BONJOUR, Nov. 95


Hier ist wieder die Kolumne "von uns für Euch". Aber nicht "Sie wünschen, wir spielen", sondern mehr das Informationsblatt für den an heimischer Musik Interessierten. Es geht wie immer auch ganz einfach: Wir besprechen Tonträger/Zines/Videos etc. heimischer Kultur, die unter Kennwort "Bonjour!" an uns gesandt werden, um Euch einen Einblick zu schaffen. Der Ausbreitung jeglicher Machwerke österreichischen Kulturgutes sollen keine Grenzen gesetzt werden. So haben wir auch diesmal ein buntgemischtes Musikprogramm, das von uns besprochen wird, subjektiv, versteht sich, weil das geht ja nicht anders. Die Information wird in jeden Fall weitergegeben, und die Botschaft hoffentlich verstanden. Fair enough, denkt: Euer Huckey

P.S.: Nachtrag vom letzten Monat:
LAXATIVE, c/o Kuri Bernhard, Steinweg 1, 4210 Gallneukirchen

ALLERSEELEN
Cruor
AORTA, c/o Petak,
P.O. Box 778, 1011 Wien

Zuerst einmal muß klargestellt werden, wer hinter dieser Formation steckt: nämlich ein gewißer Kadmon (ein österreichischer Künstler, der auch für das spirituelle Magazin AORTA zuständig zeichnet). Mit einigen Mitmusikern werden hier im "technosophischen" Sinne (fragt mich nicht, was das jetzt genau sein soll, die Philosophie von elektronischer Musik, oder sowas vielleicht) Soundscapes geschaffen, die irgendwo zwischen EBM, Techno, Ethno und vor allem Gruftiwahnsinn angelegt sind. Eine Auswahl der Stücktitel ("stirb und werde", "Totenlohe", "goldene Dämmerung", usw. usf.) sagt alles. Dieser Herr Kadmon wird aber von der Fachpresse wortwörtlich als Kultfigur bezeichnet, und ich weiß nicht, wie das in dieser Szene passiert. Für mich klingt "Cruor" im großen und ganzen zwischen allen Stühlen. Am ehesten regiert noch "das Böse", irgendwelche Mystizismen und anderes für den "audiphilen Psychotrip". Uns all dies, meine Lieben, möge und wird mir aus gutem Grund' auf immer verschlossen bleiben.
Besonders weil das musikalisch nicht aufgeht. Mir schauderts wenn ich an die äußerst patschert, ja teilweise sogar wirklich unpassend angelegten Ethnosamples denke. Aber bitte, für Leute mit anderem Zugang zur Musik, könnte das ja vielleicht das Nonplusultra sein. Also würde ich sagen: genieße, wer genießen kann, für mich: Nein Danke. Huckey

DISSONANT VIEW
Cowflower
Tape (Eigenvertrieb)
c/o Thorsten Hinrichsen
Linzenberg 7, A-6858 Schwarzach

BONJOURler zu sein gefällt mir von Monat zu Monat besser, wird man doch immer wieder mit der Entdeckung neuer sauguter Bands konfrontiert. So geschehen mit DISSONANT VIEW aus Vorarlberg. Hereingeflattert ist ihr Tape "Cowflower" gemeinsam mit einem, für uns KAPU-LinzerInnen sehr schmeichelhaften, ich möchte nicht sagen, schleimigen (mir hätt´s auch so gefallen ...) Brief, der neben Nettigkeiten für uns auch interessante Informationen beinhaltet: so ist es etwa schön zu hören, daß es inmitten einer MTV-geschädigten Welt noch Leute gibt, die eigene Fanzines herausgeben.
Musikalisch wird von DISSONANT VIEW feiner poppiger Punkrock, ausgestattet mit der nötigen Prise Humor, geboten, der in mir Errinerungen an die frühen NAKED LUNCH weckt. Andere Vergleichsbands will ich gar nicht nennen, da sie zwar Einflüsse aus dem gesamten Punk/HC-Spektrum verarbeiten, aber meiner Ansicht nach nirgendwo fladern. Sehr gut gefallen mir auch die Texte (englisch), die sich mit Themen wie Emanzipation, Vegetarismus / Tierrechte etc. beschäftigen, aber ohne den in Xibergistan (und nicht nur dort) oft so übliche erhobenen Zeigefinger ("CD´s töten" etc.) auskommen und Platz für eigene Gedanken lassen.
Zum Schluß noch der übliche Aufruf: KAUFEN, KAUFEN, KAUFEN !!! (Beim Hopfenblütenteebestellen dreht ihr ja auch nicht jeden Schilling dreimal um). daniel

