LICHT INS DUNKEL

von Willi "Erdmann"Mayrwöger , März 95
Was haben der Ötscherbär, die Milkakuh, das Altenheim und Techno gemeinsam? Es sind gar schöne Produkte der Kultur-artifiziell mit einem realen Kern, denn natürlich hat der Bär Zähne, die Kuh gibt Milch, die Oma ist eventuell verwirrt, der Enkel irritiert.

Alle lassen sich ganz fein vereinnahmen, nach der astrologischen Beratung geht auch die Junge Rechte schon mal auf ein Rave (Marschmusik), Behinderte und Alte eignen sich für den hausgemachten, periodischen Skandal, der Bärli für das Sommerloch und politisch korrekt sind sie schon gar nicht. Ganz im Gegenteil - sie sind immer für einen Scherz gut; die Lauser. Darum ökologisieren, zielgruppenorientieren, therapieren, heideggern sich "Fachleute" eins ab - Verallgemeinerungen everywhere, "das geht uns alle an" - kollektive Schuldbekenntnisse aller Lobbies, bis du mit Moral von oben bis unten zugeschissen bist.

Längst gibt Hollywood auch im Sozialen die Themen vor: Heute interessieren uns Rollstuhlfahrer mit wahnsinnigen intellektuellen Fähigkeiten, gestern noch Schizos (silence of the lambs),....Bill Cosby gibt Nachhilfe in Sachen Pädagogik und ist repräsentativ für den Stand der Infogesellschaft. Armut wird als Kommunikationsdefizit verstanden, und Unglück ist immer zuerst sozialer Abstieg. Die Opfer konstituieren sich als Notgemeinschaften und werden dadurch erst recht sichtbar. Was sich nicht in Geldwert ausdrücken läßt, verschwindet am Gesellschaftsradar.

Auch den im Sozialbereich Beschäftigten wurde durch Bezahlung der Weg vom religiös motivierten Helfen zur Profession ermöglicht. Sie verfügen allerdings über wenig beglaubigte Ausbildung, darum wird ihnen der Beweis für ihre Tätigkeit täglich neu abverlangt, im Gegensatz zu Titelinhabern. Gleichzeitig ziehen die helfenden Berufe Menschen aller Sparten an, die in dieser indifferenten Stellung auch Gestaltungsspielraum sehen. Die Differenz zwischen Realität und ideellem Anspruch verführt die Aufstiegswilligen in jenem Bereich zur "Selbsterfindung", der Sozialmanager ist geboren.

Statistische Ziele stimmen ihm mit den institutionellen völlig überein. Ansprechbarkeit, Konsum und Bildungswilligkeit werden hergestellt, der Markt benötigt konstante Beziehungsregeln.Der Staat meßbare Daten, Berichte ersetzen die Aktion - im konkreten gesetzt - tagebuchartige Aufzeichnungen, Anekdoten sollen gute Laune öffentlichkeitswirksam vermitteln. Wie bei Eheschlüssen im 19.Jhdt. üblich, wird das "Haushaltsbuch" mit in die Ehe gegeben. Statt realer Freiraum bleibt den Leuten nur mehr Mülltrennung und das Einführen biologischer Putzmittel als Gestaltungsmittel. In diesem Klima sind Fehlerquellen zwar differenzierbar, aber nicht zuschreibbar.Es entsteht eine individuelle Ungewißheit, ob richtig gehandelt wird. Übrig bleibt der vage Begriff der Selbsterziehung, d.h. "Liebe über den Daumen gepeilt".

Wer täglich mit Alten, Behinderten, psychisch Kranken, Randgruppen zu tun hat, läuft Gefahr zu dehumanisieren. Der periodisch auftretende Altenheimskandal ins System eingeschrieben.

Doch die Zukunft ist vielversprechend: Das Soziale - speziell:"Behinderte" als Avantgarde des Designs.In Japan ist bereits der erste Priesterroboter in Betrieb und das bestätigt doch die schöne Ähnlichkeit von Maschinenbau und Pädagogik. Pränatale Diagnostik als Technikfenster, das Sicherheit schaffen soll, im Sinne von Vorhersagbarkeit, verkehrt sich ins Gegenteil und schafft erst recht Unsicherheit.Simulationsmaschinen werden uns platzsparende Freizeitgestaltung ermöglichen, z.B. Schwimmen, golfen....Bioengeneering schafft Schmerzfreiheit und halluzinogene Effekte; Gentechnologie endlich Fortpflanzung ohne Sex. Nanomaschinen (unvorstellbar klein) kreisen im Körper-Video allerorten und das High Techklo mit integriertem Fön sowieso.

Nur wer sich jetzt schon ein quasi religiöses Verhältnis zur Maschine erwirbt, wird im Alter total glücklich sein und derer werden Viele sein.

(Auf der Benutzeroberfläche wird das Gesicht deiner liebsten Projektion programmiert sein.)