Christian Wellmanns
Besuch in der Grottenbahn

Also, das war ja wieder einmal ganz lustig; ein Besuch der Grottenbahn (die sich am Fuße der Barockkirche des Pöstlingberges, dem Wahrzeichen der Stadt Linz (wie wir wissen), windet) mit allen Schikanen. Dieser Tummelplatz und beliebtes Ausflugsziel der Philister samt ihrer Bastarde und gehegtes Vorzeigeschild des Linzer Tourismusverbandes wird gerne als (inoffizielles) Wahrzeichen angepriesen. Wenn man bedenkt, wieviele Touristen in den Sommermonaten angezogen werden, kann man diesen Stolz einigermaßen verstehen.
Christian Wellmann, September 95
Die Grottenbahn, die völlig der ESG untersteht (und komischerweise der einzige gewinnbringende Teil ebendieser ist), wurde im Jahre 1906 errichtet. 7 maximilianische Befestigungstürme des Pöstlingberges wurden damals erworben, wobei die Märchenwelt und die Bergstation der Pöstlingbergbahn in solchen Türmen untergebracht sind.
1945 beschädigte eine Bombe die Grottenbahn schwer. Die Bildhauerin Frau Prof. Stolz wurde beauftragt, die Märchen- und Zwergenwelt, wie sie auch heute noch zu bewundern ist, neu zu kreieren. Das Resultat waren (lebensgroße) Märchendarstellungen - wie z.B. von Schneewittchen, Froschkönig, Rübezahl und anderen Favoriten.
Die zwei weiteren Attraktionen: der Zug mit dem Drachenkopf, der die Besucher in das Zwergenreich (legendär u.a. "Der Käferüberfall") entführt, und eine getreue Nachbildung des Linzer Hauptplatzes.
Bis Ende Juli konnte die Grottenbahn 117.000 Besucher (30 % mehr als voriges Jahr) begrüßen. Der Umbau, der dieses Jahr stattfand und 2,3 Mio. kostete, begrenzte sich nur auf eine zusätzliche Märchengruppe, auf die Vergrößerung des Kassenraums und auf die Errichtung eines (einträglichen) Souvenirshops. Heuer hat man auch an den Adventwochenenden geöffnet, wobei vom 7.12. bis 10.12. ein Adventmarkt stattfindet. Es gibt dann auch noch die Erlebnistage, mit so schwachsinnigen Mottos wie "Hopp,Hopp! Triff den Osterhasen", mit denen man die Herzen der Kleinsten zu erobern versucht. Um die roten Zahlen der ESG korregieren zu helfen, gibt es die Möglichkeit, die Grottenbahn als Privatperson zu mieten - Wow! - Und das für 3.200,-/Stde.

Erinnerungen...
Wir sind hier im Reich der Feen, Zwerge, Drachen, Elfen, Wölfe (also sehr gute Bekannte von vor Jahren) und stellen fest, daß Begriffe wie glänzende Kinderaugen oder heile, heile Kinderwelt unter der Schutzhülle der Grottenbahn keinesfalls floskelhaft anmuten. Man kann die ungebremste Anziehungskraft dieses (fürwahr zeitlosen) Unterhaltungtempels spüren - denn: Märchen sind unsterblich. Da der Autor dieser Zeilen eigentlich immer lieber in vergilbten Comics geschmökert hat, hat er Märchen immer nur folgendermaßen gesehen: als bittere, komische Geschichten in einer Welt von blöden Helden, die nur den fadesten Altersgenossen imponierten (oder wer interessiert sich für so einen Freak wie den Froschkönig?), und immer nur die Sorte Kinder interessierte, die Sonntags in die Kirche gingen und Deutsch-Tests mit einem römischen Einser absolvierten. Da war die Comic-Welt von Superhelden und charismatischen Enten doch weit interessanter. In den meisten Märchen kommen Horrorgeschichten nicht zu kurz. Warum nicht?: Grottenbahn ist Geisterbahn für Kinder. Außerdem sagen Märchen: werdet erwachsen, gründet Familien. Der Aufforderung, in einer Märchenwelt dahinzuträumen/leben kommt (leider) wirklich keiner nach. Darum sind Märchen auch in Österreich äußerst beliebt.
Nach einiger Zeit in den Gewölben wird man unweigerlich von (herzerwärmenden?) Kindheitserinnerungen durchströmt - was denn nicht alles so und so gewesen sei. Aber bloß nicht: Kindheit = Wonnezeit. Man kann auch später (und spät) Spaß haben. Unbeschwert. Wie damals. Doch leider denkt man zu verquert. Alles nur keine Ode ans Altwerden, Lebensversicherungen abschließen und ein ewiges verbales Aufwärmen von kultigen Begebenheiten. Doch zerplatzen die Erinnerungen (falls sie schön waren und man noch richtig grün hinter den Ohren war), wenn man sich an mystische Orte, an denen (Kinder)herzblut klebt, begibt? Wie z.B. die Grottenbahn. Ja,ja das alte Lied: wer oft scheitert, sammelt die wertvollsten Erfahrungen. Sind also solche Besuche zu Kultstätten der Kindheit toll?

Der Pöstlingberg
Wie die Mär zu berichten weiß, war der Pöstlingberg vor gar nicht allzu langer Zeit nur halb so hoch, da dort einst die Zwerge hausten ("in Eintracht mit den Talmenschen"), die sich nunmehr in der Zwergenwelt der Grottenbahn aalen. Der Pöstlingberg. Phhh. Das Eldorado der Reichen. Es wäre mir recht, wenn die Zwerge wieder von ihrem geschützten Reich ausziehen und den Berg bevölkern und die betuchten Könige des Pöstlingsberges erschrecken würden. Ein "Poet" verstand es den Pöstlingberg in folgende Sätze zu fassen (wie einem mitteilungsbedürftigen Stein nahe der Grottenbahn zu entnehmen ist):
"O Pöstlingberg, du Landeshort. Du Perle der Provinz, du Segensquell und Gnadenort. Akropolis von Linz."

Die Geschichte des Gartenzwerges
Eine Richtigstellung zum blutigen Bruder des harmlosen und liebenswerten Zwergenclans. Mit der Idylle der Märchenwelt darf ruhig aufgeräumt werden. Bekanntlich haben ja diese Gartenclowns ein rotes Köpfchen, das nichts anderes als das Blut von Kindern, die als Opfer (z.B. für bessere Ernten) gebracht wurden, signalisiert. Diese (damals noch) Tonfiguren wurden dann perverserweise im Garten, als Zeichen der Auferstehung, aufgestellt. Also: kickt die Zwerge aus Eurem Grünzeug!

Die Pöstlingberg-Bahn
Als eine der steilsten Adhäsionsbahnen (bei einer Länge von 2,9 km und maximaler Steigung von 10,5 Prozent) besteht sie seit 1898. 1918 wurden rund 700.000 Fahrgäste befördert, während 1943 mit 1,3 Mio. Personen der Höchstwert erreicht wurde. Die Frequenz beträgt nunmehr rund 500.000 Gäste/Jahr. Eine Fahrt auf den Pöstlingberg sollte man allemal mit dieser liebevoll restaurierten Einrichtung der ESG bestreiten.
Konklusion: alles, was sich am Pöstlingberg rankt, ist so trashig, daß es eigentlich wieder großartig ist.