DENKMAIR CHRISTIAN, MAG.
Im kulturellen Leben in Linz und darüberhinaus gibt es Vieles und Viele, das und die mensch nicht so richtig kennt und viele Fragen - etwa "Gerbl und Gulda - bei der Geburt getrennt?!?" - die deshalb dazu nicht gestellt werden.
Hier also Grundlagen, die es noch zu vertiefen gilt, für Diskussionen, die zu führen sind.
Die ersten Fragezeichen von Rainer Krispel trafen Magister Christian Denkmair.
Jän.95
AMT IST UNGLEICH AMT
Kultur und Amt? Trotz Gewöhnungseffekt, der dem geübten Linzer in vielen Lebensbereichen auftritt und ihm das Schulterzucken als Universalreaktion lieb und teuer macht, klingen mir auch 1994 "Kultur" und "Amt" nicht wirklich harmonisch oder gar notwendig zusammen. Denkmair ortet Vorbehalte aus (un-)seliger K & K.-Zeit:"Das Amt - speziell eben aus der Geschichte der Hoheitsverwaltung heraus, wo das Amt und der Staat oft gegen den Bürger geworden ist - hat bei weiten Teilen der Bevölkerung kein gutes Renomée. Andererseits hat sich in 20 bis 25 Jahren schon Einiges gravierend verändert, Ämter agieren als Einrichtung nicht mehr von oben her, nicht mehr beglückend, regulierend oder strafend, sondern klären mit dem Bürger, mit den Betroffenen die Bedürfnisse ab."
Womit wir auch schon mitten in der (einer) Sache wären. Doch halt, wer gibt hier eigentlich in welcher Funktion seine Statements ab?
ZUR PERSON - VOM UNIFEST ZUM LINZFEST
In seinem netten Büro im ZVG hecheln wir die Bio meines Gegenübers durch. Geboren 1962 in Freistadt, bis 7 in Krumau, "in der Nähe des Bahnhofs, wo wir immer die Eisenbahnen gesehen haben. Als elektrifiziert wurde, sind die österreichischen Züge immer hängengeblieben und die tschechischen mit dem roten Stern durchgekommen - das hat uns sehr beeindruckt."
Ein Hinweis auf eine frühre sozialistische Sozialisation? Übersiedlung nach Neumarkt - "wo ich noch immer oder mehr denn je wohnhaft bin"
- und nach schulischem Straucheln - Latein! - der Weg nach Linz. Beginnendes Interesse an "a) Politik und b) Kultur".
Das sich in politischer Tätigkeit bei der Vsstö, einer Ausbildung als Chorleiter - der fertigstudierte Soziologe setzt sich auch heute noch gerne an die Orgel und schätzt Anton Bruckner - dem Organisieren von Unifesten und den damals noch Donaufest gennannten Linzfest-Prototypen, manifestierte. 1989 war der Posten des Leiters des "Büros Stadtjubiläum" vakant. 1995 schließlich bekleidet der umtriebige Magister den Posten des Leiters der - zum Teil von ihm gestalteten - Abteilung für städtische Kulturentwicklung, eine der drei Abteilungen des Kulturamts, dessen stellvertretender Leiter er auch ist. Nebenbei betreibt er aktiv das Jugend- und Kulturzentrum in seiner Heimat Neumarkt mit, wo er Fraktionsvorsitzender der Spö ist, sowie stellvertretender Bezirksvorsitzender der Bezirksorganisation Freistadt, "wo ich, wie man sagt und wie ich mich auch selber einschätze, zum linken Flügel gehöre."
Hut ab! Aber wie bekommt mensch das alles unter den solchen? "Ich habe keine Familie, sehr wohl aber ein Privatleben. Bei einer 40 Stunden Arbeitswoche hat man - zumindest habe ich das - zusätzliche 20 Stunden Kapazität für Engagement außerhalb der Arbeit."
DAS SUSPEKTE SPEKTAKEL/
DEM KULTURAMT EIN VOLKSFEST?
60 Stunden sind eine Menge Zeit. Aus welchem Selbstverständnis agiert er dabei im kulturellen Bereich, fallen doch das schon erwähnte Linzfest, das Pflasterspektakel, der Klangplatz Hauptplatz und der Musikpavillon im Donaupark in seine Kompetenz, die, so Skeptiker, nicht unwesentlich dazu beitragen, das breitere Bevölkerungsschichten Kultur hauptsächlich nur mehr als Spektakel bei freiem Eintritt wahrnehmen. Dem geschenkten Gaul wird so kaum in oder gar aufs Maul geschaut.
