Eingreifen
und ein waches Auge haben

Bert Estl & Matti Link, Oktober 95
An dieser Stelle sollen nicht nur (selbsternannte und kirchenorgelnde) Intendanten und kulturpolitische Innenstadtkaiser ihre Lamentos abgeben könnensollen. Sondern auch Kulturinitiativen, die spannendes über reine Veranstalterei hinausgehendes kulturpolitisches und künstlerisches Engagement zeigen. Die abseits vom völkischen und faschingsumzügigen Nettigkeiten Struppiges, Ruppiges, Verqueres zu ihrem Programm gemacht haben. Georg Ritters Statements machten den Beginn nun eine Fortsetzung mit Leuten vom "Waschächt" aus Wels. Mit Nora, Hasi, Peter und Wolfgang sprachen Bert Estl und Matti Link.

w.: die geschichte des schlachthofs begann 1981 als welser kulturinitiative. damals fanden sich leute aus dem jg und magistrats-umfeld zusammen, die eben kulturarbeit machen wollten. die haben dann 1982 räume aufgestellt, eben hier einen teil des jetzigen schlachthofgeländes. das programm wurde damals von jazzspezialisten gemacht, besser gesagt einem, der sich gut ausgekannt hat, gute kontakte knüpfte und dafür sorgte, daß sehr bald sehr gute jazzkonzerte stattfanden, so richtig internationale größen, bedeutende freejazzleute wie james newton oder henry thredgill oder elvin jones. drüber hinaus hat es auch das zentrum gegeben, das durch bardienste unter der woche belebt wurde. der erste einbruch - wie sagt man - zäsur, kam mit dem was man heute als schlachthof kennt, das war 1985. da haben sich die damals bestehenden vereine, der eintopf, die kulturinitiative und die impulse zusammengeschlossen und ein haus gefordert, daß man dann auch bekommen hat.

Der Schlachthof ist ja heute ein Haus, das von verschiedenen ganz unterschiedlichen Initiativen genutzt wird. Wie gestaltet sich da das Verhältnis, wie hat sich das entwickelt?
w.: von den 3 anfänglichen vereinen ist nur mehr einer übriggeblieben, nämlich die kulturinitiative, die sich dann 1993 in waschächt umbenannt hat, aber es ist eine dazugekommen, nämlich die ape unlimited, die auf diesem metal-dings ähm reiten / hopsen. das heißt im haus sind jetzt 2 kulturinitiativen tätig, ape und eben waschächt. im gesamtzusammenhang ist natürlich auch wichtig, daß der schlachthof natürlich nicht nur eine reine veranstaltungsgeschichte ist, sondern das schon immer der anspruch da war sachen zu machen, die die ganze szenerie beleben. das heißt es gibt ein jugendzentrum, es gibt sozialprojekte, es gibt arbeitsmarktpolitische projekte - also sachen die im weitesten sinne als arbeit im gesellschaftspolitischen bereich zu sehen sind. das bfi ist hier heraußen und hat auch immer die aufgabe gehabt, das haus vom umbau her zu betreuen und über diesen weg auch arbeitsplätze zu schaffen. dieses projekt arbeitet mit arbeitslosen jugendlichen. am interessantesten ist sicher der trödlerladen, der sich in den letzten jahren ziemlich gemausert hat. die haben jetzt 20 angestellte, wovon 10 sogenannte transitarbeitsplätze sind, die jedes jahr neu besetzt werden.

Es scheint aber, daß diese doch sehr wichtigen Bereiche sehr parallel einfach nebeneinander funktionieren würden, daß eben diese leute in den künstlerischen und kulturellen Bereich kaum integriert sind.
w.: Ja das stimmt, ich würde aber dennoch sagen, daß das eher ein allgemeines problem ist. es gibt keinen wirklichen draht zueinander, außer daß wir alle am gleichen gelände arbeiten. aber es gibt schon gemeinsame feiern, festln, es gibt einmal im jahr ein gemeinsames projekt wo sich alle vorstellen, wo man versucht in der stadt gut werbung zu machen um neue leute herzubekommen. solche versuche gibts natürlich schon.

Thema Autonomie: Ihr seid ja doch eng mit dem Magistrat verbandelt, etwa personell. Gibt es da Sachen wo sich das Ganze sperrt, wenn man da Sachen macht, die nicht auf der offiziellen Linie der vorherrschenden SPÖ-Partei liegen?
n.: anfänglich sicher. als sich aber die vereine emanzipirt haben, gab es im betriebsverein schon auseinandersetzungen, beispielsweise in personalfragen. momentan ist es OK. letztendlich ist dem magistrat bewußt, daß wir für wels ein wichtiger faktor sind, sie könnten uns rausschmeißen, aber das würde nicht stillschweigend gehen und das ist jedem bewußt. und es ist ihnen inzwischen klar, daß sie keinen einfluß auf unser kulturprogramm nehmen können.
w.: also wir arbeiten ganz sicher autonom ohne das wir von irgendwem was vorgesagt bekommen. natürlich, wenn man jetzt alle gemeideräte fragen würde, was sie von der arbeit halten, würden, die meisten nichts sagen können...

