JUGOSLAWIEN
UND DIE VOLKSGEMEINSCHAFTLICHE
VERDUMMUNG

Franz Priemetshofer, Oktober 95
Als Bundeskanzler Vranitzky nach dem Überfall auf das serbische Siedlungsgebiet Krajina durch die von Deutschland aufgerüsteten und angestachelten kroatischen Militärs das Leid der vertriebenen 300 000 Serben und vieler Ermordeter beklagte; den Krieg und deren Führer moralisch verurteilte, hat ihn das schlechte Gewissen gepackt. Er hat aber nichts von seiner Verantwortung gesagt, von der österreichischen Regierung und des Parlaments, die der mörderischen Anerkennungspolitik des damaligen Außenministers Mock im Bunde mit seinen großen deutschen kriegstreibenden "Brüdern" Genscher und Kohl zustimmten. Es sollen bei Bundeskanzler Vranitzky und seinen SPÖ-Parteikollegen innenpolitische Motive eine wesentliche Rolle gespielt haben; mit der Zustimmung zur Anerkennungspolitik sollte eine mögliche schwarzblaue Koalition verhindert werden. Daß einem Haider das Herz höher schlägt, wenn das völkische Prinzip in der Politik überhand gewinnt, und wenn es gegen die von den Deutschen und Österreichern verhaßten Serben geht, bedarf keiner besonderen politischen Erläuterung. Der faschistische Überfall auf die Krajina war dann auch bei ihm "rechtmäßig", eine "Rückerorberung", ein Wiederherstellen der staatlichen Souveränität Kroatiens. Was kümmerte es die österreichische Politik und Medien (bis auf ganz wenige Ausnahmen), daß die Krajina Serben dort schon jahrhundertelang lebten, als Siedlerschutzwall gegen die Türken von Österreich-Ungarn angesiedelt.

Bevor Österreich und Deutschland als "Unabhängigkeitstreiber" Kroatien anerkannten, haben Mock, Genscher, Kohl und all die mitbeteiligten Politiker gewußt, was Tudjman vorhatte und am 22.Dezember 1990 in die Verfassung schrieb: "Kroatien ist der Staat des kroatischen Volkes". Ausweise bekamen nur mehr "reine Kroaten", die Serben verloren ihre Arbeit und ihre Rechte. 700 000 Serben lebten zu dieser Zeit in den nach dem 2.Weltkrieg gezogenen kroatischen Republiksgrenzen innerhalb der jugoslawischen Union; für sie waren keine Autonomie- oder Minderheitenrechte vorgesehen, sie wurden über Nacht zu Bürgern zweiter Klasse. Heute 1995 sind fast alle Serben aus Kroatien vertrieben, viele ermordet. Die heuchlerischen Deutschen, immer die ersten, wenn es darum geht, im völkischen Sinne "Selbstbestimmung", Minderheitenrechte einzufordern, wenn es um deutsche Minderheiten oder ihre sezessionistischen Liebkinder geht, hatten einen derartigen Status für die Serben natürlich nicht vorgesehen. Die erste Angriffswelle konnten die Serben noch abwehren, weil die kroatische Armee noch nicht so gut ausgerüstet war, was inzwischen durch die Deutschen geschehen war, und weil die internationale Hetzpropaganda gegen die Serben noch nicht soweit fortgeschritten war. Inzwischen hatte sich die kroatische Regierung mit den amerikanischen Medienkonzernen Ruder Finn und Hill & Knowlton zusammengetan, die ihre Effizienz bereits mit der Erfindung des von Irakern angeblich verübten Massenmordes an Brutkastenbabys in Kuweit unter Beweis gestellt hatten. Diese Agentur war auch mitverantwortlich, als ein von bosnischen Muslimen an Muslimen in Sarajevo 1992 verübtes Massaker zu einem serbischen wurde, woraufhin die UNO das Embargo über Serbien verhängte. Ihre PR-Aufgaben ist es nach Orwell Krieg in Frieden, Überfall zu Herstellung staatlicher Souveränität, ethnische Säuberung zur Flucht, General Mladic und Karadzic` zu Kriegsverbrechern usw. umzudefinieren. - Und die noch nicht so alten Massenmorde des faschistischen Kroatiens aus dem 2. Weltkrieg, wo an die 700 000 Serben von Kroaten abgeschlachtet wurden, zuzudecken.

