"Die Rede halte ich zur Eröffnung der Ausstellungen Kunst.schleppt.Kahn sowie Schicht für Schicht für Schicht (...) im Rahmen der AK-Veranstaltungsreihe `Aufruf zur Phantasie' am 26.4.95", und fragt: ...vielleicht könnt Ihr den Text brauchen?" Ja, danke, wir können.
Brauchen können wir auch die Zeichnung von Dr. Wolkerstorfer , dessen "literarphilosophische Episteln" (Wolkerstorfer), wie unter der Rubrik "leserInnen schreiben uns" vom 00-hillinger angekündigt, uns regelmäßig ins Haus flattern. Die Episteln haben wir Ihnen, liebe LeserInnen, (bislang) vorenthalten.
Nicht so die Zeichnung. Sie finden Sie, ebenso wie die Renoldnersche Rede, auf dieser Seite!
Ich weiß jedoch auch, daß man sich viel einreden kann. Denn: und diese These werde ich kurz vorstellen:
Das will ich mit dem für mich abgedroschenen Wort vom Künstler als Samariter und Sozialarbeiter entgegenstellen. Es mag schon sein, daß eingangs erwähnter Schauspieler vielen viele freudige Augenblicke gebracht hat, das aber, und dessen bin ich mir sicher, ist nie sein Anlaß gewesen, Schauspieler zu werden. Wenn ich anderen wirklich helfen will, muß ich Sanitäter werden oder Krankenpfleger oder Entwicklungshelfer oder Sozialarbeiter. Vom Fernsehschirm herunterlachen ist zuwenig.
Unabhängig davon, mit welchem Zeitaufwand sich eine/r mit Kunst beschäftigt, sie oder er beschäftigt sich mit sinnlosem Tun, solange sie oder er nicht aufklärerisch tätig sein will und die Belehrungen in sogenannte Kunst verpackt. Auch der Antrieb des Künstlers, der in der Regel durchaus irdisch ist, - der eine glaubt, berühmt werden zu können, der andere lebt seine neurotischen Störungen aus, wieder ein anderer seine merkwürdigen Obsessionen, einer will dem Leben entkommen, der andere so das Leben finden - auch dieser Antrieb kann nicht darüber hinwegsehen lassen, daß der Künstler objektiv betrachtet ...Sinnloses tut. Nach einer Therapie wäre er vielleicht voll in den Arbeitsmarkt intergrierbar und somit ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft.
Das würden manche, auch Politiker, heute sagen, weil sie nicht wie ich ins
Herumlaufen, man nennt das Joggen, oder einen Ball in der Gegend herumschießen, also Squash oder Tennis spielen, hat einen besseren Ruf. Sport ist nämlich nicht sinnlos, Sport stählt, härtet ab, macht leistungsfähiger, bringt somit Umwegrentabilität, auch wenn manche Sportler mit fünfunddreißig oder noch früher Invalide sind, oder wie manche Autorennfahrer längst verstorben sind. Das sinnlose Tun der Künstler jedoch hat trotz Umwegrentabilität mancherorts schlechten Ruf, vor allem bei denen, die ehrliche Arbeit und angepaßte Rechtsschaffenheit als höchstes Gut sehen.
Künstler ist der, der sich als Künstler bezeichnet, oder der von anderen Künstler genannt wird. Das genügt. Künstler werden mit heutzutage kaum mehr anzutreffenden Dorfdeppen veglichen, mit Menschen, die zu nichts zu gebrauchen sind, und die in ihrer Narrenfreiheit Sinnloses machen durften, die nicht in den Kategorien Wertschöpfung, Geldvermehrung, Unterhalt -verdienen etc. denken mußten. Da steckt einer Zeit und Geld in eine Tätigkeit, die weder als Dach über dem Kopf dienen kann, noch der überwiegenden Mehrzahl an Künstlern die Butter aufs Brot bringt. Die müssen doch blöd sein!
Auf der anderen Seite aber, und das mag viele verwundern, wird von der politischen Rechten der Kampf gegen die Kulturschaffenden genauso geführt wie gegen Ausländer und sogenannte Sozialschmarotzer. Sogar Kriminelle bedeuten für die Rechte weniger Gefahr als viele Künstler. Im dritten Reich war es für viele ein Todesurteil, Künstler zu sein.
Ganz dumm ist nicht mal die Rechte. Ihre Abscheu und ihre Angst vor Kunst hat Berechtigung, und so ist es leider wie mit vielem in dieser Welt: Die Gegner der Kunst erkennen deren Bedeutung besser als manche stille Befürworter, Beifallnicker und öffentliche Vorklatscher.
Die Kunstschaffenden tun nichts anderes, als ein wenig genauer hinzusehen, ein wenig genauer hinzuhören, manches ein wenig genauer auszusprechen. Das mag sie Dinge sehen, hören oder aussprechen lassen, die nicht allen angenehm sind. Darüber hinaus werden die Künstler vor allem durch ihr sinnloses Tun zu Rebellen. Sie führen vor Augen, daß die ringsum als Sachzwang erlebte und beschriebene Wirklichkeit nur eine Deutung der Wirklichkeit ist. Es geht auch anders, wenn man nur anders will. Man muß nicht bis Mitternacht oder länger vor dem Fernsehapparat sitzen, man muß nicht sechzig oder mehr Stunden an Lohnarbeit in der Woche verrichten und um dieses Geld schon wieder einen neuen Wagen kaufen. Man muß nicht das nachsagen, das von einigen oder nur von einem vorgesagt wird. Es ginge auch anders.
Das spielen auch jene vor, die heute hier ausstellen. Und jenen, die sich das heute ansehen, empfehle ich, es einmal mit sinnlosem Tun zu versuchen. Es lohnt sich.
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.