Bret Easton Ellis: "THE INFORMERS"

Anne schreibt Briefe an Sean, die er wahrscheinlich niemals liest. Randy hat einen Ferrari 308-GTB, und weiß von drei Vampiren, die in den Woodland Hills leben. Jemand aus Encino mag kein Pferdeblut, aber sein Kühlschrank ist voll mit rohem Fleisch. Miranda hatte Gruppensex mit ein paar Studenten der Universit< of South California. Samen und Blut sei eine köstliche Kombination.........

Die frühen Achtziger in Los Angeles. Anne, Sean, Randy und Miranda haben eines gemeinsam: Sie leben den Tod ihrer Seelen. Der Zeitvertreib dieser Luxus-Geschöpfe erscheint dabei weder stumpf, noch grausam, oder krank, sondern in seinem Ablauf über alle Empfindungen erhaben und selbstverständlich. So selbstverständlich tote Sexpartner in Dirk`s Schlafzimmer eben sein können.

Nach dem Wallstreet-Blutrausch "American Psycho" kehrt Autor Bret Easton Ellis mit seinem vierten Roman wieder in alte Gefilde zurück. Wie in "Unter Null" und "Einfach Unwiderstehlich" wimmelt es in "THE INFORMERS" von reichen Individuen, denen es an nichts fehlt, außer an etwas Seele. Wer bislang dachte, Nihilismus wäre schlimm, der kann jetzt nachlesen, wie es sich anfühlt, wenn man nicht einmal mehr verweigert. Große, feine Sache.

Andreas Kump


Georg Seeßlen: VOLKSTÜMLICHKEIT.

Über die gnadenlose Gemütlichkeit im neuen Deutschland. Weisser Stern 1993, 150 Seiten, öS 180,-.

Der Terror der Volkstümlichkeit ist allgegenwärtig - ob im TV oder Radio, im Möbel- oder Wirtshaus. Kaum jemand unterzieht sich der Mühe einer Analyse dieses, wie wir gerne sagen,"ordentlich tiafen" und genuin deutschen Genres. Sind sich wohl alle zugut dafür. Nicht Georg Seeßlen, verdienstvoller Erforscher der Populärkultur. Seeßlen hat sich das alles angetan: sah Carolin Reiber und Ilona Christen im Fernseh, litt im "Foltergarten des Frohsinns";, war auf großer Kaffefahrt, auf einer "Reise durch die sexuelle Ökonomie der Provinzkultur" und lauschte am Stammtisch ";als mythopolitischen Gnadenort";. Beim Lesen der essayistischen Momentaufnahmen von der gnadenlosen Gemütlichkeit im neuen Deutschland kommt einem naturgemäß oft das Lachen.

Doch ist dies Lachen meist aus dem Stoff, der im Halse stecken bleibt. Denn "im Genre der Volkstümlichkeit feiert zugleich der halbneue Mittelstand (der Mittelstand vorder grünlinksalternativen Spießerwelt) seinen relativen Reichtum, und werden die Verlierer des jeweils neuestens Modernisierungsschubes getröstet. Die gemeinsame Regression schafft eine Harmonie gerade zwischen den Schichten, die einander am meisten Neid und Furcht gegenüber bringen müßten; es ist eine neue Variante jener 'Volksgemeinschaft', die schon einmal alle Klassengegensätze zu ersetzen hatte..."

Kurt Holzinger