"Mit dieser Spektakelkultur habe ich gar nicht so ein großes Problem. 40 - 50% der Bevölkerung - das bestätigt jede Umfrage - sind als `kulturdistanziert' einzustufen, daß heißt außer Fernsehen und Radio, wollen sie von Kultur eigentlich nichts wissen. Es ist sehr wohl ein demokratischer Auftrag diese Menschen in den Kulturbereich einzubinden."
Also doch Beglückung? "Kulturarbeit ist schon eine Möglichkeit zu sensiblisieren, die Möglichkeit zu schaffen, sich mit dem Umfeld auseinanderzusetzen und das geistige Immunsystem gestärkt zu bekommen, gerade die Anfälligkeit der Menschen für politische Verführung von rechts beweist doch, daß Kulturarbeit sehr viel Leute unzureichend erreicht hat. (...) Wobei doch viele Künstler in der Kabarettszene sehr fortschrittliche Positionen haben oder wenn ein Wanderer - ich benutze dieses Klischee bewußt - im Musikpavillon langhaarige Rockmusiker sieht."
Ist es aber nicht so, daß die fortgesetzte Blüte des Spektakelwesens mit einem Klima, in dem Kultur wieder gegen Soziales ausgespielt werden kann und persönlicher Geschmack ungeniert den Zepter des Kulturverständnisses oder besser -regulierens schwingen möchte, Hand in Hand geht? Ein Ausdifferenzieren findet eben nicht statt, das Spektakel bleibt beiläufig konsumierte Oberfläche und die so vermittelte Fassade der weltoffenen Stadt Linz eben doch zu augenfällig daneben ist. Das Kulturamt als Wasserträger der Image-Korrektur?
"Das stellt sich uns so nicht dar, weil wir nicht von einem schlechten Zustand ausgehen. Der Image-Aspekt ist selbstverständlich gegeben, weil klar ist, daß, wenn die Stadt diese Aktivitäten in einem solchen Umfang finanziert, sie etwas davon haben will. Ebenso klar ist, daß es in Linz nicht allen gleich gut geht und etwa das kulturelle Angebot in der Stadt nicht für alle gleich attraktiv ist."
Wie bewertet Denkmair die Arbeit der verschiedenen Kulturinitiativen in der Stadt - wobei wir uns einig sind, daß ein Diskurs kaum stattfindet. Warum werden nicht mehr Kulturinitiativen in die Arbeit des Kulturamts eingebaut? "Bei mir existiert dieser Wunsch und dieses Bedürfnis sehr wohl, wobei die Versuche in diese Richtung nicht besonders erfolgreich ausgefallen sind. Etwa mit der Stadtwerkstatt oder der Kunsthochschule. (...) Wobei sich eben die One-Way-Arbeit eines Linzfests, das schnell - das Programm muß im Jänner, Februar stehen - durch und durch organisiert werden muß, nicht mit der auch vorhandenen Möglichkeit des `Nicht-Ziel-Erreichens' eines freieren Ansatzes verträgt. Dabei muß man auch die Vorbehalte dieser Gruppierungen respektieren und es kann auch nicht unser Ziel sein jetzt jede Initiative ins Linzfest zu integrieren."
ABSCHLIESSENDE VORBEHALTE
Vorbehalte ist ein gutes Stichwort. Chancengleichheit? Kann (oder will) sich jemand unabhängig organisierte Veranstaltungen dieser Größenordnung vorstellen? Spricht es nicht auch eine klare Sprache, daß sich die Kader (Honorarkräfte) des Kulturamts aus der Universität, einer wirtschaftlich ausgerichteten (zu Denkmairs Agenden gehört auch Kultur-Marketing und Sponsoring), speisen, aus der kaum relevante kulturelle Signale für Linz gesetzt wurden. Bei Gott, musikalisch ist er auch noch!
"Natürlich muß balanciert werden, auch finanziell. Es gibt nachweislich keine Umschichtung von der experimentellen und Alltagskultur weg. Die Resourcen dafür müßen zur Verfügung stehen."
Das Prinzip Partnerschaftlichkeit - "gemeinsam Bedürfnisse abzuklären" - relativiert, als wir von Förderungen sprechen. "In diesen Bereichen ist eine partnerschaftliche Beziehung bei Gott nicht gegeben, weil ein Beamter oder Kurator eine Entscheidung trifft oder aufbereitet. Die endgültige Entscheidung trifft die Politik."
Der wir jetzt nicht den schwarzen Peter - um den es aber nicht wirklich geht - zuschieben wollen.
Die Frage - braucht Kultur ein Amt? - bleibt aufrecht. Antworten und zusätzliche Fragen dringend erwünscht.