Alles ausgesessen!

Das Linzer Landestheater führt zusammen, was zusammengehört
Ferdl Frühstück, Oktober 95
Im Spielplan des Linzer Landestheaters für die Saison 1994/95 fand sich die Uraufführung der Oper "Kojiki - Tage der Götter" des Japanischen Komponisten Toshiro Mayuzumi. Es handelt sich dabei um ein Auftragswerk des Landes Oberösterreich an den Komponisten. Das Libretto stammt aus der Feder von Gertrud Fussenegger. In den Vorwörtern des Spielplans hoben sowohl der damaligeLandeshauptmann Josef Ratzenböck als auch Landestheater-Intendant Roman Zeilinger diese Oper als besonders beachtenswert hervor. Sie ist in der Tat beachtenswert. Weniger aufgrund der "neuartigen internationalen Zusammenarbeit" schon eher aufgrund der recht zweifelhaften Biographien und politischen Positionen des Komponisten und der Librettistin. Aufgrund von Protesten seitens des künstlerischen Personals und des Betriebsrates wurde die Oper letztes Jahr nicht gespielt. Man wollte 1995 - immerhin wurde da der 50. Jahrestag der Befreiung von Faschismus gefeiert - keinen Eklat riskieren. Das Auftragswerk zweier rechtsextremer Künstler steht diese Saison wieder auf dem Spielplan.

"Kojiki - Tage der Götter" erzählt von der japanischen Schöpfungsgeschichte - nach shintoistischer Lesart. Selbst in Japan (rund 80 Prozent der Japaner bekennen sich zum Shintoismus) ist die Erzählung von der Sonnengöttin Amaterasu, deren Nachkommen die Japaner sein sollen, heftig umstritten. Denn diese Legende, wird in vielen Schulen nicht als religiöser Mythos gelehrt, sondern als reale Historie. So soll der erste Kaiser Japans Jimmu, der Urenkel der Sonnengöttin, gewesen sein. Diese Legende ist es, die die Shintoisten glauben läßt, daß die Japaner das "auserwählte Volk" Asiens seien, mit ihr werden die Eroberungsfeldzüge und Aggressionen Japans im asiatischen Raum argumentiert. Auf sie beriefen sich japanische Militärs als sie China überfielen oder den amerikanischen Militärstützpunkt Pearl Harbour angriffen, denn die Mission Japans sei es, "die Welt zu erobern". Aus dieser Schöpfungsgeschichte resultiert auch die Ideologie der Nationalisten von den Japanern als einheitliche Rasse, was zu einer Unterdrückung von Minderheiten wie beispielsweise die im Norden lebenden Ainus, aber auch der in Japan lebenden zahlenmäßig sehr starken Koreanischen Minderheit führt.

