VOM BANGEN DER GÄNSEBLÜMCHEN

von Andi Wahl, Mai 95
Achtung: Wer nicht schon wieder einen Kommentar über "den Umgang mit den kulturfeindlichen Tendenzen von Rechts" lesen will, der/die möge sich das Studium dieses Artikels ersparen - ich hatte zwischenzeitlich keine Erleuchtung, und so habe ich auch nichts wesentlich Neues zu vermelden, nur einige Grundwahrheiten hätte ich noch in der Westentasche.

Die Stellungnahme der KUPF zum "Kultur-Und-Politik-Furz" von Dr. Christl Rockenschaub war noch nicht fertig kopiert, da ist schon das nächste "Feuer frei" aus den F-Reihen zu vernehmen. Ein weiteres Rundschreiben gegen die freie oberösterreichische Kulturszene im allgemeinen und gegen die KUPF im besonderen.

Diesmal mit genauen Zielangaben und klaren Verhaltensregeln für die F-FunktionärInnen (etwa: "Jede öffentliche Subvention für Kulturinitiativen sollte abgelehnt werden, solange sie Mitglied der parteipolitisch agierenden KUPF sind").

Na, da fühlt man sich doch gleich viel wichtiger. Und vor allem erscheint einem das Leben weiter sehr viel einfacher. Angriffe einer rechtsextrem agierenden Gruppe, gegen die man sich nun zur Wehr setzen muß. Selber ist man bei den Guten, auch wenn man manchmal für seine Grobheit gescholten wird, und die anderen sind böse.

Das ist eine klare Sache, da kennt man sich aus. Man zeigt das F-Papier ein bisserl herum, merkt sich, was die FreundInnen dazu sagen, überlegt sich, wie man noch ein wenig g`scheiter sein könnte als sie, geht spazieren - oder sauft sich einen an, und wenn man das Ganze in seinem Kopf ein wenig herumgedreht hat und einem einige spitze Formulierungen eingefallen sind, startet man den Lap Top an und gießt seine Empörung in Leserbriefe, Artikel, Glossen oder Gegendarstellungen, schreibt an gegen die "Gefahr von Rechts", ergeht sich in düsteren Prophezeiungen, wüsten Beschimpfungen, wehleidigen Lamentos oder messerscharfen Analysen - je nach eigenem Naturell und momentaner Gemütslage.

Und flugs, wie von Zauberhand wird aus eine/r/m KleinveranstalterIn ein/e WiderstandskämpferIn. Und als solche/r leistet man vor allem einmal Widerstand. So komplizierte Dinge wie die Transportierung komplexer Inhalte in neue künstlerische Formen, oder gar die Entwicklung gesellschaftspolitischer Utopien, können getrost beiseitegestellt werden.

Denn nun gilt es, sich gegen die Angriffe von rechts zu wehren und die freie Kulturszene zu verteidigen. Daß man der/die Richtige für die Aufgabe ist, beweist schon der Umstand, daß man sich mit seiner bisherigen Kulturarbeit die Erregung der f`schen FunktionärInnen heraufbeschwor. Und wenn man sich auch gelegentlich im Ton vergreift, so macht das gar nichts. Als von den Freiheitlichen gerade zu/r/m WiederstandskämpferIn Gemachte/r kann man sich schon einmal eine kleie Eskapade erlauben. Immerhin ist man ja grundsätzlich ein/e Gute/r.

Aber leider stimmen so einfache Dinge und Sichtweisen meistens nicht - schade. Die F`s greifen uns nicht an, weil sie unsere Arbeit für so abscheulich halten, wie sie in ihren Aussendungen schreiben. Vielleicht halten sie unsere Arbeit wirklich für abscheulich, aber deswegen greifen sie uns nicht an.

Sie haben sich die KUPF als Zielscheibe ausgesucht, weil sie die Macht wollen, und eine entschlossene Ablehnung unserer Machenschaften erscheint in diesem Land als mehrheitsfähig. Diese Blauen Dragoner reiten ihre Attacken gegen die KUPF nicht, weil sie um Moral, Recht und Ordnung (die sie von uns bedroht sehen) fürchten, sondern einig aus der Überlegung, aus dieser Auseinandersetzung politisches Kapital schlagen zu können.

Wir bieten einfach ausgezeichnete Voraussetzungen, um ein gutes, politisch leicht vermarktbares Feindbild abgeben zu können. In der Berechnung der F-Parteistrategen spielt die Kollision mit der Kulturszene nur die Rolle einer Sprosse auf den Leitern zur Macht. Wenn diese in ausreichendem Maße erreicht ist, wird ohnehin nicht mehr lange gefackelt.

Auf dem gesellschaftspolitischen Schlachtfeld, auf dem die rechten Horden immer mehr die Oberhand gewinnen, sind wir quasi nur die Gänseblümchen, die darum fürchten müssen, im wilden Kampfgetose zertreten zu werden.

Sich gegen die Angriffe von Rockenschaub & Co zu wehren, ist mehr als legitim - es ist höchst notwendig. Aber es ist "nur" die Verteidigung des eigenen Lebens und des eigenen Lebensentwurfes. Es ist (noch) keine politisch relevante Tat und bringt uns kein Stück weiter. Dazu bedarf es mehr, als sich um die eigene Haut zu kümmern. Dazu ist es nötig, weit über die eigene Betroffenheit und Bedrohung hinauszublicken und die Strategien der Rechten (nicht nur die der F) zu durchschauen.

Es wäre ein fataler Fehler, sich nur auf die Angriffe, die uns unmittelbar betreffen, zu konzentrieren, denn ohne sie im Kontext der rechten Gesamtstrategie zu sehen, hieße sie nicht verstehen und auch nicht wirklich bekämpfen zu können.

Wenn man das im Hinterkopf behält (die eigene Kleinheit und Unwichtigkeit, die Rolle, die uns einfach zufällt, als die, die eben gerade in der Schußlinie stehen - solange es der Gegenseite als nutzbringend erscheint) entwickelt man auch ein Augenmaß für die Relationen und Dimensionen, in denen sich diese Auseinandersetzungen abspielen.

Unsere bisherige Kulturarbeit war nämlich gar nicht so hervorragend, als daß wir uns die Angriffe der F wirklich verdient hätten. Die F hat uns nur auserwählt, weil es ihnen in ihre Machtstrategien paßt; die F will uns nur als Ball für ihre Spiele benutzen - das ist alles. 1)

Wenn man das bedenkt, dann muß man nämlich nicht auf jede Provokation und jedes Geheul aus diversen rechten Ecken (ernsthaft) reagieren. Und man muß sich auch nicht staatstragend gebärden, als ob das Geschick der Republik in unseren Händen läge.

Befreit von dieser schweren Last, daß man unsagbar wichtig wäre, bleiben dann noch genügend Reserven, um die eigenen Vorstellungen zu verfolgen und an ihrer Umsetzung zu werkeln.

Unsere Aufgabe ist es, so denke ich, gegenwärtig "nur" dafür zu sorgen, daß sich die F an uns gehörig die Finger verbrennt. In den nächsten Schritten wäre es wünschenswert, wenn wir die zusätzliche Aufmerksamkeit, die uns als Angegriffene zukommt, für eine fundamentale Kritik - nicht nur an der F - zu nutzen.



1) damit befinden wir uns übrigens in keiner schlechten Gesellschaft. Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz", dessen Uraufführung Jörg Haider verbieten wollte, wird einige Jahre später von Haider in seinem Buch gegen die Sozialdemokratie zitiert.