalt.

Einige dieser Änderungen, wie z. B. Entfall der Familienbeihilfe für jene Kinder, welche sich ständig im Ausland aufhalten, treffen besonders die Gastarbeiter hart. Die hier ergriffenen Maßnahmen sind teilweise von struktureller Bedeutung, d. h. sie führen zu erheblichen Änderungen in der Ausrichtung der Sozialversicherungspolitik. Andere Maßnahmen sind aus der Notwendigkeit heraus entstanden, das Budget möglichst kurzfristig durch Einsparungen bzw. Mehreinnahmen zu entlasten. Hier nur jene Änderungen, die sich auf die Situation der in Österreich lebenden Gastarbeiter besonders auswirken.

benachteiligungSozialversicherung

Pensionen werden im Jahr 1997 nicht erhöht. Für Ausgleichszulagenbezieher gibt es eine zweimalige Zahlung von S 1.000,- für Alleinstehende bzw. S 1.500,- für Ehepartner.

Frühpensionen: Die notwendigen Versicherungszeiten werden etappenweise bis 2001 von 35 auf 37,5 Jahre angehoben. Betroffen sind Frauen ab Jahrgang 1942 und Männer ab Jahrgang 1937. Wer in Frühpension geht, bekommt weniger Geld, weil die Steigerungsbeiträge herabgesetzt wurden.

Invaliditätspensionen werden nur mehr auf Zeit zuerkannt. Alle, ausgenommen Härtefälle, müssen nach 2 Jahren zur Kontrolle. Das Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und Jugoslawien wurde vom österreichischen Staat rückgängig gemacht. Dadurch werden die Versicherungzeiten, welche im ehemaligen Jugoslawien erworben wurden nicht mehr in Österreich anerkannt. Die Grundvoraussetzung der Wartezeit wurde von 180 auf 240 Beitragsmonate erhöht. Durch diese Regelung passiert es, daß mehrere Gastarbeiter nie den Anspruch auf eine Pension in Österreich erwerben werden. Außerdem wurde die Altersgrenze für Invaliditätspensionen von 55 auf 57,5 Jahre erhöht.

Bei Kuren und Reha-Aufenthalten wird ein Selbstbehalt eingehoben (von S 70,- bis S 180,- pro Tag).

Schul- und Studienzeiten werden nicht mehr automatisch für die Pension angerechnet.

Arbeitslosenversicherungsgesetz

Arbeitslosengeld erhalten seit 01. 05. 1996 nur Personen, die

Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer:

Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf, wer

Dies sind die Ausländer, die

Arbeitslosigkeit liegt in einem Monat nicht vor, wenn der Bezug unterbrochen wird und der Bruttolohn oder das Einkommen beim Selbständigen S 3.600,- übersteigt. Um einen Arbeitslosengeldbezug in Anspruch nehmen zu können, muß die Rahmenfrist beachtet werden.

Rahmenfristerstreckung kann nur mehr für insgesamt 3 Jahre verlängert werden. Die Rahmenfristen verlängern sich um Zeiträume, in denen der Arbeitslose

Haft, Urlaubsentschädigung, Urlaubsabfindung und Beschäftigung im Ausland (ausgenommen EWR - Angehörige) sind keine Rahmenfristerstreckungsgründe mehr.

Familienzuschläge gebühren nur mehr Angehörigen, die ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben (Ausnahmen bei zwischenstaatlichen Abkommen oder internationalen Verträgen wie EWR, EU).

Bemessungsgrundlage: Für die Berechnung des Arbeitslosengeldes wurde der Bemessungszeitraum von 6 auf 12 Beitragsmonate (Jahresbeitragsgrundlage des Hauptversicherungsverbandes) erhöht. Liegen keine Jahresbemessungsgrundlagen vor, so sind die letzten 6 Kalendermonate zur Festsetzung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen.

Die Dauer des Arbeitslosengeldbezuges richtet sich nach den vorangegangenen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten:

Den älteren Jahrgängen der arbeitslosen Gastarbeiter kommt der letzte Punkt besonders zugute.

