Hillingers EU - Tagebuch 2
geführt von Eugenie Kain
11. Juni
Falk und Haider als EU-Gegner kommen bei Talkmaster (?) Rabl im Fernsehen mit Schautaferl und allem drum und dran ausreichend ins Bild und fallen den anderen ständig ins Wort. Schlechte Optik für EU - GegnerInnen. Und das war ja der Zweck der Übung in Zeiten des Euro - Katzenjammers.
12. Juni
Zum Jahrestag der EU - Abstimmung macht die Konsumgesellschaft ein langes Gesicht. So viel ist versprochen worden und nicht einmal Diesel-Jeans sind billiger geworden.
Da muß was geschehen, sagt Gitti Ederer und kündigt für Herbst eine neue Europa-
Informationskampagne an. 15 Millionen Schilling Steuergeld hat sie dafür im Budget.
Ich mach mir noch immer nichts aus Müllers Milchreis und Euromehl. Und wenn das Schlagobers nur mehr 2 Schilling 50 kosten würde, wär es mir auch nicht recht, weil dieser Preis für die Aufgabe von Neutralität und Souveränität noch immer zu hoch ist. Früher war Schlagobers etwas Besonderes. Jetzt wird es frustierten Jasagern ins Maul gestopft, damit sie auch was haben. Die Ossis haben Bananen gekriegt, die Ösis Schlagobers. Derweil überlegen sich die Milchbauern, ob sie den Strick nehmen oder sich doch lieber die Kugel geben sollen.
13. Juni
Auch im Gelben Krokodil wird ein Jahr danach über die EU gestritten. Der Ausverkauf an Grund und Boden hat nicht stattgefunden, triumphiert ein ehemaliger Schulkollege, und positive Veränderungen kommen halt nicht von heut auf morgen. Der Ausverkauf auch nicht, sag ich, und trotzdem sind wir mitten drin. Bei fast allen größeren Betrieben gibt es ausländische Beteiligung, die Rest-VÖEST wird an die Börse gezerrt und die Bayrische Handelsbank sitzt auch schon dick und fett in der BAWAG.
16. Juni
Das verlängerte Wochenende verbringe ich in Bad Goisern, einer der wenigen österreichischen Gemeinden, die NEIN zum EU-Beitritt gesagt haben. Der Konsum in Goisern steht hochweis da. Er gehört zur Konsumgenossenschaft Salzkammergut und die hatte sich entschieden, lieber selbständig zu bleiben, als in einer gesamtösterreichischen Genossenschaft mit Zentrale im entfernten Wien unterzugehen. Die Konsumgenossenschaft Salzkammergut schreibt schwarze Zahlen und hat mit ihrem Beharren auf Eigenständigkeit als kleine Einheit mit überschaubaren Strukturen rechtbehalten.
Nur ihre Mühle müssen die Salzkammergutler zusperren. Dieses Schicksal teilen sie mit rund 250 anderen österreichischen Mühlen. Von ihnen werden in der EU nur etwa 2 überleben.
Eine EU-Begegnung der anderen Art: Der Briefträger kommt mit einem gelben Fahrrad den Berg heraufgekeucht. Einsparmaßnahmen. Seit heuer dürfen die Postler am Land im Sommer nicht mehr mit dem Moped Briefe zustellen. "Wenigstens a Gangradl hättens uns geben können", seufzt der Briefträger.
19. Juni
Finanzminister Staribacher bekommt aus Brüssel den blauen Brief. Das Budgetdefizit ist höher, als es die Maastrichter Verträge erlauben. Also weiter einsparen, einsparen, einsparen.
22 Juni
Österreichs Tiertransportgesetz muß novelliert werden. Beim Treffen der EU-Agrarminister wird Österreich überstimmt. Schlachtvieh muß künftig im Lastwagen wieder länger als 6 Stunden beim Transport durch Österreich ausharren.
Juli
Herr und Frau Österreicher, um den Lohn für ihr Ja zum EU - Beitritt geprellt, holen sich ihre Europa - Vorteile jetzt auf eigene Faust. Geschäftsleute jammern, Handelsbosse fordern, die Ärztekammer droht, Autohändler greinen und die Tourismusbranche plärrt. Es nützt alles nichts, jetzt wird zugeschlagen.
