Cui bono

- wem nützt es?

Andi Wahl
"Haider ist nicht das Problem Österreichs, zu dem er aufgeblasen wird. Noch weniger ist er nur noch die Lösung des Problems, für die er sich ausgibt. Haider ist nicht das Problem, er ist dessen deutlichster Ausdruck, wie ein Fieberthermometer nicht die Krankheit ist, und nur ein Narr glauben kann, mit der Zertrümmerung des Fiebermessers das hohe Fieber beseitigen zu können. Haider ist genausowenig das Problem wie bei einem vor Schmerzen sich Wälzenden und Schreienden das Schreien und das Sichwälzen das Problem ist, das es wegzubringen gilt. Haider ist nicht das Problem. Das Problem ist, daß der zum Problem gemachte Haider alles zudeckt. Das ist seine Funktion." 1

Allerorts trifft man jetzt auf Anti-Haider -Plattformen, -Kommitees, -Plakate, -Flugblätter usw.
Jede/r der/die auf sich hält ist gegen Haider und versucht die Schreckensvision eines "Bundeskanzler Haider" mit düsteren Farben an die Wand zu malen. Von der kreuzbraven biederen Hausfrau, die nur um den Haider eins auszuwischen für den EU-Beitritt gestimmt hat, über Kulturmanager mit wert-konservativen oder links-liberalem Hintergrund bis hin zu links-anarchistischen Kollektiven; alle fühlen sich aufgerufen der drohenden Faschistisierung Österreichs trotzend entgegenzutreten.
In ihrem Anit-Haider-Taumel meinen sogar viele, ansonsten durchaus vernunftbegabte Menschen, in den Regierungsparteien Bündnisspartner gegen die neofaschistische Gefahr entdeckt zu haben, denn um diese abzuwenden, hieße es nun zusammenstehen und eine Koalition der "Guten", der "Anständigen" oder wie sie sich auch immer nennen wollen, zu bilden. So mancheR dem/der Politik ansonsten zu trivial, zu schmutzig, zu anstrengend oder zu langweilig ist, sieht plötzlich in dieser Anti-Haider-Front die ideale Gelegenheit zu beweisen das er/sie einE gute DemokratIn - ja mehr noch - ein guter Mensch ist.
Diese Guten und Anständigen übersehen aber in ihrem Eifer, daß die "Gefahr Haider" (die ich ja gar nicht bestreiten will) zu einem Gutteil aus den Werbeagenturen der Regierungsparteien kommt. Denn diesen, den Regierungsparteien, hat ja gar nichts besseres passieren können als Haider.
Die Regierungsparteien brauchen Haider gleich doppelt.
Einmal um von ihrer eigenen Politik abzulenken. Denn wer hat menschenverachtende Fremdengesetze beschlossen deren Durchführungsbestimmungen allen rechtsstaatlichen Grundsätzen ins Gesicht schlagen 2. Wer ließ die US-"Berge"panzer, die in Kuwait tausende irakische Soldaten lebendig im Sand verschütteten, und zutode walzten, durch Österreich eskortieren? Wer betreibt die Ausdünnung des Sozialsystems und sorgt seit Jahren in diesem Land für eine Umverteilung von unten nach oben? Nichts schöneres für eine Regierung als immer auf einen bösen Buben zeigen zu können, unter dem alles noch viel schlimmer wäre.
Ein weiteres mal nützt Haider den Regierenden in seiner Funktion als Unruhestifter um genau diese Politik durchsetzen zu können. Das Stickmuster ist ein einfaches, aber offensichtlich doch wirkungsvolles. Haider hetzt gegen Ausländer, Sozialschmarotzer, berufstätige Frauen, Volksgruppen, Homosexuelle usw. und erzeugt damit jene "öffentliche Stimmung" der die Regierenden angeblich nachgeben müssen ( Josef Cap meinte Ende 1992 zum Ausländer-Volksbegehren der FPÖ, die SPÖ mache "Gesetze statt Ausländerhetze" - wie die aussehen wissen wir ja). Haider übernimmt die Rolle des Breschenschlägers für die Regierungspolitik. Dafür wie er diese Rolle spielt, gebührt ihm der Oscar für die beste Nebenrolle. Haider gibt den Regierungsparteien das Image nicht rechts zu sein, obwohl ihre Politik eine wahrhaft rechte ist.
Und gewissermaßen als Draufgabe, ist Haider auch noch der beste Wahlschlager für die Regierungsparteien, und nicht nur für diese. Vranitzky, der sich ja seit Jahren als DER Anti-Haider-Mann ausgibt selbst über seine - wie er es nennt - "antifaschistische" Strategie: "Meine Festigkeit gerade auf diesem Gebiet sichert mir einen nicht unbeträchtlichen Wählersockel, denn in den Wahlkämpfen der Vergangenheit ist diese meine Haltung gerade auch von Menschen, die gar nicht grundsätzlich sozialdemokratisch eingestellt sind, anerkannt worden." (Armin Thurnher, Franz Vranitzky im Gespräch, 1992). Haider ist also Vranitzkys bester Mann in der Opposition. Vielleicht druckt deshalb der sich in SPÖ-Eigentum befindliche Leykam-Verlag die "Aula", das Zentralorgan des Rechtsextremismus in Österreich.
Alle starren auf Haiders 3. Republik wie die Kaninchen auf die Schlange, ohne dabei zu merken wie sich hinter ihnen die Regierungswölfe (in angeblich "antifaschistischem" Schafpelz) anpirschen um ihnen ans Fell zu gehen. Denn jedeR, der vor Haider zum Erschrecken gebracht wird, zählt - als eineR außer Gefecht gesetzteR im Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse.
Der Anti-Haider-Taumel, in dem sich jetzt so viele befinden, in dem auch viele glauben ihre Gesinnungsreinheit wie einen Bauchladen vor sich her tragen zu müssen, um aller Welt zu zeigen welch wache Staatsbürger und aufrechte Antifaschisten sie doch sind, geht mir fürchterlich auf die Nerven. Nicht nur weil er den Blick für die derzeitigen Verhältnisse vernebelt, sondern auch weil er zu einer Simplifizierung der politischen Anschauungen führt. Plötzlich sollen die Unterschiede in Österreich nicht mehr zwischen arm und reich, fortschrittlich und konservativ liegen, sondern nur noch zwischen Haider-GegnerInnen und Haider-BeführworterInnen, oder Haider-ein-bisserl-BeführworterInnen. Pro oder contra Haider scheint zur einzigen politischen Kategorie zu werden.
Hört man den Anti-Haider-Taumlern länger zu, so könnte man meinen es sei ganz egal wenn man wählt, solange er nur nicht Haider heißt.
Gegen Haider zu sein ist keine Leistung, es zeugt bestenfalls von einer einigermaßen intakten Gehirntätigkeit. Und wenn Ihr erschreckt vor dem was mit der 3. Republik heraufzudämmern droht - ich habe nichts dagegen - dann doch auch vor der Menschenverachtung wie sie bereits gegenwärtig in Österreich wütet. Denn Haiders 3. Republik ist nicht der Gegenpol zu den derzeitigen Verhältnissen, nur ihre Übertreibung.

1 Markus Wilhelm in FÖHN 1/95
"Haider = Vranitzky"
2 Gesetze die auch unter dem "lieben", angeblich linken Innenminister Einem nicht wesentlich verbessert wurden.