HILLINGERS
EU-TAGEBUCH

30. November
Ich stehe im dm und sinniere über die tiefere Bedeutung von Hakle De Luxe, vierlagig mit Punktprägung, das 6er Pack zu 68 Schilling. Eine Frau mißversteht mich gründlich. "Goins, si wundern si a, daß ka billigs Klopapier mehr gibt." Alles sei teurer geworden, seit wir in der EU sind. Oder sei mir etwa ein Geschäft bekannt, wo Papiertaschentücher noch um weniger als 8 Schilling erhältlich sind? Im Speichern von Papiertaschentücherpreisen bin ich nicht gut. Angelogen nach Strich und Faden, sagt sie. Von den hohen Reispreisen kommen wir dazu, was wir uns in der EU nicht mehr leisten können. Neutralität zum Beispiel. Und sie reden längst nicht mehr vom Bundesheer, sondern von der Armee. Verbrecher. Wir sind uns einig und sie empfiehlt mir das Klopapier vom Meinl, gute Qualität zu einem annehmbaren Preis.

1. Dezember
Heute zum ersten Mal kurz ein Antragsformular für Projektförderung aus EU - Geldern gesehen. Das Ding ist rund 4 Zentimeter dick und zweisprachig abgefaßt. In Oberösterreich werden rund 10 Sozial - und Kulturprojekte von der EU unterstützt. Im Kulturbereich hätten es angeblich mehr sein können, aber die Anträge wurden nicht vollständig oder nicht rechtzeitig ausgefüllt. Deshalb wird von der Kulturszene mehr Professionalität verlangt -damit das Antragsausfüllen besser klappt und sich noch mehr Kulturmanager, Kuratoren etc. wichtig machen können.
4. Dezember
"Unser" Mann in Brüssel, EU - Kommissar Fischler zeigt Österreichs Bauern die lange Nase. 1994, noch als Landwirtschaftsminister bekniete er seine Klientel, doch an der Aktion "Winterbegrünung" teilzunehmen. Diese Maßnahme gegen die Bodenerosion wäre der Förderdreieinigkeit EU, Länder und Bund bis zu 1900 Schilling pro Hektar wert. Unter Fischlers Vorsitz verweigert die Europäische Kommission jetzt die Auszahlung der Förderung, weil diese Aktion nicht den EU-Richtlinien entspräche. Schön langsam spricht es sich auch in unseren Medien herum, daß in Frankreich gestreikt wird, und zwar massiv. Froschfresser sind bei uns ohnehin nicht sehr beliebt. Aber streikende Froschfresser, die sich all das, was auch uns wegen Maastricht und der Währungsunion weggenommen werden soll, nicht wegnehmen lassen wollen, sind das Letzte. Schade, daß hier ein EU - Tagebuch zu führen ist. Eine Rundschau: "Der Streik in Frankreich aus der Sicht österreichischer Medien unter besonderer Berücksichtigung des ORF" wäre eine feine Sache.
7. bis 10 Dezember
Das verlängerte Wochenende verbringe ich im Salzkammergut. Zum erstenmal in Österreich irische Butter, "Kerrygold",gegessen, weil sie im Ischler Contra ,vormals familia im Angebot war. Wehmütige Erinnerungen an "Doblin", Dingle und die Aaran Islands wollen sich nicht recht einstellen. Wieder hinfahren wäre gescheiter als Butter fressen. Die letzte Mühle im Inneren Salzkammergut sperrt zu. Seit dem EU - Beitritt liegt der Mehlpreis bei 2,90 Schilling, der Getreidepreis aber bei 2 Schilling 15 Groschen. Da läßt sich nichts mehr machen.
11. Dezember
Die NATO führt Kriegsgerät quer durch Österreich, hat dazu noch kein UN - Mandat und das Parlament wurde nicht einmal gefragt. Was früher ein Verfassungsbruch gewesen wäre, ist jetzt so. Frage: Wäre nicht die 3. Republik die den europäischen Strukturen am ehesten entsprechende Regierungsform? Ein starker Präsidentenkanzler läßt die Panzer durchs Land und das Volk stimmt ab, ob auf die Autobahnen Flüsterasphalt kommen soll oder nicht.
14. Dezember
Im Fernsehen sieht man Fischler mit einem ORF - Team durch einen Brüsseler Supermarkt pirschen auf der Jagd nach österreichischen Waren. Sie finden ein PEZ, aber das war vor dem EU - Beitritt auch schon dort.
15. Dezember
Es ist fix. Aus für den Schilling, der Euro kommt.


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