In Bayern werden billige Ersatzteile fürs Auto eingekauft. Anschließend begibt man sich nach Tschechien, läßt sich die Zähne sanieren und den Tank auffüllen und dann gehts auf große Fahrt nach Italien. Weil man nicht genau weiß, wielange das Auto noch für pickerlwürdig befunden wird, hat man einen Packen Papiere für den Selbstimport eines nagelneuen Wagens dabei, den man bei der nächsten Reise mitnehmen wird.
Angepackt mit Markenkleidung, Lederwaren, feinen italienischen Delikatessen und Grappa gibt es auf der Heimreise noch einen Abstecher nach Slowenien. Mit gegrilltem
Spanferkel im Magen und slowenischem Benzin im Tank gehts dann wieder heimwärts. Kärnten, wo noch immer 28 Schilling für eine Wurstsemmel, 100 Schilling für ein Kilo Kirschen und 80 Schilling für 2 Liter Cola verlangt werden dürfen, bekommt von den Reisenden nur ein paar aus dem Fenster gespuckte Pfirischkerne und ein Tramezini - Papierl zu sehen. Recht so.
Auf diese Weise hat man sich diesen Sommer eine Menge Geld gespart, kann vielleicht beim nächsten Zahnarztbesuch auch noch einen Gartenzwerg mit heruntergelassener Hose erstehen und sich auf alle Fälle jene Speise ersparen, die im vegetarischen Kochbuch von Donauland als EU - Toast angepriesen wird: "Sie finden im Kühlschrank noch ein kleines Stück Gorgonzola, ein Eckchen Camembert, etwas Gouda, eine Tomate und ganz wenig Schnittlauch, wunderbar - Sie haben die Zutaten für einen saftigen EU - Toast in der Hand...."
3. August
Es ist fix: Alle Personenschiffe der DDSG sind verkauft. Aus für die DDSG, aus für die österreichische Personenschiffahrt, aus für den Linienverkehr in Oberösterreich. Die Filetierung und Aufteilung der DDSG ist eine der vielen Morgengaben, die für den Eintritt in die EU notwendig waren, aber mit Sicherheit nicht die letzte.
11. August.
Beppo Mauhart, Generaldirektor der Austria Tabak AG, tritt zurück. Weil mit dem EU - Beitritt das Tabakmonopol der ATW zu fallen hatte, schauten sich die Manager beizeiten nach einer zweiten möglichen Einkommensquelle um, verfielen auf die Sportartikelindustrie und kauften 1993 die Head -Gruppe. Vor dem Kauf wurde der Sportkonzern von den Wirtschaftsprüfern der Consultatio untersucht. Ergebnis: "Wir weisen jedoch nochmals darauf hin, daß selbst unter Annahme einer positiven Zukunftsentwicklung aufgrund der hohen Schuldenlast, welche nicht aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit resultiert, in den nächsten Jahren keine Ausschüttungen zu erwarten sind." Die ATW kauften trotzdem um 240 Millionen Schilling und übernahmen 4,7 Milliarden Schulden. Zwei Jahre später ist Head pleite, 4 Milliarden wurden in den Wind geschrieben.
Unterm Strich bleibt eine angepatzte Austria-Tabak als noch ein Staatsbetrieb, der nicht wirtschaften kann, und auch wenn nur der Tochterkonzern ein Sanierungsall geworden ist, wird früher oder später auch bei den tabakwerken eingespart werden.
Wo? Zu allerserst wahrscheinlich bei den Zusatzpensionen und Deputzigaretten der ArbeiterInnen.
2. und 3. September
Wie alle Jahre wieder gibt es auch heuer wieder das Volksstimmefest auf der Jesuitenwiese. Der hillinger kommt in Wien gut an und ist sowohl den Freunden vom Ernst Kirchweger Haus als auch den Kollegen vom Uhudla ein Begriff. Der Uhudla gibt Rauchzeichen aus der brennenden Provinz- dem Burgenland, und hat auch eine Provinzbeilage für Favoriten und Chicago. Noch eine schöne Zeitung. Und siehe da, man stößt auf Bekanntes. Auf das Lyocell - Werk der Lenzing AG. Dieses wird ja, wie Hillinger - LeserInnen wissen, nicht in Lenzing sondern im burgenländischen Heiligenkreuz gebaut, weil bei diesem Bundesland als Ziel 1 - Fördergebiet der EU mehr Gerschtl für die Errichtung zu holen ist. Aber auch bei den Burgenländern ist dieser Standort umstritten. Uhudla: Beim Lyocel - Werk zu Heiligenkreuz ist auch nicht alles eitel Wonne. Der gesamte Betriebsstandort muß um 5 Meter angehoben werden, weil das Gelände in einem Überschwemmungsgebiet liegt. Die Energieversorgung des Werkes ist ungelöst und ähnliche Projekte stehen in anderen Ziel 1 Gebieten Europas auch schon massenhaft und nutzlos herum.