Zwei Biographien
Toshiro Mayuzumi, in Japan berüchtigt als Sprecher ultranationalistischer Gruppen, wurde 1929 in Yokohama geboren. Er studierte an der staatlichen Musikhochschule in Tokyo. Seine in Europa relativ hohe Bekanntheit ist wahrscheinlich auf sein Studium in Paris (ab 1951) zurückzuführen. Er komponierte beispielsweise die Musik zum Ballett "Die 47 herrenlosen Samurai", mit dem das Belgische Nationalballett in allen größeren Europäischen Städten aufgetreten ist. In Berlin wurde 1974 seine Oper "Kinkaku-ji (Der goldene Tempel)" uraufgeführt, die auf einem Roman des japanischen Schriftstellers Yukio Mishima basiert. Yukio Mishima hatte sich 1970 durch Bauchaufschlitzen selbst entleibt, weil es ihm nicht gelungen war, japanische Militärs zum Putsch gegen die Regierung (damals LDP) zu bewegen. "Wir waren eng befreundet" so Mayuzumi über sein Verhältnis zu Mishima, berichtete die Korrespondentin einer oberösterreichischen Tageszeitung aus Japan. Daß Mayuzumi politisch kein unbeschriebenes Blatt ist beweisen nicht nur seine Opernstoffe. Letztes Jahr organisierte er Protestdemonstrationen gegen den damaligen Ministerpräsidenten Morihiro Hosokawa, der sich als erster Japanischer Premierminister bei den Nachbarländern für die Aggression seines Landes während des Pazifischen Krieges entschuldigt. Das Jahr zuvor protestierte Mayuzumi gegen die China-Reise des Japanischen Kaisers, weil er befürchtete, die chinesische Regierung könnte vom Tenno eine Entschuldigung für die Kriegsverbrechen fordern.
Auch der derzeitige Ministerpräsident Japans, Hata, entschuldigte sich am 9. Mai dieses Jahres bei den japanischen Nachbarn. Er sagte, daß man über "Invasion und Eroberung" ernsthaft nachdenken müsse, da man doch 1995 ein Gedenkjahr begehe. Außerdem müsse die Situation in Asien beruhigt werden, berichtete die Japanische Tageszeitung "Asahi", ein linksliberales Massenblatt.
Komponist Mayuzumi organisierte daraufhin eine Protestversammlung mit rund 400 Teilnehmern, die eine Resolution beschlossen, daß Hata seine Entschuldigung zurücknehmen solle, denn, "der Krieg war keine Invasion. Japan wurde zum Krieg gezwungen. Dank Japan konnten die südostasiatischen Länder ihre Unabhängigkeit erlangen", berichtete ebenfalls "Asahi". In einem Interview mit dem Amerikanischen Fernsehjournalisten Dave Spector, das in der japanischen Illustrierten "Shukan Bunschun" 1992 abgedruckt wurde sprach Mayuzumi ebenfalls Klartext und zeigte wes Geistes Kind er ist. Daß sein Kaiser nach China reise, bezeichnete er als Schande, eine noch größere, daß er dort ein Denkmal für die Opfer des Chinesisch-Japanischen Krieges besuchte. Gleichzeitig forderte er, daß die japanische Regierung und der Tenno den shintoistischen Yasukuni-Schrein besuchen solle. "So ein Tenno verehrt in China die Chinesischen Kriegsgefallenen im Krieg gegen Japan! Die Seelen der Helden in Yasukuni empfinden es sicher nicht angenehm!", so Mayuzumi wörtlich. In diesem in Japan durchaus umstrittenen Shinto-Tempel werden die japanischen Hauptkriegsverbrecher, die im Tokyo-Tribunal verurteilt worden waren, als Helden und Götter verehrt. Der Komponist ist auch Präsident des "Volkskongresses zum Schutze Japans", einer extrem nationalistischen Gruppierung, die sich für eine Änderung der japanischen Verfassung einsetzt. Dort ist festgelegt, daß das Land keine Armee haben dürfe. Japan hat sie trotzdem, nennt sie allerdings "Selbstverteidigungskräfte". Dem Komponisten ist dies allerdings eindeutig zuwenig. Außerdem müssen Militäreinsätze außerhalb Japans zugelassen werden. Darüberhinaus fordert Mayuzumi und sein "Volkskongress" daß der Kaiser nicht nur als Symbol der Einheit des japanischen Staates beschrieben wird, wie dies in der Verfassung festgelegt ist, sondern er solle das reale Staatsoberhaupt sein, ein ethnisch einheitliches Japan erfordere eben das Kaisersystem in der absoluten Form. Soweit der Komponist des Auftragswerks des Landestheaters Linz.

Gertrud Fussenegger
Ihre NSDAP-Mitgliednummer war 6,229.747. Gertrud Fussenegger wurde seit 1951 mit mehr als zwanzig Orden, Preisen und anderen Ehrungen bedacht. Im Herbst letzten Jahren wurde Fussenegger mit dem Jean-Paul-Preis des Freistaates Bayern ausgezeichnet. Erstmals regte sich Widerstand gegen eine Preisverleihung an Fussenegger. Der Zentralrat der Juden in Deutschland empörte sich über die Preisverleihung an die ehemalige NSDAP-Parteidichterin. Diese Diskussionen brachten auch etwas Licht in die dunkle Biographie Fusseneggers, die diese stets beschönigt und von besonders heiklen Punkten befreit hatte. Schon 1934, 22 Jahre alt, soll Fussenegger in Innsbruck mit zum Hitlergruß gestreckter Hand das Host-Wessel-Lied gesungen haben. Sie wurde deshalb von allen österreichischen Universitäten relegiert. 1938, dem Jahr des "Anschluß" Österreichs veröffentlicht sie im "Völkischen Beobachter" folgendes Gedicht:

Betend wallt' ihm entgegen
freudenweinendes Volk,
sich selbst als Gabe zu bringen,
gewillt zu größtem Bekenntnis.

"Ihr gelingt in einem Satz das Kunststück, den Untergang Österreichs zu bejubeln, den Führer zu verherrlichen und den kommenden Krieg zu bejahen, schreibt der Germanist Christian Michelides in einem Aufsatz zur Person Fussenegger.
Oder Fusseneggers politischer Offenbarungseid am 12. März 1938:

Wir sagten Deutschland
und meinten das Reich,
das uns die Seele versengte,
brünstig im Kreis der Verschwörer.
So nur, Vermummte,
durften wir dienen,
Kinder des größeren Vaterlandes.

