Ritter macht aus seinen Ein- und An-Sichten keine Mördergrube. Er ist der engagierte, wortreiche Anwalt - als hätte sie einen nötig - seiner Sache, hier der Stadtwerkstatt. Der usprünglich als Maler künstlerisch Tätige, ist bemüht Einwände zu klären und - in Kenntnis der musikalischen Orientierung seiner Gegenüber - würzt er seine Ausführungen netterweise mit Verweisen auf und aus diesem "unseren" Bereich, was zum Vergleich der Schall-Kulisse einer F-16 mit den Swans führt.
"Die Stadtwerkstatt hat Aktivitäten, die dergestalt sind, das wir ein offenes Kulturhaus betreiben in dem die unteren Bereiche des Hauses und der Saal für jedermann zugänglich sind und für jedermann selbst gestaltbar." Das Haus in der Kirchengasse als"Plattform für das Organisieren künstlerischer Arbeit", die von einer Vielzahl von Projekten und "Flügeln, mit spezielleren Ausformungen" genutzt wird. Das reicht von "Do It Yourself" über "Kukutec", "Massive Sound", "DNS" und "Kunst und Krawall" bis zu neueren Aktivitäten wie "State Of The Art, wo es darum geht im Technologie-Bereich Entwicklungen voran zu treiben, zu überprüfen, wie weit sind neue Medien für künstlerische Arbeit nutzbar." En Detail nachzulesen im Versorger, dem Haus-Periodikum oder an der eindrucksvollen Logo-Tafel beim Stadtwerkstatt-Portal einzusehen.
Die Symbol-Vielfalt als Weg "das Kuddelmuddel, die Vielzahl der einzelnen Stränge der Arbeit im Haus" zu entwirren und dann wieder gesamtheitlich besser an Öffentlichkeit und Subvention zu bringen. Für den Disziplinen-Hopper Ritter ist dabei eins grundlegend, "künstlerisches Prinzip": "Die Stadtwerkstatt operiert in dem Spannungsfeld zwischen Entwicklung, Kunstvermittlung, Kunstarbeit und Strukturen schaffen, alles, alle Operationen sind bemüht all diese Wechselwirkungen herzustellen." Und im günstigsten Fall neben weiterhin nutzbaren Geräten und Technologien, einen "Freiraum, in dem wieder andere operieren können"zu schaffen.
Nicht frei von Kontroversen war die Rezeption der Stadtwerkstatt-Arbeit am Flugfeld Wiener Neustadt anläßlich des dortigen Stadtjubiläums. Was in einer längeren "künstlerischen Konferenz" entstand, versteht und erklärt Ritter im Rahmen der Absicht "Kerben in bestehende Strukturen zu schlagen oder neue Felder zu aktivieren." Einwände versteht er, verweist selbst auf das Gespräch mit Boris Zuljevic von der Friedenswerkstatt im Versorger.
"Maschinenstürmer läuft irgendwie nicht, es gibt keine Ergebnisse, wo das Rad der Geschichte zurückgeschraubt wurde (...) Eros und Tod sind zentrale Kunstthemen und wir haben uns mit Flugzeugen, der Speerspitze der Zerstörung auseinandergesetzt." Friedlich, aber "ihre Gefährlichkeit ansatzweise demonstrierend." Es ging darum "einen Alltags-Gegenstand seiner Zweckbindung zu entbinden, ihm eine neue Widmung zu geben."
Das Herz fährt ihm in den Mund und wenn er seinen eigenen kreativen Prozeß zum Teil dem "Halbschlaf" zuordnet, "wenn einen etwas so beschäftigt, daß man nicht schlafen kann", entsteht angesichts seiner Ausführungen über Phönix, Stadtwerkstatt und Kapu, seine Positionierung an der Seite von "unkommerzieller, freier" Kulturarbeit wie von selbst die Vorstellung vom rastlos auf- und ab marschierenden Georg Ritter vor meinem geistigen Auge.
Es macht Rasen, wenn mensch an Radio-Frequenzen und die, die sie bekommen oder gar an Fernsehen denkt. Das der "Verwertbarkeit" der Stadtwerkstatt - Posthof und Offenes Kulturhaus haben in den Grundrißen ihrer Ansätze nicht zufällig Ideen, die über der Donau formuliert und vorexerziert wurden - ein Ende finden könnte, sieht er nicht als Gefahr, auch als legitim, daß Einzelne das privatwirtschaftliche Heil ihrer künstlerischen Arbeit suchen und finden.
Wobei die tatsächliche Zukunft des Hauses Kirchengasse 4 ungeklärt ist, das Meisterstück geistig-künstlerisches Kapital in reales zu verwandeln, daß er beim Theater Phönix dank privater Risikobereitschaft ortet, ist auch den Stadtwerkstättern (noch?) nicht geglückt. "Do It Yourself" als Möglichkeit eine neue Basis zu schaffen und/oder zuzulassen, ohne "ihr die Geschichte der Stadtwerkstatt überzustülpen"!?! Als 38-jähriger hat er andere Bedürfnisse, als sich mit 18-jährigen stagedivend oder ravend zu vergnügen.
"Es geht auch darum, den eigenen Bedürfnissen entsprechend zu handeln und immer wieder zu überprüfen, warum man was macht."