5. September
Der französische Staatspräsident Chirac läßt im Muroroa Atoll in Polynesien eine Atombombe von 20 Kilotonnen zünden. Erstens ist das alles ganz harmlos und zweitens dient das zur Sicherheit der EU. Leider sehen das 160 Länder nicht ein. Aber weil es ein Kreuz ist auf dieser Welt, wird der Protest von den immer gleichen frömmelnden Boykottaufrufern wieder einmal in die falsche Richtung gelenkt. Es geht nicht gegen nuklearen Aufrüster sondern gegen die Froschfresser. Wer political correct ist, kauft keinen Renault, säuft keinen Bordeaux und verwendet keinen Pariser.
8. September
Sag ja zu A - bist ein Trottl, haha: Viele brave KonsumentInnen sind bereit, für österreichische Lebensmittel einen höheren Preis zu bezahlen. Aber wo das rot-weiß-rote A draufsteht, können holländische Erdäpfel, französische Marmelade und tschechisches Ketchup drin sein. Das Tiroler Nußöl kommt aus Deutschland. Das A kommt auf alle jene Waren, deren österreichischer Wertanteil bei mindestens 50 Prozent liegt. Wenn die österreichische Verpackung so viel wert ist, kann der Inhalt ruhig von woanders kommen. Wer es genau wissen will, muß sich nicht nur mit den Abkürzungen für Inhaltsstoffe herumschlagen, sondern auch noch den EAN - Code entschlüsseln.
9 . September
Jetzt geht es los mit dem Sparpaket Nummer 2. Und in keiner Zeitung steht geschrieben, daß wir Sparpaket Nummer 2 auch dem EU- Beitritt zuzuschreiben haben. Einige erfreuliche Visionen bringt er aber, der Beitritt. Die Hanffelder im Innviertel, die jetzt mit EU - Geldern angebaut werden dürfen. Macht nichts, daß es sich dabei nur um THC -freien Faserhanf handelt. Schon allein der Anblick dieser samtgrünen, feingliedrigen uralten Kulturpflanzen ist eine Freude. Seile können gedreht werden, Kleider gewebt,Vogelfutter gibts und vielleicht auch die Lösung des Energieproblems. Hanf gegen Ozonloch und Kernenergie, das wär schon gut.
19. September
Merde. Staatspräsident Chirac will seinen Freund Klestil im Oktober wegen österreichischer Proteste gegen die Nuklearteste nicht treffen. Monsieur Chirac mag es nicht, wenn das junge EU -Mitglied Österreich gegen das EU - Kernland protestiert. Bevor Herr Klestil keck wird, sollte er sich die Bestimmungen von Euratom durchlesen, die jetzt auch für Österreich gelten. Wie man weiß sind ja so Atombombenversuche völlig harmlos. Warum werden sie nicht in Europa durchgeführt? Gemach, gemach, das junge Mitglied hat viele hohe Berge, da könnte man doch? Auch die Abschreckung wär größer, weil das Land ja direkt an der Ostgrenze liegt.
Im Schatten der Atombombenversuche treibt ein anderer Widerling seine Geschäfte voran. Verteidigungsminister Fasslabend, der selber nie beim Bundesheer war, will teure Militärparaden, seinen Budgetrahmen nicht einhalten und Österreich in die NATO bringen. Für dieses Ziel ist ihm alles recht. Da spricht er auch auf dem Treffen der ehemaligen SSler und ihrer Nachfahren am Ullrichsberg. Atomwaffen, Nato, Hofierung einer Mörderorganisation, Militarismus überall.
Nein, nein, nein, so ein Europa will ich nicht.