Was gibt es zu der Antifa-Arbeit zu sagen - Wels ist ja durch seine braunen Flecken und neonazistische Umtriebe und nicht zuletzt auch durch die F-Kulturpolitik bekannt geworden. Was ist eure Position und Aktivitäten dazu?
n.: wir sind im antifa-komitee vertreten, in wels ist das die organisation in der verschiedenste initiativen zusammentreffen um vor allem thematisch den übertitel braune flecken zu behandeln und sich auch mit diesen querverbindungen zum ötb, der f und anderen strukturen auseinanderzusetzen.
wels hat ja eine stark ausgeprägt rechtsradikale szene, nicht nur im jugendbereich, auch bei den älteren. etwa die gotia, eine schlagende burschenschaft in der viele bekannte persönlichkeiten aus wels drinnensitzen. oder die f-gemeinderatsliste war letztes mal auch nicht ohne - da kanditieren leute die nachweislich verbindungen... z.b. der kobak von der kameradschaft 4 der waffen ss oder ein welser rechtsanwalt, der zu seinem 50. geburtstag eine kapelle aufspielen ließ die jede stunde den badenweilermarsch spielte. detto ist dann ein gestapoauto vorgefahren und hat grüße vom führerhauptquartier überbracht. das ganze unter anwesenheit von f-spitzen wie der praxmarer karin, die zufällig dem seine schwester ist.
diesen bereich gibts in wels, der sehr gut organisiert ist und der weit ins unternehmertum hineinführt. da gibts etwa die polypex firma, da gibt es einen wimmer, der in sein schloß den irving eingeladen hat, oder wo solche leute wie der honsig ein und aus gehen. diese firma hat ca. 300 mio umsatz, das ist ein macht und wirtschaftsfaktor in wels und dieser mensch hat nachweislich kontakte in die neonaziszene.
dann gibts die nächste schiene in wels, das sind so leute die aus diesem martin humer umfeld jetzt in die rechtsradikale szene rutschen. da gibt es vor allem den ludwig reinthaler, der hat jetzt das "dokumentationsarchiv des welser widerstandes" gegründet und hat mittlerweile drei flugblätter verfasst, die in ried, in offenhausen und in oberwart ausgeschickt wurden. das rieder flugblatt hatte zu inhalt, daß die vermutlichen mörder, als diese diskussion um die verwechslung mit wolfgang purtscheller lief, warscheinlich kriminelle ausländer sind. das zweite in offenhausen hatte den slogan "die linken anarchisten kommen demonstrieren, aber sie sind um 2 weniger, weil 2 sind hin". das dritte, sicher das perverseste von allen, es wurde auch kurzfristig von der post beschlagnamt, aber dann in oberwart verschickt mit dem inhalt die romas sind kriminelle, dabei eine bundeshymne "land der negerkinder..." und mit der theorie, daß die bombenleger von oberwart thaler und konicek heissen. es wurde zwar beschlagnahmt, die staatsanwaltschaft mußte das verfahren aber mangels unterstützung der welser polizei wieder einstellen. dieser reintaler hat wieder verbindungen zu diesem wirtschaftszweig und der jungnaziszene, die es ja auch schon in der dritten generation in wels gibt. die haben wieder gute kontakte nach passau, zur dvu oder zum dichterstein offenhausen, wo beim heurigen treffen die welser stark vertreten waren. Das ist eben das netzwerk das es in wels gibt, auf das wir von waschächt ein wachsames auge haben, wo wir soweit sind diese sachen in die öffentlichkeit zu bringen aber auch einen weg versuchen über offizielle institutionen sachen zu verhindern.
im schlachthof haben wir immer wieder kleine schwierigkeiten mit diesen leuten, aber aufgrund ganz klarer beschlüße haben neonazis oder gewalttäter geländeverbot, das auch durchgesetzt wird.