Sanktionen: Wenn ein Arbeitsloser die Kontrollmeldung versäumt, verliert er vom Tag der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe und die Bezugsdauer wird bis 62 Tage verkürzt.

Notstandsbeihilfe können nur jene Gastarbeiter beziehen, welche

Die Bezugsdauer beträgt 52 Wochen. Die Höhe der Notstandshilfe beträgt bei Bezugsdauer von 20 Wochen S 7.887,- monatlich. Bei Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 30 Wochen beträgt die Notstandsbeihilfe S 9.100,-. Bei Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 39 Wochen bleibt die Notstandsbeihilfe unverändert bei maximal S 11.738,-.

Sondernotstandsbeihilfe wird für ein Jahr gewährt, maximal bis zum 3. Lebensjahr des Kindes. Von der Hauptwohnsitzgemeinde ist eine Bestätigung über das Nichtvorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind beizubringen.

Karenzurlaubsgeld

Das Karenzurlaubsgeld wird bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes gewährt, wenn nur ein Elternteil Karenzurlaubsgeld in Anspruch nimmt. Der Bezug über das 18. Lebensmonat hinaus (bis maximal 2. Geburtstag des Kindes) ist nur möglich, wenn der zweite Elternteil mindestens 3 Monate Karenzurlaubsgeld in Anspruch nimmt. Das Karenzurlaubsgeld beträgt S 185,50, für Alleinstehende S 273,- täglich.

Karenzurlaubsgeldzuschuß von S 2.500,- wird daann ausbezahlt, wenn der Ehegatte nicht mehr als S 5.495,- monatlich verdient.

Fortgesetzter Karenzurlaubsgeldbezug: Der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld kann neuerlich geltend gemacht werden, wenn die Mutter innerhalb von 2 Wochen (bisher 6 Wochen) nach dem Ende des Karenzurlaubsgeldbezuges neuerlich Wochengeld bezieht.

Die Geburtenbeihilfe von S 15.000,- wurde ersatzlos gestrichen. Es gibt aber Übergangsvorschriften

Familienbeihilfe

Die Altersgrenze für den Bezug der Familienbeihilfe wird auf das 26. Lebensjahr herabgesetzt. Ab Erreichen der Volljährigkeit kann der Anspruch auf Familienbeihilfe während der Schulausbildung um ein Jahr überschritten werden. Bei Studenten gilt auch eine zeitliche Begrenzung, wobei die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Jahr verlängert wird.

Der Anspruch auf Familienbeihilfe fällt weg, wenn das eigene Einkommen von Kindern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG übersteigt (S 3.600,- monatlich). Der Anspruch auf Familienbeihilfe für die Kinder, die ständig im Ausland leben, besteht nicht mehr. Sofern die zwischenstaatlichen Abkommen die Zahlung einer Familienbeihilfe vorsehen, bleiben derartige Ansprüche unberührt.

Im Ausländerbeschäftigungsgesetz wurden einige Änderungen vorgenommen, wie z. B.,

Alle diese Änderungen bedeuten für die Gastarbeiter eine Einengung ihrer Verdienst- und Lebensmöglichkeiten hier in Österreich. Die Betreuung und Beratung der Gastarbeiter bedeutet ein gefährliches Slalomfahren und es kann schnell passieren, daß eine Stange falsch genommen wird.

