Das Resultat dieses Samplers spiegelt eigentlich ganz gut den Status Quo der hierzulande operierenden Hip Hop-Aktivisten (und wenigen Aktivistinnen) wider. Rap/Hip Hop-Kultur wird 1995 in Österreich von einer kleinen Schar Jugendlicher getragen, die in subkulturellen Zusammenhängen rund um ein Plattenlabel und eine Radiosendung ihre Kultur "hegen und pflegen". Die Rap-Texte der dazu zählenden Hip Hop-Gruppen sind überwiegend in deutscher Sprache gehalten. 1) Zu diesem Kreis gehören auch TEXTA aus Linz, die zum fixen Bestandteil der österreichischen Hip Hop-Community gezählt werden können.
Damit wären wir dann auch schon bei TEXTA und ihrer im April erschienen, ersten, eigenen Plattenproduktion angelangt. Was beim Anhören sofort wieder auffällt, und sich schon als Steigerung von Konzert- zu Konzertauftritt bemerkbar machte, ist der Qualitätssprung, den die Fünf (MC Laima, Skero, Flip, Huckey und DJ Dan Da Man) in den letzten zwei Jahren ihres Bestehens geschafft haben. Verglichen mit ihren ersten Auftritten, die, wie selbst die Posthof-Programmzeitschrift bemerkte, vorwiegend noch der eigenen Unterhaltung galten, haben Sound und Raps Einiges an "Professionalität" dazugewonnen. Nicht umsonst und nicht ohne Stolz können sie sich daher auch schon das Prädikat "Vorgruppe von HOUSE OF PAIN und GOATS" an die B-Boy Kappen heften. Aber nun zu den einzelnen Nummern und Texten der Platte: Geschmeidigkeit in allen Ehren - funkyness ist jetzt ja auch das, was die deutschen Hip Hop-Gesinnungsgenossen seit neuestem entdeckt haben (Fettes Brot, Der Tobi & Das Bo, ...) - muß sich aber diese Geschmeidigkeit deswegen gleich aalglatt eins zu eins auf die Lyrics übertragen? Es funktioniert doch auch, eine harte Message über eine guten, tanzbaren Groove zu legen, ohne hierfür gleich als Beispiel Public Enemy strapazieren zu müssen. Ich weiß aber gar nicht, ob ich hier nicht Texta wegen etwas kritisiere, für das sie ohnehin nie viel am Hut hatten. Vielleicht stand von vornherein sowieso eher das Spaßding im Vordergrund ihrer Arbeit (Nummer auf der LP: "3 Uhr 10"), was ja auch nicht das schlechteste ist. Ganz aus der Kandare kann ich sie aber deswegen trotzdem nicht nehmen. Wenn auf der Platte schon zwei der vier Titel (mit den zwei Remixen von insgesamt sechs) auch "gesellschaftskritische" 2) Nummern auf dem Album zu finden sind ("Zwischen den Elementen", "Der Kopf ist das Zentrum"), also auch ein "Anliegen" vermitteln wollen, dann muß man schon fragen dürfen, wieso diese dann in einer so soften und zahmen Art ausfallen müssen.
Ich habe eigentlich noch nie so richtig verstanden was die "Stoppt die Gewalt"-Aufrufe der Szene eigentlich in der Form sollen. Meiner Meinung nach ist hier viel von der falschen Übertragung von Lebensverhältnissen eines Teils der "Schwarzen" in den USA auf Lebenslagen hierzulande im Spiel. "Stop the violence" hat vielleicht in bestimmten, vornehmlich von "Schwarzen" bewohnten, urbanen Gegenden der USA, wo Drive by Shootings, Bandenkriege und tägliches Morden auf der Tagesordnung stehen, einen Sinn. Wo die eigene Lebenssituation aber noch weit davon entfernt ist (Gottseidank!), eignet sich eine unreflektierte Übernahme wohl eher zur Miterzeugung eines möglich authentischen Ghettofeelings, als zur konkreten Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt in der Gesellschaft hierzulande. Der Track "Der Kopf ist das Zentrum", der diese Frage behandeln sollte, wird dieser Auseinandersetzung aber nicht gerecht. Ich will an dieser Stelle nicht die guten Absichten in Frage stellen, aber da wird es freilich auch nicht ausreichen, wie in einer Sonntagspredigt ("Fernsehen, Radio, Zeitung Gewalt wohin man sieht, es ist Zeit zur Änderung noch bevor etwas geschieht. Denn es liegt an jedem selbst zu versuchen, Aggressionen zu vermeiden statt Konflikte zu suchen ...") nichtssagende, konsensfähige Allgemeinplätze von sich zu geben, sondern konkrete Adressaten einer Kritik an Gewaltverhältnissen und Gewalttaten zu benennen, wobei es sich dann ja