Im Winter Eier legen

von Andi Wahl , März 95


Eigentlich wollte ich wieder etwas Lustiges schreiben, aber es geht mir zur Zeit wohl wie Adorno, der auch meinte, daß man nach Auschwitz kein Gedicht mehr schreiben könne. Nach den Bombenmorden von Oberwart und dem Anschlag von Stinatz ist es mir nicht möglich, auch nur ein bißchen zu blödeln.

Erstmals in der Zweiten Republik wurden Menschen alleine aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit ermordet - in Fetzen gerissen.
Natürlich sind diese Morde nicht von Himmel gefallen, wahrscheinlich waren sie sogar vorauszusehen und sind Teil einer kontinuierlichen Entwicklung. Einer Entwicklung, zu der die fehlende Entnazifizierung nach 1945 genauso gehört wie das anschließende Buhlen aller Parteien (bis hin zur KPÖ) um die Stimmen der "Ex"-Nationalsozialisten. Die Duldung von Kameradschaftsbund und ÖTB1 - die Regierungskoalition von Kreisky mit dem SS-Mann Peter - der Waldheim-Wahlkampf, der Antisemitismus endgültig wieder salon- und öffentlichkeitsfähig machte - die Ausländer- und Fremdengesetze, die Fremdenhaß staatlich legitimierten - der Überfall auf Wolfgang Purtscheller (einem Experten für Rechtsextremismus), dem Polizeibeamte das Knie ausrenkten, ihn liegen ließen und ihm die Hose öffneten, um zu sehen, ob er ein Jude ist; all das sind Ingredienzien einer gesellschaftlichen Stimmung, in der solche Morde möglich, ja wahrscheinlich sind.

Zu all dem noch die Behandlung des Alltagsfaschismus als (liebenswerte) Besonderheit der ÖsterreicherInnen, und eine rechtspopulistische Partei, dessen Anführer sich die extreme Rechte in Deutschland schon lange als Gallionsfigur zur Sammlung des rechten Lagers wünscht.

Aber zurück zu dem anfangs zitierten Gedicht von Tucholsky. Auf das hat mich nämlich meine Über-Alles-Geliebte aufmerksam gemacht, nachdem ich ihr von einem Treffen des KUPF2-Vorstandes mit einigen Kulturinitiativen erzählte. Bei diesem Treffen versuchten die KUPF-Sprecher den anwesenden Initiativen zu erklären, wie mit den immer geharnischter werdenden Angriffen von F-VertreterInnen gegen die Freie Kulturszene umzugehen sei. Nämlich im Rahmen der demokratischen Spielregeln und ohne öffentliches Aufsehen zu erregen. Jedes Aufsehen würde den F-Positionen zusätzliche Öffentlichkeit verschaffen und den KI's schaden. Den KI's schaden? Was sind das für KulturvermittlerInnen, denen ein vehementes Auftreten gegen eine Partei, die Kultur- und Fremdenfeindlichkeit propagiert und den Innenminister für dessen menschenverachtende Abschiebungspolitik lobt, schadet?

Meines Erachtens stünde es der KUPF und ihren Mitgliedsvereinen viel besser an, die Politik der F, wo es nur geht, zu bekämpfen und dabei so viel Öffentlichkeit wie nur möglich zu suchen. Denn es geht nicht mehr um eine Hand voll Spinner und Ewig-Gestriger, die man durch Totschweigen bekämpfen kann, sondern es geht um eine rabiate Rechtspartei, die sich anschickt, nach der Macht zu greifen.

Es ist höchst an der Zeit, daß sich eine Kraft etabliert, die ganz klar zu verstehen gibt, daß sie gar nicht daran denkt, sich zu ducken und darauf zu hoffen, daß sie nicht ins Fadenkreuz der F´schen Propaganda gerät. Eine Kraft, die es als Bestätigung ihrer Arbeit erachtet, wenn sie - neben der F - auch von Rassisten und Antidemokraten angefeindet wird.

Als Angehöriger der Freien Kulturszene wünsche ich mir natürlich, daß wir es sind, die sich dem gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck entgegenstellen. Und wir sollten das mit all unserer Phantasie, Kreativität und Boshaftigkeit tun, mit viel Witz und Lebenslust. Denn es gilt nicht nur zu beweisen, daß dieser Staat immer weiter Richtung Rassismus und Menschenverachtung geht, sondern auch, daß wir das bessere, menschenfreundlichere und vor allem lustvollere Gesellschaftskonzept vertreten.

Lichtermeere und Menschenketten, bei denen sich die TeilnehmerInnen nur immer selbst ihre Absolution erteilen, erachte ich nicht als adäquates Mittel dem Faschismus entgegen zu treten. denn, um einmal Jörg Haider zu zitieren:

"Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, in Europa tobt ein ideologischer Kampf. Widersprüchliche Geistesströmungen wollen sich in das Bewußtsein der Menschen einschleusen. Aber die wirkliche Veränderung, die Revolution,muß zuerst in den Köpfen der Menschen stattfinden. Wer den bestimmenden Einfluß auf das Bewußtsein der Menschen hat, der hat die Macht. Es handelt sich also um die kulturelle Hegemonie in unserer Gesellschaft." 3

Wer meint, es sei so und so schon alles zu spät und man sollte eigentlich nur noch danach trachten, mit dem Leben davon zu kommen, der/dem kann ich vielleicht mit einer Geschichte von Franz Kain etwas Mut zusprechen.In dieser Geschichte läßt Kain einen Mitgefangenen in einem NS-Kerker über einen ganz besonderen Vogel nachsinnen:

"...heute denk ich oft, es war vielleicht das dunkle Gefühl in mir, daß dieser Kreuzschnabler ein Inbegriff der Freiheit war, einer Freiheit, die stark und berauschend ist. Warum, so frage ich mich heute, brüten die Kreuzschnäbler ihre Jungen mitten im Winter aus? Heißt das für ein solches Ding nicht, alle Gewalten herauszufordern? Und doch tun sie's und trotzen den Stürmen und den kalten Nächten.Und deshalb glaube ich, ist es durchaus keine Spielerei, seine List und Geschicklichkeit mit solch einem Sänger zu messen. Gimpel und Zeisige gehen auf den Leim, nicht aber Kreuzschnäbler, die muß man besiegen, Zug um Zug."4


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2Kulturplattform OÖ.

3Dr. Jörg Haider, "Die Freiheit die ich meine", Ullstein-Verlag 1993, S 73

4Franz Kain, "Lawine", Bibliothek der Provinz