So schauts aus

Kirche, Pest
und Kulturkampf

Erich Gupfinger, Oktober 95
Ja, genauso schauts aus, wenn die Trennung von Kirche und Staat ein ausgehöhltes Verfassungsrecht darstellt und kein maßgeblicher Politiker dem Kulturkampf der Kirche ("die Pest des Liberalismus") entgegenhält, daß es an der Zeit wäre, ein Produkt des klerikalfaschistischen Ständestaates mit dem Vatikan, nämlich das Konkordat, in Frage und auf neue Füße zu stellen. Da kriechen sie schon lieber zu Kreuze, pardon, gehen auf den Pöstlingberg wallfahrten, wenn ich an die künftigen Vorhaben der Linzer Spitzenpolitiker denke (das hätte es ja nicht einmal unter Hillinger gegeben ...). Wo sind die sonst so flexiblen Selbstdarsteller, die sogar viel jüngere Staatsverträge und internationale Regelungen der Neutralität Österreichs für obsolet betrachten? Natürlich geht es schon längst nicht mehr um die ständig gepredigte Toleranz und Nächstenliebe, wie dies in der aktuellen Diskussion um die kreuzweise Gestaltung der Klassenräume offen zutage tritt. Wer verzichtet schon aus reiner Nächstenliebe auf einen staatlich verankerten Monopol- und Machtanspruch?

Die Toleranz ist christlich!

Das Kreuz muß verteidigt werden, auch wenn es so manchem Playboy golden beim Hals heraushängt. Und nachdem wir in der Schule kaum von den schrecklichen Verbrechen gelernt haben, die im Namen des Kreuzes verübt wurden, darf heute allen Ernstes von den Vertretern der christlichen Kirchen und konservativen Politikern behauptet werden, daß das Kreuz die ethischen Werte einer abendländischen Kultur schlechthin symbolisiert, womit wir wieder bei Nächstenliebe, usw. wären... Diese schaut dann so aus: "die Leute sind," wie Jean Paul sagt, "stets bereit, einem das Kreuz tragen zu helfen, wenn es das Kreuz ist, an dem man selbst aufgehängt werden soll". Oder kennt jemand eine/n, der im Sinne der angeblich von Christus gepredigten Nächstenliebe seinen Besitz den Armen schenkte. Vielleicht einen Vertreter der Kirche? Nein? Also dann verständigen wir uns auf die vorgenannte Definition.

Wir wollen niemals auseinandergehen: Kirche und Staat

Nun vom Kreuz zu dem, was der Staat namens der Kirche den 85% an der Kirche Vorbeigehenden zumutet, obwohl Art. 7 der österreichischen Bundesverfassung Vorrechte aufgrund religiösen Bekenntnisses verbietet. Die Rede ist nicht von den 15580 Millionen, die der Bund jährlich zu den Kosten der Religionsgesellschaften beiträgt - das wäre ein eigenes "Spar"-Kapitel wert -, sondern was ein(e) aufgeklärte(r), kulturinteressierte(r), Staatsbürger(in) beispielsweise am Karfreitag oder am 24. Dezember angesichts der gesetzlichen Reglementierung für Spielräume bei der Gestaltung seiner/ihrer Freizeit hat. Man könnte meinen, er/sie könnte ins Kino gehen oder sich ein Jazz- oder Rockkonzert reinziehen. Oh nein! Hier hat die Kirchenlobby beim Landesgesetzgeber schon vorgesorgt, daß Du an diesen beiden Tagen, die übrigens keine gesetzlichen Feiertage für Katholiken sind, entweder am Christkindlmarkt in den Chor der vom Punsch- oder Konsumrausch Trunkenen zum "Stille Nacht, oh wie lacht" einstimmst oder am Karfreitag die österliche Fastenzeit mit einer lustvollen Betätigung des Videorecorders bereicherst.

Was von der Kunst- und Meinungsfreiheit blieb...

Man kann das schon als revolutionäre Tat bezeichnen, was die Damen und Herren Abgeordneten des OÖ. (Pfarr-)Landtags im Jahre 1994, also 307 Jahre nach Beginn des Zeitalters der Aufklärung zur Einsicht gelangten, daß am Karfreitag und am 24. Dezember nur solche Filme zur Aufführung gelangen dürfen, die geeignet sind, auch vor Kindern vorgeführt zu werden. Eine solcherart liberale Gesinnung erfährt jedoch sogleich wieder einen fundamentalistischen Rückschlag, als am 24. Dezember die letzte Vorstellung programmgemäß vor 18.00 Uhr, also spätestens um 17.59 Uhr enden muß (ich werde den Verdacht nicht los, daß es hier darum geht, daß Kinder mit Papi zwischen 16.00 und 18.00 Uhr ins Kino geschickt werden, damit Mami den Christbaum aufputzen und nachher die Lüge vom Christkind auftischen kann). Ja und was ist an diesem Mach(t)werk, das sich OÖ. Kinogesetz-Novelle 1994 nennt, so revolutionär? Ganz einfach. Vorher durften am Karfreitag keine (Kinder-)Filme vorgeführt werden. Ein schlechter Witz in einer schlechten Zeit. Noch dazu in einem Rechtsstaat, der für Zuwiderhandlungen gegen Leben und Gesundheit eines Bürgers wesentlich geringere Strafen vorsieht, als bei Verletzung der "Wertvorstellungen" des "christlichen Abendlandes" durch einen sündigen Lichtspieltheaterunternehmer. Geldstrafen bis zu S 30.000,- oder Arreststrafen bis zu vier Wochen, im Wiederholungsfalle Entziehung der Bewilligung, Einziehung der Projektionsanlage (es soll schon Fälle gegeben haben, bei denen alkoholisierte driver für von ihnen verschuldete tödliche Verkehrsunfälle billiger davongekommen sind ...).

