Matti Link , April 95
1. "Antifaschismus wird von selbsternannten neurechten Intellektuellen als ewiggestrig denunziert, ein Anti-Antifaschismus proklamiert, AntifaschistInnen werden publizistisch angegriffen." schrieb ich unlängst in einer Glosse. Nicht per Gaudi. Schon vor einem Jahr ungefähr forderten die beiden deutschen staatlichen Jugendforscher Farin und Seidel-Pielen, denen noch immer zuhauf sich links wähnende Jugendliche nachlaufen, einen Anti-Antifaschismus, der gegen die militante (?) Antifa gerichtet sein sollte. In ultrarechten Publikationen wie "Aula" oder deren Jugendausgabe "Identität" oder "Junge Freiheit" nehmen dererlei Proklamationen ohnehin kein Ende, - was nicht besonders überrascht. Jüngst, und das verwundert dann auch wieder nicht mehr, hat sich das zur Wochenpostille verkommene "Profil" (4/95), das sich bislang selbst wacker, aber nie wirklich glaubwürdig, mit dem Prädikat linksliberal versah, eingereiht in diesen neurechten und ewigbraunen Chor der Anti-Antifaschisten. Zwar unter der Rubrik Meinung eingereiht, aber schließlich doch von der Redaktion abgesegnet, fand sich ein Kommentar mit dem Titel "Schluß mit dem Antifa - Ein Plädoyer gegen eine lamentierende Rhetorik der Hilflosigkeit". "Das ,Anti` ist das Prinzip selbstgewählter Blindheit", zumindest in seiner historischen Version leide der Antifaschismus an einem Demokratiedefizit, darf da der zweiundvierzigjährige (begnadet spätgeborene, H.K.) Philosoph der Wiener Uni, Wolfgang Müller-Funk verbreiten. Und noch einiges mehr: Seine Heidegger-Verehrung ist schon widerlich ("der vielleicht bedeutendste Denker unseres Jahrhunderts" war aktiver NSDAP Parteigänger), seine saloppe Art Nietzsche zu zitieren (der mit seinem Zarathustra so etwas wie eine Vorläuferschrift des NSDAP-Parteiprogramm geschaffen hatte) verrät ihn einfach. Er unterstellt den AntifaschistInnen, sie würden mit System jene Frage auslöschen, wie es mit der eigenen "Anfälligkeit für heroische und endgültige Lösungen in einer verächtlich-schlappen bürgerlichen Welt ,des letzten Menschen`" stünde. Hier fällt die bislang recht wacker aufgebaute Tarnung endgültig. Hier beginnt er AntifaschistInnen der Vergangenheit mit ihren Schlächtern und Verfolgern, mit ihren Mördern und Vernichtern gleichzusetzen, hier werden aus Opfern Tätern. Hier wird Geschichte umgeschrieben. Ebenso verfährt er mit gegenwärtigen AntifaschistInnen. Wenn er überdies meint, im Antifaschismus schwinge ein "perverses Moment" mit: "Die Emphatie wird zum Wunsch, es nicht nur besser zu machen wie die mit dem Nationalsozialismus verstrickten Väter, sondern selbst Opfer zu sein." Denn Opfer zu sein, sei edel. Das ist nicht nur blanke neofaschistische Geschichtsbiegung, sondern auch Hohn gegenüber den Opfern faschistischer Übergriffe in der zweiten Republik: Von Kirchweger, der bei einer antifaschistischen Demonstration von einem Neonazi erschlagen wurde, bis zu den Roma, die Opfer neonazistischen Bombenterrors wurden.

"Im gegenwärtigen Diskurs (wird) der Begriff "antifaschistisch" umgeschmolzen, auf daß er, wie wir in aberdutzend Glossen und Kommentaren zuletzt lesen konnten, schon bald so viel wie "linksnazistisch" bedeute…", schrieb Karl Markus Gauß in der Zeitung "Literatur und Kritik". Das "Profil" leistet einen unübersehbaren Beitrag dazu.

2. Kaum der Schulbank entrückt, vielleicht erste Versuche unternommen in Schülerzeitungen einige Sätze zu Papier zu bekommen, dürfen sie sich in Provinzblättern zum Thema Jugendkultur der 90er Jahre auslassen. "Entscheidend ist, was hinten herauskommt", formulierte Helmut Kohl so trefflich. Hinten herausgekommen ist neben anderem Gekote folgender Halbsatz: "Grelle Lichtblitze, rasende Beats, Bässe, die mit einer Intensität eines Doc Martens Stiefels in die Magengrube steigen…" Das mag er, der Bernhard Lichtenberger, (OÖN), wenn Doc Martens Stiefel in die Magengrube steigen; das mögen auch seine Kollegen auf den Lokalseiten, da können sie sich wieder über den "Skinheadterror" ereifern, wie sie das monatelang getan haben, wenn ein Doc Martens Stiefel in eine Magengrube gestiegen ist. Anstatt sich die Texte der Jungmitarbeiter vorher durchzulesen, die mit ihrem Geschreibsel erst Doc Martens Stiefel in Magengruben steigen lassen oder die in-die-Magengrube-Steiger erst dazu ermuntern, weil es eben so cool ist, wenn Doc Martens Stiefel in die Magengrube steigen. Von diesen Kerlen einen genaueren Umgang mit Sprache zu verlangen, ist wohl müßig, und die Ursache solcher Schreiberei kennt man ja auch: Dummheit, sagenhafte Dummheit.

Aber die Kenntnis dieser Ursache, läßt das Ärgernis auch nicht geringer werden, wie der alte Schopenhauer das meint.