Göbbels hat seine professionellen Nachfolger gefunden. Da darf natürlich der zum Massenmörder und Kriegsverbrecher medial tausendfach verteufelte bosnische Serbenführer Karadzic` nicht als normaler Politiker zu Wort kommen, sondern nur im Zusammenhang mit Greueltaten. In einem Interview für den jetzt in Griechenland lebenden Schriftsteller Arnold Shermann geht er auf die wahren Kriegstreiber ein: "Wie Sie wissen, hat Deutschland den Krieg auf dem Balkan gewonnen. Was auch immer die Geschichtsbücher sagen mögen, die Deutschen haben letztendlich ihre Ziele in dieser Gegend erreicht. Das brutale Vorgehen Hans Dietrich Genschers hat Deutschland auf dem diplomatischen Parkett zu einem Sieg verholfen, den es auf dem Schlachtfeld nicht erringen konnte. Wenn es jemals ein internationales Tribunal geben wird, das über die Kriegsverbrechen in dieser Region richtet, und wenn die Richter ehrliche Leute sind und anerkennen, daß die Gründe für einen Krieg genauso wichtig sind wie die Verbrechen und die Verbrecher, dann müssen der österreichische Außenminister Alois Mock, die Deutschen Genscher und Kohl und viele andere Westeuropäer vor die Schranken dieses Gerichts gestellt werden. Sie haben internationale Abmachungen verletzt, indem sie Abspaltungsbewegungen unterstützten. Alle zusammen haben sie die Augen vor der Verletzung der Menschenrechte verschlossen. Und was vielleicht das Schlimmste ist, sie haben sehr gefährliche Präzedenzfälle geschaffen, die in Zukunft großes Leid über viele Völker bringen werden." (Arnold Sherman, Die Zerschlagung Jugoslawiens, Freiburg 1994, S. 183)

Die Ethnisierung der Politik, von den Nazis in seiner extremsten Form zum Völkermord vollendet, immer schon vorhanden, aber international offiziell geächtet, gewinnt von der deutschen Politik forciert oberhand über völkerrechtliche Vereinbarungen, über die Menschenrechte. Niemand spricht über das Leid der Menschen in der serbischen Republik, die durch das Embargo ausgehungert werden, wo massenweise Kinder wegen medizinischer Unterversorgung sterben, die Infrastruktur nicht mehr funktioniert. Wer in Österreich tritt dafür ein, daß dieses Embargo aufgehoben wird? Zuerst stranguliert man ein Land und dann hilft man ihm ein bißchen, um das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen.

Verhehrende Auswirkungen hat der Krieg in Ex-Jugoslawien auch auf die Köpfe der Menschen bei uns, auf ihr politisches Bewußtsein. Es geht wieder um nationale Identitäten, reine Völker, um Ethnien, um Blut, usw. als gestaltendes Prinzip in der Politik. Politisch ohnehin schlecht erzogen, nistet sich dieses Prinzip wieder wie selbstverständlich in die Hirne der Menschen ein. Es wird wieder volksgemeinschaftlich zusammengerückt, die sozialen, herrschaftlichen Differenzen lösen sich auf, Pazifisten und Friedensmarschierer schreien auf einmal nach Bomben.

"Empfinden Sie Haß?", wurde Jura, ein im Krieg verletzter bosnischer Serbe gefragt; "Eigentlich nicht,", antwortete Jura. "jedenfalls hasse ich keine Kroaten und Moslems. Wenn ich jemanden hasse, dann die Deutschen und die Österreicher. Sie haben mein Land mehr als irgend jemand sonst zerstört - und meine Hoffnungen".

Tudjman ohne internationale politische Aufwertung, ohne Geld, ohne Waffen, ohne PR, hätte keine Chance gehabt, einen ethnischen (Stellvertreter-) Krieg zu entfachen. Dann hätte verhandelt werden und nicht geschossen werden müssen. Nur die Deutschen und Österreicher hätten ihre geopolitischen und andere Ziele nicht erreicht.