Rund ums runde Leder
Teil 1: Faktenverwertung. Der Fußball in OÖ.
Christian Wellmann , Feb.95
Am viel strapaziertem runden Leder führt kein Weg vorbei: Sei es Fantum, eine haßerfüllte Bindung oder eine diskussionsauslösende Angelegenheit. 22 Verrückte, die einem Ball nachjagen oder die wichtigste, weil schönste Nebensache der Welt? Faktum ist, das diese Sportart (plötzlich) wieder "in" ist, wieder "salonfähig" wurde; auch dank den Ravern, die Sportequipment als hipes Massen-Freizeit-Kulturgut (re-)etablierten oder Casino Salzburg, die mit der Macht des Kapitals und einer Fanhorde, die Schamhaare nur vom Hörensagen kennt - Don`t believe the hype! - die Medienwelt violett einfärbten und Massen begeisterten, die ansonsten Fußball mit der Kneifzange anfassen; bei gleichzeitigem Absacken des Nationalteams und einer WM im Fußballneuland USA, die nur mäßig begeistern konnte.
1994 war ja ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr für den Fußball ob der Enns. FC Vorwärts Steyr etablierte sich im Mittelfeld der ersten Division, mit dem Linzer ASK (die Bezeichnung LASK wurde vom Präsidenten bis auf weiteres in Frühpension geschickt) und dem FC Keli Linz zwei (Wieder)aufsteiger in die Zehner-Liga. (Mit diesen 3 Mannschaften stellt OÖ die meisten Vertreter eines Bundeslandes in der höchsten Spielklasse). Des weiteren zeichnet sich in SV Ried ein ambitionierter Anwärter für den Aufstieg in die 1. Division ab und mit SV Braunau gibt es einen situierten Verein der 2. Division.
Jürgen Werner (FC Linz) und Walter Hochmaier (Linzer ASK) kamen zu Einsätzen im Nationalteam und Christian Stumpf (FC Linz) ist mit 10 Treffern derzeit zweitbester Torschütze der ersten Division.
Wie man sieht: Lokalpatriotismus rules und hat durchaus Berechtigung - Wermutstropfen bleiben einzig die Tatsachen, daß Fußball immer mehr zum Angestellten-Passivsport mutiert und der Umbau des Linzer Stadions zu einer "internationalen" Sitzplatz-Arena (ab nächster Saison muß man sich mit umrüstbaren Sitzplätzen abplagen ("Wenn es die Situation erfordert, kann das Stadion auch wieder zu Stehplätzen umfunktioniert werden." - aus: Linzer Stadtzeitung). Der Fan schweigt gepflegt...
VORWÄRTS STEYR: Das schmucke Stadion - Laufbahnfrei - nahe dem Zentrum ist selten zur Zufriedenheit des Kassiers gefüllt (der Schnitt der Heimspiele `94: 5.167; zum Vergleich: Linzer ASK: 8.833 (nur übertroffen von Innsbruck und Salzburg) und FC Linz: 6.494). Die Stimmung hat mit der landläufigen Fußball-Atmosphäre wenig gemeinsam. Für den Aufenthalt in der 1. Division gilt: Man war nie richtig gut, nie richtig schlecht. Zur Zeit gebärdet man sich als biedere Handwerker-Elf, mit zusammengekauften Ex-Stars (z.B.: Westerthaler), "Rackerern" und unbekannten, jedoch durchschlagskräftigen Ausländern, wie etwa dem quirligen Ghanesen Naawuh.
Fazit: Die sportliche und finanzielle Zukunft scheint gesichert und ein Platz im Mittelfeld der ersten Division realistisch.
LINZER ASK: Der Traditionsverein und Stolz von OÖ, wie man sich selbst gerne bezeichnet, wird derzeit von Juwelier Otto "Dagobert" Jungbauer eisern geführt. Die sonst Pro-Linzer-ASK eingestellten Medien nehmen sich kein Blatt vor das Schandmaul und berichten (fast) tagtäglich über eine neue Sensation des wie ein "Greißlerladen" (Kronen Zeitung vom 22.12.94) geführten Vereins (z.B.: Entlassung des Managers, trotz beispielhafter Aufopferung; Finanzskandale; Informationsfluß endet vor Trainer und Spielern; Einsparung bei Spielerbetreuung;usw.).Die Gerüchteküche darf brodeln und bekommt reichlich Brennstoff.Man kann noch immer die meisten Fans in OÖ mobilisieren, stellt mit Libero Kartalija einen der besten Fußballer Österreichs, kann dank eines aufopfernd rackernden Trainers, Skocic, manchen "Großkopferten" Paroli bieten und wird, falls der Präsident seine vorsinnflutlichen Vorstellungen fallen läßt, in Zukunft in der 1. Division ein Wörtchen mitreden. Entwürdigend für jeden Fan sind die Schwankungen des Spielerkaders: Bei manchen Spielen war der Trainer glücklich 11 gesunde Kicker begrüßen zu können - es wurde sogar (ernsthaft!) überlegt, den Tormann im Sturm antreten zu lassen. Durch einige Blitzverpflichtungen konnten die Schwarz-Weißen das Wasser unter Halsniveau einpendeln lassen.
Fazit: Ohne gezielte Nachwuchsarbeit und Aufstockung des Spielerkaders wird man spätestens in ein,zwei Jahren nicht mehr in der 1.Division zu finden sein.
FC LINZ: Wie Steyr und der Linzer ASK fehlen den Blau-Weißen nur wenige Zähler zur Spitze, doch dürfte der Verbleib in der obersten Spielklasse vorrangiges Ziel dieser Saison sein. Vorallem Schwächen in der Abwehr ließen fast doppelt so viele Treffer wie beispielsweise Salzburg, Austria Wien oder Linzer ASK zu. Die Vöest stieg als Sponsor aus und kümmert sich nun um den Nachwuchs, der, durch Tabellenplatzierungen belegbar, zum besten von Österreich zählt.Um diese vorbildliche Arbeit wird man allerorts beneidet und genug Talente dieser Schmiede schafften bereits den Sprung in die Kampfmannschaft. In der Saison `93/`94 erreichte der FC Linz, als Zweitdivisionär, sensationellerweise das Cup-Finale gegen Austria Wien (das 4:0 verloren ging).Mit dem Stahlexpreß (ein Fan-Zine - bekanntlich das stärkste Fan-Medium) haben einige Fans ein sprachgewaltiges Organ des Vereins gegründet. Steyr und Linzer ASK-Fans wußten diese Waffe bis jetzt nicht zu nützen. Vorbildlich eine weitere Fan-Aktion: FC Linz-Fans gegen Rechts - angelehnt an etliche Aktionen in Fußball-Europa. Let`s kick racism out of football!
Fazit: Heuer sollte der Erhalt in der ersten Division geschafft werden - die eklatanten Abwehrschwächen müssen ausgebügelt werden.