Ja und vom gleichen christlichen Missionsdrang dürfte der Gesetzgeber des OÖ. Veranstaltungsgesetzes 1992 gewesen sein, der Experimentalveranstaltungen am Karfreitag und am 24.12. verbietet. Über eine mögliche Geldstrafe bis zu S 100.000,- tröstet auch wenig hinweg, daß das Rauhnachtsingen in der Weihnachtszeit nicht zu den verbotenen Veranstaltungen zählt. Jazzkonzerte sind nun einmal in der Regel von wesentlich besserer musikalischer Qualität, als daß sie damit verwechselbar wären. Den Kulturverein "Wåschaecht" traf die Strenge der blinden Justitia mit voller Härte, als das Magistrat der Stadt Wels eine angemeldete Veranstaltung am Karfreitag, 1.4.1994, 22 Uhr unter Hinweis auf die oben zitierte Gesetzeslage untersagte. Wo bleibt die im Staatsgrundgesetz verankerte Freiheit der Kunst? Wer schützt Konfessionslose, Andersgläubige, Atheisten, Agnostiker vor den irrationalen Wertvorstellungen der restlichen Mitbürger? Hat sich das Grundrecht der Religions- und Gewissensfreiheit bereits in einen Monopolanspruch gegen Freidenker und Konfessionslose verwandelt? Nun ja. Der Allerweiseste aus St. Pölten sagt es und viele andere denken es: Kirche hat mit Demokratie nichts zu tun und mangelnde Toleranz trifft ja nur auf diejenigen zu, die neben dem Kreuz in der Schule auch noch einen feisten Buddha sehen wollen (oder keines von beiden).

Religiöse und andere Gefühle...

Derlei Frömmelndes, Heuchlerisches und Scheinheiliges hat den Ooe. Freidenkerbund bewogen, die Abgeordneten des OÖ. Landtages, Landesräte und Parteivorsitzende darauf aufmerksam zu machen, daß die Sicherstellung der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht dazu führen kann, daß (vorgegebene) Wertvorstellungen bestimmter religiöser Gemeinschaften den täglich mehr werdenden Konfessionslosen nicht als Richtschnur ihres Handelns durch den Gesetzgeber aufgezwungen werden sollen.
Das Verbot von Kinovorführungen und Veranstaltungen an den besagten Nicht-Feiertagen stellt eine unzulässige Einschränkung der Grundrechte der Bürger dar. Ja und wie so oft, wenn die Moral in Gesetzen im Spiel ist, ist der Widerspruch nicht weit: Einerseits sieht das OÖ. Veranstaltungsgesetz vor, daß die Behörde Personen bis zum 18. Lebensjahr den Besuch von Veranstaltungen aus politischen oder religiös motivierten Gründen nicht verbieten darf. Andererseits wird Erwachsenen - aus ebenfalls religiösen Gründen - der Besuch einer Veranstaltung unmöglich gemacht. Es geht um den Schutz religiöser Gefühle? Schon lange nicht mehr! Sagt doch Gott-sei-bei-uns-Krenn, daß Geschäfte am 8. Dezember, einem Feiertag, zum Schutz der notleidenden Wirtschaft offenhalten sollen können. Damit die Christen an diesem Tag nicht im Ausland Konsum- und sonstige Götzentempel aufsuchen. Und zur Strafe sollen sie (nicht nur die verbleibenden 15% Kirchengänger) auch im Inland nur ihrem Herrn, dem Dienstgeber und nicht auch IHM dienen. Vergelt`s Krenn! Für 15,58 Milliarden Schilling jährlich vom Staat kann man sich schon einmal mit der notleidenden Wirtschaft arrangieren. Die ersten Antworten der Abgeordneten des OÖ. Landtages sind beim Ooe. Freidenkerbund schon eingelangt: "Geduld", "Wünsche in unsere Überlegungen einbeziehen", "Unterstütze ich Eure Bemühungen, Diskriminierungen Konfessionsloser gegenüber Angehörigen kirchlicher Konfessionen abzustellen", "Sie mögen in vielem Recht haben", waren die ersten positiven Ansätze, Verkrustetes aufzuweichen. Das kann für uns nur ein Ansporn sein: draufbleiben, nachstoßen, diskutieren, aufklären, argumentieren... Vielleicht schaut´s bald anders aus.

erich gupfinger
ooe freidenkerbund