KEEP ON KICKIN' IN THE FREE WORLD -

Fußballfans (des FC LINZ) gegen Rechts

Michael Schmida , Feb.95
Es ist der 16. September, Freitag abend. Die 8. Runde der 1. Division der österreichischen Fußballbundesliga steht auf dem Programm. In Steyr findet das Hinspiel der Begegnung FC Linz gegen Vorwärts statt. Unter den ungefähr 1500 mitgereisten Linzer Fans befindet sich auch eine Gruppe, die sich u. a. zum Ziel gesetzt hat, rechte, rassistische (Unter)Töne unter Fußballfans zu bekämpfen.

Es wird vermutet, daß es auch bei dieser Begegnung zu den bei Fußballspielen immer wieder anzutreffenden, rassistischen Schmährufen gegenüber dunkelhäutigen Spielern kommen könnte.

Handzettel werden während der Partie verteilt auf denen zu lesen ist: "Linz ist nicht Wien, Linz ist nicht Salzburg, kein 'UhUh', kein Rassismus in den Stadien".

Vereinzelte "UhUh" Rufe werden mit "Nazis Raus!" Sprechchören quittiert und bereits im Keim erstickt. So gelingt es durch konzentriertes Auftreten, rassistische Schreie(r) klar in der Minderheit zu halten und zum Verstummen zu bringen.

Das Spiel endet mit einem 3 : 0 Sieg für Vorwärts Steyr. 2 Tore davon schoß der 23-jährige Ghanese und Steyrer Stürmer Richard Naawuh. Naawuh wird eine Woche später der Zutritt zu seiner Steyrer Wohnung von aufgebrachten Nachbarn verweigert und der Haustürschlüssel abgenommen. Man habe ja ansonsten nichts gegen "Neger", da man sich an diese Leute "zwangsläufig gewöhnen mußte", aber an "mitteleuropäische Sitten" müssen die sich und so auch der Fußballspieler schon anpassen. Und außerdem muß man das doch verstehen, "da wohnen Frauen mit kleinen Kindern, deren Männer selten daheim sind". Alltäglicher Rassismus in einer österreichischen Kleinstadt.

"Was wir hier in Linz machen soll eine bewußte Abgrenzung von dem sein, wie sich viele Fans vor allem von anderen Vereinen benehmen"

erklärt ein Aktivist der Faninitiative "FC Linz-Fans gegen Rechts".

So etwa beim Linzer Stadtrivalen, dem LASK: "Dort konnte man die "Urwaldgeräusche" der LASK-Fans sogar noch in der Fußballaufzeichnung des Fernsehens hören", weiß er zu berichten.

Und auch in Wien ist die Situation nicht anders: "Als wir das erste Mal unser Transparent 'FC Linz-Fans gegen Rechts!' aufhängten, brüllten Rapid-Fans gleich 'Sieg Heil' los."

Von Presse- oder Rundfunksportreportern wird die rechte Schlagseite vieler Anhänger schlicht ignoriert. Als Austria Salzburg-Anhänger im UEFA-Cup Bewerb des letzten Jahres schwarze Fußballer mit Bananenwürfen bedenken und Grunzgeräusche loslassen, schwärmen diese hingegen ausgiebig über die angeblich tollen Fans und der großartigen Stimmung bei den Salzburgern. Von den rechten Auslassungen kein Wort. Statt dessen Patriotismus und Erfolgsjubel. Für die veröffentlichte Meinung sind rassistische Ausfälle im Fußball ganz einfach kein Thema.

Fußball findet aber nicht im gesellschaftsfreien Raum statt.

Rassistische, sexistische oder nationalistische Orientierungen die in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vorhanden sind, machen auch vor den Toren der Fußballstadien nicht halt. Linke und Alternative ziehen daraus häufig den Schluß, Fußball als rechte Angelegenheit abzutun. Oft nur allein deswegen, weil dort solche Gesinnungen anders oder teilweise offener artikuliert werden als z.B. in Kreisen wo sie auf "theoretischem" Niveau oder als zur Diskussion stellenden "Tabubruch" daherkommen (siehe z.B. dazu nur die Debatte im "Standard" zu US-amerikanischen "Rassentheorien").

In Linz war dies für einige linke, antifaschistische Fußballfans aber ausschlaggebend sich zu einem losen Zusammenschluß zu formieren und so den Rechten nicht kampflos dieses kulturelle und politische Feld zu überlassen. Konkrete Lebensstile, Konsumgewohnheiten und Freizeitaktivitäten (zu Fußballspielen gehen, Fankult, usw.) die sich mit den eigenen decken, wurden zum Ausgangspunkt genommen, bestimmte, dem rechten Mainstream entgegengesetzte Verhaltens- und Einstellungsmuster verstärkt darzulegen und in diesem Rahmen mehrheitsfähig zu machen.

Ein Ansatz, der Alltagskultur und Politik miteinander verbindet und schon allein deswegen sinnvoll erscheint, weil er nicht gleich in die, in der Linken oft vorzufindenden Lehrmeisterhaftigkeit und Ablehnung bestimmter alltagskultureller Äußerungen verfällt. Und dies auch mit teilweise schon erkennbaren Erfolg: Die Unterwanderung der FC Linz-Fanszene durch Rechtsradikale konnte weitgehend aufgehalten werden.

Ein Blick in die BRD zeigt, in welche Richtung die Entwicklung solcher Fangruppierungen gehen kann. Dort haben sich Fans von mittlerweile 17 Vereinen unter dem Kürzel BAFF (Bündnis antifaschistischer Fußball-Faninitiativen und Fanclubs) bundesweit zusammengeschlossen. Der einstmals alleinige Vorreiter der Bewegung, die linken Fans des FC St. Pauli, stehen inzwischen schon seit längerem nicht mehr alleine da.

Letzten Sommer wurde ein BAFF-Kongreß unter dem Titel "Reclaime the Game! - Wir holen das Spiel zurück" abgehalten. In Arbeitsgruppen wurde über die Verkommerzialisierung/Durchkapitalisierung des Fußballs, Versitzplatzung der Stadien, sog. Sicherheitsmaßnahmen die vor allem die Fans treffen, Sexismus im Fußball und ähnliches diskutiert. Die Diskussionen beschränken sich dort also nicht mehr nur auf die Problematik "Fußball und Rassismus" oder faschistischer Fananhang, sondern sind bereits einige Schritte weiter.

In Österreich ist es aber längst noch nicht soweit. Noch gehören hier linke, antifaschistische Fans zu einer kleinen Minderheit und Aktivitäten wie die der Linzer Faninitiative zur Ausnahme. Aber vielleicht gelingt es auch hier den Fans des FC Linz, jene Rolle zu übernehmen, die einst St. Pauli in der BRD inne hatte.