nur um eine Kritik an der strukturellen, staatlichen und auch ökonomischen Gewalt oder der Gewalt rechtsextremistischer Gruppen handeln kann. Stattdessen werden alle möglichen Formen, Ursachen und Beweggründe der Gewaltanwendung in einen gemeinsamen Topf geworfen. Motivationslose oder ohne jedwelchen direkten politischen Motiven ausgeführte Gewalttaten, gewöhnliche Schlägereien in der Altstadt oder Prügel durch Hooligans kommen darin genauso vor, wie politisch motivierte und gesellschaftlich strukturierte Polizeigewalt, Kriege und Naziterror, was ja alles verschiedene Dinge sind und wo deshalb Differenzierungsvermögen gefragt ist, statt einfach alles über den Kamm "Nein zur Gewalt" scheren zu wollen. In dem Teil, wo die Nummer jedoch dezitiert politisch wird - nämlich dort, wo der Slogan "Faschos verpißt euch!" zitiert wird - wird dies sofort mit dem Zusatz "doch damit hat sich nichts erledigt" abgeschwächt. 3)
Dasselbe Problem ergibt sich für mich ebenso bei "Zwischen den Elementen", auch hier wären ein bißchen mehr Explicit Lyrics durchaus angebracht gewesen. Was hilft ein so allgemein gehaltenes Statement gegen Umweltzerstörung, daß wirklich ein/e jede/r unterschreiben kann und ohne auch nur irgend jemand verantwortlich zu machen. Gerade da sind aber ebenfalls Unterscheidungen notwendig. Es sind ja auch nicht alle Menschen gleichermaßen an der Zerstörung der Biosphäre schuld, es muß doch auch hier differenziert werden. (Etwa zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen, BewohnerInnen der Metropolen und der "3. Welt", usw.)
Daß man mich nicht falsch versteht, die geäußerten Beanstandungen diverser Textstellen der Platte können keineswegs den positiven Gesamteindruck, den die Produktion vor allem durch die gute Musik, Samples und Beats (der Groove ist also durchaus da!) und auch Rapmächtigkeit der MC's erreicht, zerstören. Respect auch für das, was die TEXTA-Leute für den Aufbau der Hip Hop - Kultur hier und in der Umgebung geleistet haben.
Hip Hop/Rap, so meine ich, war und ist aber auch immer eine radikale poltische Rhetorik nicht fremd. Dieser Kultur geht doch, wie kaum eine andere, stets neue Verbindungen von political Awareness und Lebensstile bzw. Attitudes ein. Daher sollte, wenn schon auch auf diesem Terrain Stellung bezogen wird, diese um einiges schärfer und präziser ausfallen und nicht unbedingt in irgendwelche windelweichen Allerweltsaussagen verfallen.
Und schliefllich ist Rap ja auch noch Ausdrucksform, Auseinandersetzung mit bestehenden Verhältnissen, Selbstbeleuchtung der eigenen Lebensverhältnisse, Argumentation und Gegenargumentation - Diskussion eben. Insofern kann auch dieser Text als Diskussionsbeitrag verstanden werden. Auf Gegenreden bin ich schon gespannt. Also WORD UP!
1) Von einigen wenigen Ausnahmen mal abgesehen, z.B. etwa der Wiener Gruppe Schönheitsfe(h)ler, die aufgrund ihrer Zweisprachigkeit in deutsch und serbokroatisch rappen. Zur Problematik des deutschen Sprechgesangs, Stichwort "ethnical revival", sei hier auf Günther Jacob und seinen zwei Beiträgen unter dem Titel "Krauts with Attitude" in der Volksstimme 19 u. 20/95 verwiesen. Die Frage ist aber auch die, ob nicht infolge fehlender Vernetzung anderer Ansätze - ich denke hier in erster Linie an jugendliche (Im)migrantInnen, wo Hip Hop, als Teil einer selbsgewählten Kultur, um rassistischer Ausgrenzung wie auch einer Assimilierung widerstehen zu können, eine große Rolle spielt - sich in einer Bestandsaufnahme der Hip Hop-Szene in Österreich viel weniger bemerkbar machen können.
2) Blödes Wort, ich weiß, schon seine ständige Verwendung in der herrschenden Öffentlichkeit zeigt, daß es sich dabei um eine längst integrierte Standardbezeichnung für in Wirklichkeit gesellschaftsstabilisierende Harmlosigkeit handelt, hier vielleicht aber deshalb auch wieder paßt.
3) Zur Frage Gewalt, Verhältnis zur Gewalt, Gewalt und Gesellschaft kann ich hier nur zwei ausgezeichnete Artikel von Franz Schandl in den Volksstimme-Ausgaben 22 u. 23/95 empfehlen.