Die Angst, daß man den Arbeitsplatz verliert ist groß. Der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung oder Notstandshilfe ist für einen Ausländer nur eine Verschnaufpause. Hier aber darf man sich nicht lange aufhalten, weil man sehr leicht den Anschluß an den Arbeitsprozeß verlieren könnte. Und wenn man einmal den Arbeitsplatz verliert, ist auch das unbefristete Visum bzw. der Befreiungsschein kein Rettungsanker mehr. Der Verlust des Arbeitsplatzes durch Firmenkonkurs oder aufgrund schlechter Auftragslage trifft alle Gastarbeiter, ganz gleich, ob diese schon 20 Jahre oder länger in Österreich beschäftigt waren und viel für den Wohlstand der Einheimischen beigesteuert haben, oder die neuen, wie z. B. bosnischen Kriegsflüchtlinge. Der Arbeitsplatzverlust trifft vor allem die älteren Generationen der Gastarbeiter besonders hart, d. h. jene, die das Pensionsalter noch nicht erreicht haben. Die Altersgrenze für die Invaliditätspension wurde angehoben. Dies ist besonders tragisch, weil im ehemaligen Jugoslawien der Krieg ausgebrochen ist und die Gastarbeiter ihre Ersparnisse teilweise im Krieg verloren bzw. für den Unterhalt der Familienmitglieder verwendet haben. In manchen Fällen mußten die Gastarbeiter Kredite für den Unterhalt von Verwandten aufnehmen. Die Verschuldung der Gastarbeiter ist sehr hoch, und es herrscht die Meinung, daß, wenn jemand in Österreich Kredite oder Schulden hat, seinen Arbeitsplatz nicht verlieren kann und die Aufenthaltsgenehmigung verlängert bekommt. Manche von ihnen wissen nicht, wie sie ihre Kredite zurückzahlen sollen.

Das Sparpaket hat auch die Lage der kinderreichen Familien verschlimmert. Der Verlust der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder hat viele Gastarbeiter in die Armut geführt. Leider hat sich mit den Gastarbeitern niemand solidarisch erklärt, weder die Gewerkschaften noch andere Arbeitsvertretungsorganisationen, obwohl die Mitgliedsbeiträge fleißig kassiert werden. Die Familienzusammenführung ist aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage kaum möglich.

Die Integration der Gastarbeiter ist langsam vorangegangen. Es gibt kaum Gastarbeiter, die sich die Mühe gemacht haben, die deutsche Sprache zu erlernen oder einen Deutschkurs zu besuchen. In letzter Zeit sind die Neogastarbeiter ausnahmsweise bereit die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen, aber nur deswegen, weil sie hier in Österreich bleiben möchten. Leider wurden auch hier die Maßnahmen verschärft.

Zwecks größerer Integration der ausländischen Bürger wurde in Linz am 23. 06. 1996 aufgrund des Gemeinderatsbeschlusses vom 11. 04. 1996 ein Ausländer-Integrationsbeirat gewählt. Von den 10.824 Wahlberechtigten sind 1.578 Personen zur Wahl gegangen, das sind rund 15 %. Der Beirat versteht sich als politische Interessensvertretung aller ausländischen Bürger gegenüber den städtischen Gremien, sowie der Öffentlichkeit. Das Ziel ist die Gleichstellung der ausländischen und der österreichischen Bevölkerung und ein Zusammenleben mit gegenseitigem Respekt. Dem Integrationsbeirat gehören neben 12 auf 6 Jahre gewählten Mandataren noch je ein beratender Vertreter der Gemeinderatsfraktionen an. Es wird bereits in mehreren oberösterreichischen Gemeinden über solche Ausländerbeiräte diskutiert.

Um sich überhaupt ein Bild von den Gastarbeiterdaten machen zu können, einige Zahlen aus dem Jahresbericht des AMS 1996. Die Zahl der Gastarbeiter nahm in den letzten 2 Jahren rapide ab.

Bewilligungspflichtig beschäftigte Ausländer in OÖ. nach Bezirken (Jahresdurchschnitt)

Vorgemerkte arbeitslose Ausländer in Oberösterreich (insgesamt / männl. / weibl.)

Die Zukunftsprognose ist nicht rosig. In den Gesprächen mit den Menschen war der Tenor: „Wir gehen wieder auf Zeiten wie vor 50 Jahren zu.“ Das bedeutet, daß wieder Zeiten kommem, wo die Menschen von der Erde und aus der Erde leben werden. D. h. was sie säen und pflanzen werden, davon werden sie leben, weil es mit dem Wohlstand der 60er und 70er Jahre für immer vorbei ist. Die älteren Gastarbeiter, aber auch die bosnischen Kriegsflüchtlinge, verstehen dies. Die jüngeren müssen dies noch lernen.

Das Sparpaket, die Folgen: Jahresbericht 1996 der Diözese Linz, Bericht von Ivan Sardi, Sozialarbeiter für Gastarbeiter, Caritas-FLUGA Linz