Halt dein Schandmaul Fussenegger!

Zeit und Genossen, Matti Link, November 95

Ja, kann sie denn nicht einmal ihr Schandmaul halten, diese völkische Beobachterin, diese Stimme der Ostmark, diese literarische Unperson Gertrud Fussenegger. Ja, können den ihre Verteidiger und Speichellecker in den Kultur- und Literaturredaktionen nicht einmal aufhören mit ihrem Gesülze, daß man die "alte Frau" und "Grande Dame der oberösterreichischen Literatur" doch "in Ruhe lassen" solle.
Was sich diese Nazi-Claqueurin in jüngster Zeit wieder geleistet hat, verdient keine Schonung, zumal die Unsägliche ja nicht allein als Privatperson zu verstehen ist, sondern als besondere Repräsentantin der Österreichischen Literatur und Literaturpolitik. Die Unmögliche saß doch jahrzehntelang in den meisten wesentlichen Preisgremien, förderte ihresgleichen und verhinderte zahllose großartige Autoren und Dichter, denunzierte Demokraten und Antifaschisten, schwärzte an, was sich nicht in ihren nationalistisch-reaktionären Seilschaften befand. Die alten Cliquen aus der faschistischen Reichsschrifttumskammer führten ihre übles Werk in bemerkenswerter Kontinuität fort, mit dem einen Unterschied, daß Bücher nicht mehr verbrannt wurden. Selber ausgestattet mit zahlreichen Preisen und Würdigungen spann die Ungeheuerliche ihr hinterlistiges Werk fort, sich der Verteidigung der heimischen Journaille sicher. Im übrigen sei angemerkt, daß die Ausfälle dieser Bösartigen auch als Privatperson schwer zu ahnden gewesen wären. Aber diese Alte besitzt doch nicht einmal den Funken dessen, was man unter der bürgerlichen Tugend Anstand verstehen könnte. Höhere ethische Ansprüche stellt man ja eh schon nicht mehr...

Der Grazer Styria Verlag präsentierte dieser Tage im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung einige Bücher oberösterreichischer AutorInnen, unter anderem "Jirschi oder Die Flucht ins Pianino", der letzte Titel der Unverschämten. Darin werden die Erlebnisse eines jungen Mannes geschildert, der aus Böhmen flüchtem mußte. Fussenegger, dieses immerlaute alte Weib, das seit jeher die Meinung vertrat, daß an allem ohnehin die tschechischen Untermenschen schuld seien (was sie in zahlreichen ihrer früheren Bücher auch formulierte), bemerkte auf der Bühne, bevor sie aus ihrem neuesten Opus zu lesen begann, sie habe auch die Vertreibung der Deutschen durch die Tschechen in ihrem Buch angeschnitten. Es ging ihr darum, so diese Ungenierte, "zu zeigen, daß nicht die Tschechen die Deutschen vertrieben haben und die Vertreibung agiert haben, sondern es waren immer nur Splittergruppen. So wenig wie d i e Deutschen Auschwitz agiert haben. Auch da waren es nur kleine Splittergruppen und das wollte ich auch in diesem Buch zeigen." Soweit diese Lohnschreiberin des Faschismus, diese Animateurin des Rassismus und der Gewalt.

Eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen, sämtliche, ohnehin nur rhetorischen Distanzierungsversuche von ihrer Nazi-Vergangenheit werden Hohn. Man weiß, warum sich diese unmögliche Krakelerin nie für ihre frühen Ausritte, ihren Huldigungen für Hitler, ihre kriegslüsterne Schmiere entschuldigt hat.

Ihr neuerlicher Ausritt blieb diesmal zum Glück nicht unwidersprochen. Es blieb dem jungen Autor Rudolf Habringer vorbehalten, die Alte zur Ordnung zu rufen: "Lassen Sie mich zuerst einen kurzen Satz sagen, es ist vielleicht nicht sehr angenehm", leitete er seine Lesung aus seinem ebenfalls im Styria Verlag erschienenen Buch "Kopfständig" ein. "Ich persönlich teile die hier geäußerte Meinung, daß Auschwitz von einer kleinen Splittergruppe verbrochen worden sei, nicht. Ich glaube, wer so etwas sagt, hat aus der Geschichte nichts gelernt." wies er die Ungenierte zurecht, und bewies einmal mehr Zivilcourage, denn in diesen literarischen Zusammenhängen ist es in keiner Weise üblich, daß junge Autoren altgediente kritisieren. Entsprechend, schlug dieser Habringer-Sager ein wie eine Bombe, sodaß sich sogar die APA gemüßigt sah, eine Meldung darüber zu verfassen.
Fussenegger ließ diese Schande nicht auf sich sitzen, verbreitete tags darauf ebenfalls via APA eine "Klarstellung", die in der Tat viel klar stellt, weil sie von ihrer Meldung nichts, aber gar nichts zurückgenommen hat. Es sei ihr eine grammatikalische Fehlleistung unterlaufen peffelte sie, es fehle in ihrem Satz die Präposition "in". "…so wenig wie d i e Deutschen in Auschwitz agiert haben, auch da war es nur eine kleine Splittergruppe…" Nichts zurückgenommen, nur verschleiert. Industrielle Massenvernichtung von Juden eine Sache einer kleinen Minderheit, so diese alte Sau.
Und Habringer schwärzte sie im selben Atemzug an, er habe ihre Äußerung ins Gegenteil verkehrt, weil dieser sagte, nicht eine kleine Minderheit habe Ausschwitz verbrochen. Die alte Methode, mißliebige Dichterkollegen sofort zu vernadern, denunzieren, wehleidig das Opfer mimen. Diese Repräsentantin der österreichischen Literatur ist eine Schande, eine noch größere Schande ist es, daß die Literaturkritik und Kulturpolitik diese Ungeheuerliche stets gewähren ließen, sie in jeder Situation verteidigt hatten, anstatt dieser Talentfreien das Handwerk zu legen. Aber nein, je älter dieses böse Weib wird, desto umtriebiger wird es. Allein, ihr Altersstarrsinn zu attestieren, ist zu wenig, denn was sie jetzt verbreitet, hat sie immer verbreitet. Zur Zeit des Faschismus offen aggressiv, die Macht im Rücken wissend. Später von der Form her moderater, den neuen demokratischen Bedingungen angepaßter, aber inhaltlich voll auf alter Linie. Und jetzt, das spürt die Schamlose, dräuen neue alte Zeiten herauf. Aufwind spürt sie offenbar. `S wird Zeit, dem braunen Zauber schnell ein End` zu machen.