Eine jahrelange Tradition hat ja bei Euch das Festival "Music Unlimited", daß ja auch einer gewissen Entwicklung unterlegen ist. Kannst du das skizzieren wie sich das von einem normalen Festival zu einem projektorientierten Arbeiten entwickelt hat und was euer Anspruch dabei ist.
w.: dazu muß man auch sagen, daß sich das nicht nur von der form sondern auch musikalisch geändert hat.1987 war das erste festival, haben wir versucht neue improvisierte musik zu kombinieren mit neuer e-musik. third stream hat sich das genannt. von dem sind wir dann rasch weggekommen und versuchten das lebendiger zu gestalten. für uns hat das geheissen unseren neigungen zu rockmusik stärker nachzugehen. also sachen die aus der improvisierten szene herausgekommen sind und einen rockpuls hatten. irgenwann ist uns das von der form komisch vorgekommen, das man einfach drei tage macht und seine 12 konzerte abspult. wir sind dann daraufgekommen, daß wenn man direkt mit musikern, die man kennt und die uns nahestehen zusammenarbeitet, und mit denen man gemeinsam das programm erarbeiten, dann erfährt das eine gewaltige auflockerung der ganzen abläufe. das war das erste mal in ansätzen mit dem fred frith so, 1992, war aber am besten gelöst beim hollingern, wo sich peter hollinger wahnsinnig viel arbeit gemacht hat um ein programm zu machen, das nach ganz exakten abläufen 5 stunden lang durchgeht. es wurde das traditionelle bühnenkonzept aufgelöst..
p.: es war ihm sehr wichtig den typischen konzertcharakter konzert-pause-konzert aufzulösen.
w.: somit haben wir beschlossen im 2-jahresrythmus einmal ein normales festival zu machen und einmal einen befreundeten musiker einzuladen, das konzept zu erarbeiten.

Ist das der Punkt wo eine Kulturinitiative auch in das Künstlerische eingreifen kann, gewisse Entwicklungen zu forcieren, Sachen zusammenzuführen die ansonsten nicht zustande kämen?
w.: sicher. man bringt zum beispiel musiker dazu, sich neue sachen zu überlegen. gerade für das heurige festival das unter dem motto technologie und techno steht, ganz neue und witzige formen oder sachen auszuprobieren. also das "tekkno mit störungen" von john rose ist ein komplettes experiment das total in die hose gehen kann oder vollkommen super werden kann.

Gibts irgendwelche Linien oder Perspektiven für die Zukunft, sowohl künsterisch als auch kulturpolitisch, die euch ein besonderes Anliegen sind.
w.: es gibt ja nicht nur unlimited oder andere konzerte, die auf das festival vorbereiten, es gibt ja auch den cornär, den der hasi betreut. da wird versucht pro monat 2-3 österreichische bands zu präsentieren, eine auftrittsmöglichkeit zu geben unter guten technischen und finanziellen bedingungen. da wird versucht sich ganz bewußt abzuheben vom mainstream, man will nicht ständig irgendwelche hypes machen, ständig irgenwelche bands, die die mtv verseuchten jugendlichen halt kennen.

Noch eine kulturpolitische Frage. Ich denke Ende der 70er Anfang der 80er sind Kulturinitiativen einerseits entstanden weil es ein kulturelles und künstlerisches Vakuum gab, andererseits aus einer gewissen oppositionellen Gesinnung gegen die herrschende (Kultur)politik. Ich glaube, daß sich viel davon hin zu einer Schrebergartenkulturpolitik hinentwickelt hat, wo man halt klass die eigenen Sachen veranstaltet und sich eine Insel schuf wo es einen halt gut geht und die Aussensicht verloren hat. Ich denke aber, daß sich aufgrund der Zuspitzung gewisser gesellschaftlicher Umstände diese Widerständigkeit der KI`s und vor allem die der Zusammenschlüsse wieder zunehmen müßte. Ich denke da insbesondere an die KUPF, gibts da von euch Positionen dazu?
n.: das stimmt, dadurch daß die ki-arbeit in den letzen jahren finanziell sehr gut abgesichert war, sicher die bequemlichkeit zugenommen hat, man sich in seiner nische wohlgefühlte und sich zusammenhänge und entwicklungen zuwenig angeschaut hat. faktum ist, das getragen von der äf eine zuspitzung in diesem bereich stattgefunden hat, auch wird das sparpaket gravierende auswirkungen auf die kulturarbeit haben. darum halte ich auch zusammenschlüsse wie die kupf in solchen zeiten besonders für notwendig. die offensivität der kupf ist mangelnd, da glaube ich daß es notwendig ist, innerhalb der kupf diskussionen voranzutreiben und daß offensivstrategien von der kupf wieder übernommen und gefahren werden müssen. das muß innerhalb der kupf passieren und muß von den kulturinitiativen vorbereitet werden. man hat ja bei der letzten generalversammlung ganz deutlich gesehen, da war es nicht möglich inhaltliche diskussionen zu führen.
dazu ist es aber auch notwendig daß sich die initiativen ihr eigenes umfeld genauer anschauen.
w.: schlußsatz: michael ende, du hast unser leben zerstört!

Das Festival "Music Unlimited" findet vom 10. - 12. November im Schlachthof statt.
Die künstlerische Leitung wurde diesmal von dem Geiger Jon Rose übernommen.
Dazu bietet der Schlachthof auch Informationen via Internet an, Adresse: