UNDANK USW.

Ein Fast-Nachruf auf den BOILER LIVE POOL

Das Erscheinen des neuen, inzwischen bereits dritten, BOILER LIVE POOL-Samplers (1), sollte ursprünglich Anlass genug sein, diese legendäre Konzertserie einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Während des Schreibens dieser Zeilen überschlugen sich aber förmlich die Ereignisse und der BOILER stand bereits kurz vor seinem endgültigen Aus.
Die Geschichte des BOILER, die mit der des Kulturkonglomerat FLEX eng verknüpft ist, hat - bereits Jahre vor FM95 - seinen Ursprung in der Idee die heimische Undergroundszene zu dokumentieren: österreichische Bands spielen jeden Mittwoch im FLEX, die Konzerte werden aufgenommen und als Sampler veröffentlicht. Den Anfang machten die Linzer SEVEN SIOUX, was zugleich der beste Beweis für die tatsächlich über den Wiener Rahmen hinausgehende Bedeutung dieser Einrichtung ist. Auch sonst gaben sich in der Arndtgasse alle damaligen Größen der Underground/Punkszene ein Stelldichein. Der BOILER LIVE POOL brachte Gruppen wie NAKED LUNCH, STAND TO FALL, ORANGE BABOONS, NO FISH ON FRIDAY, GROOVE etc. ins 1989, aus der Ägidi/Spalo Kulturgruppe entstandenen FLEX. Hier herrschte Anfangs größte Euphorie, es entstand eine eigene Dynamik, die sich auch aufs Publikum und folglich auch den Publikumszuspruch auswirkte.
Durch Probleme mit Anrainern und Behörden mußte das FLEX - und mit ihm der BOILER LIVE POOL - im Frühjahr 1993 aus dem alten Haus ausziehen. Erst im Herbst des darauffolgenden Jahres konnte (nun auch räumlich im Underground...) eine neue Bleibe in einem U-Bahn Schacht gefunden werden. Leider hat sich die Energie, die Anfangs im Flex steckte, nicht ganz ins neue Objekt übertragen, wobei die Veränderung der Bedingungen für Undergroundkultur durch die scheinbare "Undergroundisierung" (2) des Mainstream, diese Entwicklung sicherlich beeinflußt hat. Es wird für - von großen Wirtschaftskonzernen unabhängig arbeitende - Kulturinitiativen immer schwieriger, Publikum anzusprechen, da musikalische Entwicklungen immer schneller vom Mainstream nachvollzogen werden. So sind Underground-Bands heute kaum mehr durch die von ihnen gespielte Musikrichtung von "Großen" unterscheidbar, die Differenz liegt in der Arbeitsweise und ist nur schwer vermittelbar. Diese Probleme bekommen besonders die an der Basis arbeitenden Initiativen zu spüren: musizierende Leute von nebenan passen nicht in die von MTV & Konsorten aufgebauten Bilder von anbetungswürdigen Stars.
Der BOILER LIVE POOL drohte an dieser Entwicklung zu scheitern, zu wenig Publikum bedeutete auch zu wenig Einnahmen, um die Aufnahmen finanzieren zu können. Am Mitwoch, den 24.1.96 spielte mit SCROOGE die bisher letzte Band im Rahmen des BOILER, es ist allerdings geplant ab September mit neuem Konzept den BOILER LIVE POOL weiterzuführen.

HOFFENTLICH!!! kann ich nur sagen, wenn ich mir den aktuellen, bislang dritten, BOILER-Sampler "REBORN" anhöre (3). Als Gesamtding anhörbar (was bei Samplern nicht selbstverständlich ist) und im Detail genial, kann ich diesen Tonträgern allen an heimischer, tatsächlicher Undergroundkultur interessierten Menschen wirklich wärmstens empfehlen. SUPPORT YOUR LOCAL SCENE, ihr Deppen.

(1): BOILER LIVE POOL-VOL. 3: REBORN, (BLP CD 02)
Im Vertrieb von TROST Rec., Brigittenauerlände 60/20, 1200 Wien
(2): Scheinbar desshalb, weil sich die Arbeitsweisen der Industrielabels nicht geändert haben, H-BLOCKS sind genauso Produkt wie es WHAM! waren.
(3): Mit: 3 GORDONS, BOMB CIRCLE, KURORT, TOTAL CHAOS, NAKED LUNCH, FURTHER KIND, DEADZIBEL, WIPE OUT, TRELKOVSKY, DANKE, ALMOST HOWARD, SORE, TEXTA, NAR MALIK.