INSIDE MARILYN
LP , (BREFKAS READY RECORDS)
Laurenzgasse 11/32, 1050 Wien

Die neueste Veröffentlichung des jungen Wiener Vinyl-Only-Labels BREFKAS READY REC. kann meine, eventuell zu hoch angesetzten, Erwartungen nicht ganz erfüllen. INSIDE MARILYN haben sich dem Genre des Gitarrenrocks verschrieben, wobei die Palette von HÜSKER DÜ über GODFATHERS-Anleihen bis hinein in die grauenhaften Untiefen des Hardrocks reicht.
Bei manchen Nummern schrecken die Herren von INSIDE MARILYN nicht einmal vor (hier darf ich "TRUST" zitieren) "Wichs-as-Wichs-can-Solis" zurück. Noch problematischer wird es in den Momenten, in denen die Wiener versuchen ihre Ideen bei METALLICA zu leihen ("SILLY BOYS") und daran, nicht zuletzt wegen des Fehlens von ca. 35 Gitarrenspuren, kläglich scheitern. Bei den Liedern ("Appease my thirst", "Apprehension"), bei denen die Band ihrem offensichtlich angestammten Musikstil, ich möchte ihn hier einmal "Underground-Rock" nennen, treu bleiben, kommen ihre Qualitäten allerdings doch auch zur Geltung.
Aufgenommen wurde diese Platte übrigens in der SZENE WIEN und im EKH. daniel

MASTIC SCUM
Tape (Rödel Rec.)
c/ö Gandler Harald
Burgwies 155, A-5724 Stuhlfelden

MASTIC SCUM kömmen aus Stuhlfelden und spielen Death Metal öder sö... Erschienen ist das 7 Söng Tape auf einem Berliner Label namens Rödel Rec. Tja, wer sich für Death-Metal interresiert söll sich das anhoren, ich werd meine Öhren damit nicht nöch weiter belästigen, aber ich kenn mich bei söetwas auch nicht aus. daniel

SHY
retten die Welt
Freunde v. Gene Clark rec./IXTHULUH
oder direkt: Andreas Kump, Siemensstr.62, 4030 Linz

Auf FM4 hörte ich den Bericht über das Buch von Walter Gröbchen namens "Heimspiel", in dem es über Möglichkeiten von Austro-Popstars geht. Daß heutzutage nicht einmal Ambros und Co. so in Österreich funktionieren, wie sie es schon einmal taten, ist offensichtlich. Also: Warum gibt es keinen österreichischen Popstar? Wie könnte, im positivsten Sinne, "Austro Pop" und die dazugehörenden Personen/Persönlichkeiten aussehen?
"Jedenfalls ist das neue österreichische Popmusik, die hoch hinaus will", endete der Bericht und dann wurde "Hallo!" von ´Shy retten die Welt´ gespielt. Das war irgendwie logisch. Was weiß ich, wo Shy noch landen werden, ob Austro-Pop oder Indie-Spezialistentum. Vielleicht bei den von Andi Kump so gepriesenen Seilschaften/Zusammenkünften oder im ganz großen Rampenlicht. Das ist im Prinzip auch egal, weil Shy unbezweifelbar Qualitäten haben, die so und so wirken. Shy knüpfen, scheint mir, gerade ihre Bande nach Deutschland. Freundschaft zu der Münchner Band Merricks, Konzerte in Berlin und im Hamburger Poodleclub. Vielleicht ein Naheverhältnis zur neuen Hamburger Schule (Tocotronic, Blumfeld etc.)? Würde auch gut passen, obwohl sie sich da nicht so einfach reindrängen lassen, weil man ja ein eigene Identität hat und nicht auf einen fahrenden Zug aufspringt. Und das ist der Punkt der hier noch gesagt werden muß: Man kann SHY, so man unbedingt will, gewisse Dinge vorwerfen, aber sie haben nie aufgehört ihre Sache zu machen; und: gut zu machen. Der Glaube an die "kleine Theorie des großen P!O!P" (Artikel im 59 to 1-Fanzine, ca.´93) hat sie offensichtlich vorwärts getrieben.
Coole Andi K. Lyriks (Hallo, Nach dem Applaus, Shakespeares Taxifahrer) verpackt in bestes Songwriting ergibt eine 6-Lieder Mini CD, die man guten Gewissens seiner Freundin zum Geburtstag schenken, oder zum Frühstück in den CD-Player geben kann, wie z. B. ich gerade jetzt. Wenn auch mancher meint, daß das zu glatt produziert ist, sage ich, daß ich dagegen nichts habe, einzig der Gitarrensound bei Shakespeares Taxifahrer gefällt mir nicht. Überaus erwähnenswert sind die von Hansi und Hammersteen meisterlich gesungenen Backgroundvocals und Chöre. Es geht zwar nicht wirklich darum, ob SHY die Welt retten oder nicht, jedenfalls kann einem diese CD eine gute Zeit bescheren. Huckey