Alex, man muß nicht sonderlich klug sein, um zu begreifen, daß der Zugang zu einem Massenmedium, oder gar der Besitz eines solchen Einfluß, ja Macht bedeutet. Was will das "Freie Radio" mit dieser Macht?
Im wesentlichen ist es für viele Leute von uns ein medienpolitisches Engagement. Dabei geht es darum die Medienlandschaft demokratischer zu gestalten. Im Printmediensektor gibt es, bei aller Kritik, zumindest prinzipiell für jeden die Möglichkeit eine Zeitung herauszugeben, ohne von vorneherein schon Beschränkungen zu unterliegen. Im elektronischen Medienbereich ist dies bis dato nicht möglich. Im wesentlichen wird dies damit begründet, daß Frequenzen eben nur in beschränktem Ausmaß zur Verfügung stehen. Nun soll dies für Private möglich sein. Es ist aber jetzt schon klar, daß kommerzielle Nutzer das Radio nicht als Kommunikationsmittel verwenden, sondern ganz einfach damit Profit erzielen wollen.
Mein Herangehen zur Technologie Radio ist das, daß ich, genau wie Brecht, das Radio in erster Linie als Kommunikationsmittel ansehe, eine Möglichkeit verschiedenste Themen, unter Einbeziehung der Betroffenen, öffentlich zu diskutieren. Eben eine Demokratisierung und freier Zugang zu diesem Medium. Dabei geht es uns vor allem um Inhalte, die nicht mehrheitsfähig sind, und daher bei kommerziellen oder öffentlich/rechtlichen Anstalten keine Möglichkeit auf Verbreitung haben. Das heißt natürlich "Minderheitenprogramm" mit dem wir nicht so viele Menschen erreichen werden wie der ORF oder kommerzielle Sender.
Genauer ! Wie darf ich mir so ein Programm vorstellen?
Wir haben natürlich ein Konzept erarbeitet, das sich vor allem dadurch auszeichnet, daß wir das System Sender - Empfänger aufheben und jeder Empfänger auch Sender werden kann, indem er selbst Sendungen produziert.
Wir arbeiten zur Zeit auch an einer Ausbildungsschiene um Leute schon im Vorhinein zu befähigen, mit der Technik zu arbeiten und sich inhaltlich mit dem Medium auseinanderzusetzen. Dazu gibt es im von der VHS und der Diözese bereits Kurse. Selbst führten wir beispielsweise ein Projekt bei der diesjährigen Ars Elektronica durch, wo wir 24 Stunden im ORF Programm machten. Unser Programm tauschen wir auch international aus, wir waren in Berlin, in Spanien und auch in Zimbabwe. An dem wollen wir jetzt kontinuierlich weiterarbeiten, damit wir, wenn die Lizenz da ist, damit arbeiten können.
In der freien Kulturszene war lange Zeit eine ziemlich lasche Haltung zum Freien Radio, so in dem Sinn, daß ein nichtkommerzielles Radio so und so nicht realisierbar sei, und die Leute bevor sie sich engagieren zuerst einmal abwarten wollen, ob da was rauskommt. Durch unsere intensivere Öffentlichkeitsarbeit, gerade im letzten Jahr, ist aber auch bei diesen der Glaube daran, daß ein nichtkommerzielles Radio demnächst kommen könnte, größer geworden.
Kommt es? Wie ist der aktuelle Stand Eurer Bemühungen?
Wir haben beim Verfassungsgerichtshof gegen die bereits erfolgte Lizenzvergabe an die Oberösterreichische Privatfunk Ges.m.b.H geklagt. Diese Klage hat bewirkt, daß die Privatfunk Ges.m.b.H bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshof nicht zu senden beginnen darf.
Der Verfassungsgerichtshof macht nun ein Normprüfverfahren, dabei geht es um den Frequenznutzungsplan, und aller Wahrscheinlichkeit nach wir dieser fallen. Das heißt, das Parlament muß die entsprechenden Gesetze novellieren, ein neuer Frequenznutzungsplan erstellt und die Lizenzen müssen neu ausgeschrieben werden. Was dann natürlich heißt, daß das Ganze so ziemlich wieder von vorne los geht. Mit dem großen Unterschied allerdings, daß wir nun unser Konzept schon relativ fertig in der Hand haben, kleine Verbesserungen werden wir allerding noch vornehmen. Die Zeit bis zur Lizenzvergabe werden wir für eine weitere Qualifizierung im Programmbereich nutzen. Wir produzieren auch bereits Beiträge für die Schublade und einiges für das Freie Radio Steiermark.
Einen wesentlichen Fortschritt unser Bemühungen stellt sicher auch die Beschlußfassung einer Resolution zum Freien Radio im Linzer Gemeinderat dar. In diesem von den Sozialdemokraten und den Grünen eingebrachten Antrag wurden unsere Forderungen voll inhaltlich übernommen.
Wie lange wird es da noch dauern bis ich das Freie Radio in meinem Wohnzimmer habe - oder anders, bis wann braucht Ihr meinen ersten Beitrag?