Gedichte, die eine beachtliche Karriere absolvierten. Erstdruck in Alfred Rosenbergs "Völkischen Beobachter", später in der Ostmark-Anthologie "Kampf und Glaube" von Hein Stünke, danach in der Reclam-Ausgabe "Heimkehr ins Reich" von Heinz Kindermann. Dieser publiziert das Gedicht ein zweites Mal in seinem "Kampf um Lebensform" und empfiehlt, das Gedicht "müßte in alle Lehrbücher unseres Volkes eingehen." Zahlreiche andere Publikationen und Anthologien öffnen sich für Fussenegger. Die Nazi-Connection ist schon weit ausgebaut. "Gertrud Fussenegger verdankt ihre gesamte Karriere der Förderung des Nationalsozialismus. Subjektiv wie objektiv.
Aktiv wie passiv. Sie hilft dem System durch Propagierung seiner Werte, dieses revanchiert sich durch monströse Auflagen und Göbbels Huldigungsmaschinerie" schreibt Fussenegger Biograph Michelides. In ihrem Text "Böhmische Verzauberungen" beschimpft Fussenegger die Grabsteine des jüdischen Friedhofs als "Drachensaat" und "finsteres und häßliches Labyrinth unzähliger übereinandergetürmter Leichensteine". Diese antisemitischen Ausfälle wiederholt Fussenegger 1979 in ihrer Autobiographie "Ein Spiegelbild mit Feuersäule" fast wortwörtlich. Ihre NSDAP-Mitgliedschaft, ihre Mitarbeit in "Völkischen Beobachter" verschweigt sie in dieser geflissentlich. Die Vertreibung und Verschleppung der jüdischen Bewohner des Prager Ghettos begrüßt sie lauthals als das Ende der früher "willig geduldeten Überfremdung durch Artandere und Entartete".

Antisemitismus zieht sich wie ein roter Faden durch Fusseneggers Biographie: In ihrem Bühnenstück "Pilatus" karikiert sie jüdische Hohepriester, bezichtigt sie des Mordes an Jesus und erteilt Pilatus gleichzeitig die Absolution. Die Orgelmusik zu Fusseneggers "Pilatus" steuerte übrigens der NSDAP-Paradekomponist Cesar Bresgen bei, der auch die "Festliche Orgelmusik" zu Hitlers Geburtstag 1944 komponiert hatte. Eine nicht wirklich erstaunliche Kontinuität im Denken und Schreiben Fusseneggers, die sich auch in der rassistischen Hetzschrift "Mohrenlegende" manifestiert. Wegen seiner Hautfarbe beschreibt sie ein Kind als "fremd" und "häßlich", seine Lippen als "dick" und "häßlich blau", sein Gebiß als "bleckend" und "räuberisch", seinen Blick als "wild" und "schrecklich", sein Verhalten als "blöde wie ein Tier". (Michelides) Die "Mohrenlegende" wurde insgesamt sechsmal verlegt, das letzte Mal 1986 in Stuttgart. Entschuldigt hat sich Gertrud Fussenegger nie, distanziert hat sie sich stets nur zweideutig. "Man sagt: Wir waren damals mit Blindheit geschlagen. Mir scheint: Blindheit ist grundbefindlich im Menschendasein." so lautet eine der nebulösen Distanzierungsversuche (oder besser eine Scheindistanzierung) von Ihrer Nazi-Vergangenheit. Die dann aber doch wieder zum Ausdruck bringt, daß sie es nicht wirklich will. Soweit die Librettistin des Landetheater-Auftragswerkes.

Dem Landestheater Linz fällt der Verdienst zu, Nazi-Schreiberin Fussenegger und Japan-Reaktionär Mayuzumi fröhlich vereint zu haben. Der Widerstand gegen diese Uraufführung, der letzte Saison zart aufgeflackert war, führte damals zu einer Krisensitzung des Kulturreferenten Pühringer mit dem Intendanten Zeilinger und Orchesterchef Sighart. Ein Ergebnis dieses Gesprächs war nie bekannt geworden. Man hat sich offenbar darauf geeinigt, Ruhe einkehren zu lassen, und das Ganze auszusitzen bis niemand mehr davon spricht. Man hat dieses üble Machwerk, einfach nur um ein Jahr verschoben, damit das Image nicht angekratzt wird. Inhaltliche und politische Überlegungen spielten offenbar keine Rolle. Und schon gar nicht die Frage, wie es zu solch einem Auftrag überhaupt kommen konnte.