55/95 von Gustav Deutsch, 1994 Programm #7 wirft Fragen nach dem Wirklichen am Film und dem Fiktiven an der Wirklichkeit auf. Die Filme dieses Abends, durchwegs Pseudodokumentationen mit besten subversiven Absichten, explorieren das Phänomen Fiktion-Film, um uns auf die Unwirklichkeit, die Selbsttäuschung unserer alltäglichen Wahrnehmung von Realität zu stoßen.
Ihren Anfang findet diese Tour durch nahezu 100 Jahren Film- und Illusionsgeschichte in einem verblüffenden physiologischen Experiment, bei dem die ersten Fahrtaufnahmen der Kompanie Lumière als 3-D Ansicht des 19. Jahrhunderts mitzuerleben sein werden. Die Filme sind fast alle aus angeeignetem Fremdmaterial verfertigt, zumeist aus wissenschaftlich-dokumentarischen Bildern der "Industrie", die zu unterschiedlichen Graden von Künstlerhand be- und verarbeitet wurden.
Über die Filmkritik hinaus, die auf diese Art praktiziert wird, erforschen und analysieren diese Werke unsere Welt-Wahrnehmung auf physiologischer, psychologischer und politischer Ebene. Die Dekonstruktion - dem Aufbrechen und Eröffnen von scheinbar Fest= gefügtem - stellen sie selbst die Möglichkeit und das notwendige Bewußtsein von eigener und selbstständiger Sinnkonstruktion bei.
Auch Buñuels surreale sozialkritische Ethnographiestudie Les Hurdes zielt letztendlich darauf ab, den passiven Bildempfänger zur Verwirklichung davon anzustacheln, was allzuoft nur als Fiktion existiert: kritischer und verantwortlicher Mitmensch zu sein, der seinen Augen erst traut, nachdem er die Bilder, die sie (re)produzieren, gründlich in Frage gestellt hat.
Die Filme:
Opening the 19th Century: 1896 von Ken Jacobsen, 1990
Las Hurdes - Terra Sin Pan von Luis Buñuel, 1932
Take the 5:10 von Bruce Conner, 1976
Perfect Film von Ken Jacobs, 1986 (1968)
55/95 von Gustav Deutsch, 1994
Murder Psalm von Stan Brakhage, 1981
Reihe Filmkunst - In Zusammenarbeit mit Sixpack Film, Wien
Programm # 7,
15. und 16. Mai 1995, 20 Uhr
OÖ. Landesgalerie
Museumsstr. 14, 4020 Linz, Tel 77 44 82