Ich kann mir vorstellen das Anfang nächsten Jahres wieder Lizenzen ausgeschrieben werden, ob es dabei wieder eine Differenzierung zwischen Regionalradio und Lokalradio geben wird, ist noch nicht abzusehen, aber es ist wahrscheinlich. Wie lange es dann noch bis zur Lizenzvergabe dauert? Anzunehmen ist, daß sie `97 vergeben werden, und dann geht's voll los.
Eine Frage, die in der Radiodiskussion immer wieder auftaucht ist die, ob es angesichts der Entwicklungen auf dem Gebiet der elektronischen Medien Sinn macht, sich alleine auf das Radio zu konzentrieren. Ist die Bedeutung des Radios nicht schon soweit gesunken, daß die (Medien)Mächtigen getrost das Radio ein bisserl den freien Gruppen überlassen können, da damit ohnehin kaum noch entscheidender politischer oder wirtschaftlicher Einfluß zu erzielen ist?
Natürlich sind neue Medien auch sehr attraktiv, vor allem die Möglichkeit, daß jedeR auch selbst eingreifen kann. Allerdings mußten Internet- bzw. MailboxbenützerInnen auch die Erfahrung machen, daß man niemals die Zeit aufbringen kann, sich das ganze Angebot anzuschauen und gegebenenfalls zu reagieren. Ich bin selbst auch Mailboxbenutzer und schau mir auch immer nur die aktuellen Sachen auf dem Gebiet der nichtkommerziellen Radioprojekte an. Durch diese starke Vorselektion, die man durchführen muß, bleibt der eigene Horizont erst wieder ein sehr beschränkter. Daher wird immer das Bedürfnis nach Medien bestehen, die einen mit Informationen zu Themen versorgen, an die man von selbst nicht denkt. Jedes Medium hat seine Bereiche, für die es das optimale ist. Es gibt bestimmte Felder, wo auch das Fernsehen für das Radio keine wirkliche Konkurrenz ist, man kann beispielsweise neben dem Fernsehen nicht wirklich arbeiten. So finden zum Beispiel 76% des Radiokonsums im Haushalt, neben der Hausarbeit statt. Ich mache mir keine Sorgen, daß das Radio stirbt.
Nun zu Eurem Buch. Wozu habt Ihr es gemacht, was steht drinnen und weshalb soll man es sich kaufen?
Gemacht haben wir es hauptsächlich, weil sich kaum eineR auskennt in der Radiodiskussion, vor all was den nichtkommerziellen Bereich angeht. Es ist eine Zusammenfassung des aktuellen Stands der Dinge. Wir haben auch viele Beispiele aus dem Ausland dargestellt, wo der nichtkommerzielle Bereich weitaus anerkannter ist, als in Österreich. So sind etwa Finanzierungsmodelle dargestellt. Auch Diskussionen zum Spannungsfeld Kommerzielle - Nichtkommerzielle - Öffentlich/rechtliche sind im Buch enthalten.
Auch technische Sachen finden sich, wer weiß schon, was ein Frequenznutzungsplan ist, Cap mußte ich das in einem Gespräch gleich dreimal erklären.
Wir haben auch juristischen Belangen breiten Raum gewidmet, wie etwa dem Vergleich verschiedener Radiogesetze in der Bundesrepublik, Frankreich usw.
Natürlich finden sich auch Diskussionsbeiträge wie man Programm gestalten kann, wie verschiedene Nichtkommerzielle dort und da arbeiten, wie man Weiterbildung machen kann - also alles nur erdenkliche.
Es ist eine Mischung aus Kommunikationswissenschaft und Praxis.
Wer sollte sich Euer Buch kaufen, welche Zielgruppe habt ihr anvisiert?
Alle, die mit Radio zu tun haben, oder sich dafür interessieren. Das sind die Leute von der Regionalradiobehörde, die Mediensprecher der Parteien, Landeskulturbeirat usw. Weiters natürlich alle medienpolitisch Interessierten, und selbstverständlich jene, die selbst Radio machen (wollen) - eben alle, die auf diesem Gebiet klüger werden müssen, oder wollen.
Danke für das Gespräch und den Tee.
"Radiokultur von morgen"
Hrg. Johanna Dorer und Alexander Baratsits
Verlag für Buchkultur
Ös 298,-
Erhältlich bei den Buchhandlungen ALEX, VERITAS und AMADEUS, sowie bei der Gesellschaft für Kulturpolitik, Weißenwolfstr. 5, 4020 Linz, Tel.: 0732/783089
Wer Interesse an den Weiterbildungsprogrammen des "Freien Radio" hat, oder sonst irgendwie mitarbeiten möchte, wendet sich am besten an die Stadtwerkstatt (Georg Ritter, Tel.: 0732/731209)
RADIOKULTUR VON MORGEN
Buchpräsentation und Podiumsdikussion am
Do. 19. Okt. im Theater Phönix/Linz.
Eingeladene Diskutanten:
Mag. Rudi Anschober (Grüne), Univ. Prof. Hans Heinz Fabris (Publizistikinst. Slzbg., Mitautor des Buches) und Vertreter der Freien Szene.
Moderation: Josef Fenz (alias Hermes Phettberg)