So schauts aus

Eine Orientierungshilfe durch den linksliberalen Alltag

von Andi Wahl , Feb.95
Zu allererst muß ich mich mich bedanken, daß mir das Redaktionskollektiv auch einen Platz in dieser Zeitung zugeteilt hat, danke. Und dann als zweites, muß ich mich auch gleich entschuldigen, weil ich für die Null-Nummer nix gebracht habe, aber da hab ich einfach noch nicht gewußt, was ich schreiben soll.

Aber jetzt, wo ich den ersten Hillinger getroffen habe, ist es mir eingefallen. Was dieser Zeitung noch fehlt ist ein Lebenshilfeservice, wie es das GOLDENE BLATT, der SPIEGEL DER FRAU oder die NEUE REVUE auch haben. Einfach eine Kolumne in der man nachschauen kann, wie man sich in bestimmten Situationen verhält, oder was man allgemein so denken soll. Und weil das PROFIL vom 2. Jänner in seiner Titelstory meldete, daß Österreichs Jugend sich in zwei Lager spaltet, die Rechtskonservativen und die Linksliberalen, und ich mich bei den Rechtskonservativen nicht auskenn, hab ich mir gedacht: schreibst halt was für die Linksliberalen. So einfach ist das.

Beginnen möchte ich mit einigen Betrachtungen für meine FreundInnen in den diversen freien/autonomen/unabhängigen (oder wie sie sich auch immer bezeichnen) Kulturvereinen und -stätten. Die haben nämlich eine Orientierungshilfe dringend nötig und sind, meiner Erfahrung nach, zu Jahresbeginn ein wenig offener für neue Ideen.

OK FreundInnen, für alle die es noch immer nicht begriffen haben, seit längerer Zeit sind die Oberösterreichischen KIs (Kulturinitiativen) professionelle Betriebe - und keine Sauhaufen mehr, verstanden (?) Jetzt wird nicht mehr herumgespunnen und blöd dahergeredet, jetzt wird gespurt. Schließlich sind wir jetzt EU-Mitglied. Da muß der Schlendrian einmal ein Ende haben! Und wer noch immer ein demokratisches Mäntelein umhängen hat, soll es endlich wegschmeißen. Demokratische Arbeitsweisen sind total out. Was jetzt zählt, ist dynamisches, durchschlagkräftiges und dabei flexibles Line-Management.

Von nun an wird konsequent, effizient und dabei ressourcensparend gearbeitet. Wir haben weder Zeit noch Adrenalin zu verschenken. Immerhin gibt es immer mehr Zeitkulturanbieter, wer da noch dilettantisch dahinwerkelt, ist bald weg vom Fenster.

Und das einfache Dahinveranstalten muß auch einmal aufhören. Wer auch zukünftig mitmischen und abcashen will, muß "Profilarbeit" leisten. Ein unverwechselbares Image nach außen. Da muß man sich schon aufraffen und ein bisserl was Inhaltliches machen. Jetzt gilt es Themen zu besetzen und auszuschlachten. Themen liegen ohnehin auf der Straße, da darf man halt nicht so wählerisch sein. Ich geb Euch ein paar Beispiele:

Antifaschismus; zack! Das nenn ich eine Marktlücke. Beste Chancen auf fette Subventionen, und noch dazu überaus beliebt und "in"; beim zahlungskräfigen Intelligenzpublikum (doppelt abcashen - eh schon wissen). Ja, ja meine Herrschaften von Bund und Land, Demokratie ist eben nicht gratis. Die muß man sich schon was kosten lassen.

Haider-FPÖ - kritisch; bum! Das poliert das Image. Da kann man ruhig die eine oder andere Verurteilung riskieren. Die entstehenden Kosten kommen doppelt und dreifach wieder herein - das versprech ich Euch. Da kann man schon mal den Kettenhund für die Regierungsparteien machen - wird sicher auch üppig honoriert. Und wenn diese "Dritte Republik" (oder wie das Ding heißt) doch kommen sollte, haben wir genug beisammen, um uns in die Karibik abzusetzen, und diesen braunen Mädchen/Burschen Sand in die Augen zu träufeln - schön. Aber das hat noch Zeit.

Selbstverteidigungskurse für Frauen. Mit ein bißchen feministischen Selbsterfahrungs-Klim-Bim drumherum. Da kratzt die Soziologiestudentin ihre letzten Kröten zusammen - Kleinvieh macht auch Mist. Auch wenns schon etwas antiquiert ist, Hauptsache die Kasse stimmt.

Themen, also Themen gibt es mehr als genug. Und sind wir uns doch ehrlich: Links-liberale Kulturarbeit hat längst ihren Marktwert. Da gehts um Angebot und Nachfrage, FreundInnen. Wer macht die frechsten Sprüche? Welches Anti-Haider/Papst/Stapo-Leiberl ist das schrillste? (Und fühl mal die Stoffqualität - die wissen halt, wie mans macht, einfach super!" - sowas will ich hören an Euren Eintrittskassen.)

Das sind die neuen Anforderungen, meine FreundInnen. Da können wir kein deppertes demokratisches Herumdilettantieren brauchen, da muß rasch reagiert werden - PRO-FE-SI-O-NA-LI-TÄT - ist das jetzt endlich in Euren sturen Selbstbestimmungsschädeln? Marktanalyse ist gefragt, nicht Betroffenheit und Dahersudern. Wo sind Eure Leiberl zum Sparpaket? Wer hat dieses Jahr schon DIE FREIHEITLICHEN attackiert? Das muß zack-zack gehn, sonst sind die anderen schneller. Dann machen die das Geschäft und Ihr könnts durch die Finger schaun.

Ein Mountain-bike für den, der die meisten Zeitungsabonennten keilt - mit Leistungsanreizen muß man arbeiten, nicht mit Liebsein - immerhin leben wir im Kapi-dingsda-lismus.

Was wir jetzt brauchen sind effiziente, mit umfangreicher Entscheidungskompetenz ausgestattete Betriebsstrukturen, ein vorwärtsgerichtetes Projektmanagement und leistungsorientierte Mitarbeiter. Keine Suderanten, keine Kritiker und keine depperten (Basis)Demokraten.

Mit Volldampf in ein neues Geschäftsjahr.